Mitarbeiter des BND soll den NSA-Untersuchungsausschuss ausspioniert haben
Journalisten berichten über womöglich "größten Skandal um einen deutsch-amerikanischen Doppelagenten in der Nachkriegszeit". Dies sei im Auftrag eines nicht näher genannten US-Geheimdienstes geschehen
Ein gestern wegen Geheimdienstaktivitäten festgenommener deutscher Staatsangehöriger hat angeblich in Deutschland spioniert und Informationen an die USA weitergegeben. Es habe sich demnach um einen Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) gehandelt. Bei der Spionage sei es auch um den NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages gegangen. Dies melden Agenturen unter Berufung auf den Rechercheverbund aus Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR.
Der 31-Jährige war auf Weisung des Generalbundesanwalts Harald Range wegen des "dringenden Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit" inhaftiert worden. Gestern war noch unklar, für welchen ausländischen Nachrichtendienst der Verdächtige spioniert haben soll. Die ermittelnden Beamten seien zunächst davon ausgegangen, der Verdächtige habe im Auftrag eines russischen Geheimdienst gehandelt. Jedoch habe er in Vernehmungen gestanden, mit einem nicht näher genannten US-Dienst kooperiert zu haben. Er sei mehrfach befragt worden. Allerdings bleibt unklar, um welche US-Behörde es sich dabei gehandelt haben soll.
Die Journalisten werten die Festnahme als "bisher größten Skandal um einen deutsch-amerikanischen Doppelagenten in der Nachkriegszeit". Damit wird die Beihilfe des BND für US-amerikanische um eine weitere Nuance reicher: Diese Woche war bekannt geworden, dass der US-Militärgeheimdienst NSA deutsche Internetaktivisten ausspäht, weil sie sich um die Verbreitung von Verschlüsselungstechniken bemühen (Wer seine Privatsphäre schützt, ist für die NSA ein Extremist).
Dabei soll die Software "X-Keyscore" eingesetzt worden sein, die auch beim BND und dem Verfassungsschutz genutzt wird. Aus online gestellten Dokumenten geht hervor, dass die deutschen Zielpersonen als "Extremisten" bezeichnet werden. Mittlerweile ist auch der Quellcode von "X-Keyscore" geleakt.
Der NSA-Untersuchungsausschuss soll Licht ins Dunkel bringen, inwiefern der BND mit der NSA zusammenarbeitet. Der als Zeuge geladene Ex-NSA-Chef William Binney bescheinigte dem deutschen Auslandsgeheimdienst, bestens mit dem US-Partner zu kooperieren ("Der BND ist Wurmfortsatz der NSA").
Der Generalbundesanwalt ist da zögerlicher: Zu dem bekanntgewordenen Ausspähen des Telefons der Bundeskanzlerin existieren lediglich "Prüfvorgänge", keine Ermittlungsverfahren. Das Gleiche gilt für die Beteiligung von US-Basen in Deutschland am Drohnenkrieg der Obama-Administration. Immerhin hat das Auswärtige Amt hierzu im April ein Auskunftsbegehren an das US Africa Command (AFRICOM) gerichtet. Das in Stuttgart befindliche Kommando untersteht dem US-Verteidigungsministerium.
Derartige "Fragenkataloge" hatten das Bundesinnen- und das Bundesjustizministerium nach Bekanntwerden der Snowden-Dokumente an die US-Regierung gerichtet. Nachdem ein Jahr ohne Reaktion verstrich, hatte die Bundesregierung das Ansinnen aufgegeben und verlautbart, man rechne nicht mehr mit Antworten. Ganz anders bei den jetzigen Fragen: Zwei Monate später, nämlich am 11. Juni, habe das Auswärtige Amt Vertreter von AFRICOM an die Beantwortung der Fragen "erinnert".