Morpheus im Fadenkreuz

Wie die RIAA sich zum Krieg gegen P2P-Netzwerke rüstet

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Die Recording Industry Association of America (RIAA) hat soeben die Betreiber der Peer-to-Peer-Plattformen Morpheus, KaZaA und Grokster verklagt. Interne Papiere der Handelsorganisation zeigen, wie das Verfahren geführt werden soll und wo die Unterscheide zum Napster-Fall liegen (Morpheus/KaZaA sperrte kurz vor Klage GNU/Linux-Client aus).

Nach Napster, Scour und Aimster geht die amerikanische Musikindustrie nun auch gegen die Peer-to-Peer-Anbieter FastTrack, Music City und Grokster vor. Die niederländische Firma FastTrack ist Entwickler des Filesharing-Clients KaZaA Media Desktop. Dieses Programm wird in Lizenz auch von Music City unter dem Namen Morpheus und als Grokster-Client vermarktet.

Alle drei Programme nutzen das gleiche Peer-to-Peer-Netzwerk, das sich mittlerweile zum größten seiner Art gemausert hat. Insbesondere Morpheus hat es in den letzten Monaten geschafft, zum heimlichen Napster-Nachfolger zu werden. Auf den Download-Charts der CNet-Website Download.com rangiert der Morpheus-Client seit 22 Wochen auf Platz eins. Allein diese Woche wurde die Applikation bereits mehr als 1,6 Millionen mal heruntergeladen. Laut Webnoize wurden über die Fasttrack-Clients im August fast eine Milliarde MP3s getauscht.

Morpheus &. Co sind bei Filesharing-Fans so beliebt, weil sie die einfache Bedienbarkeit von Napster und einen großen Datenbestand bieten. In einigen Punkten lassen sie Napster sogar regelrecht alt aussehen. So ermöglichen die FastTrack-Clients schnelle simultane Downloads einer Datei von mehreren Quellen gleichzeitig. Laut FastTrack ist auch die verwendete Netzwerk-Struktur Napster überlegen. Anders als Napster baut man nicht auf zentralen Servern auf, sondern kombiniert Aspekte des Gnutella-Netzes mit einer flexiblen, semi-zentralen Struktur. Die Rolle der Napster-Server übernehmen so genannte Supernodes - Rechner mit guter Netzwerk-Anbindung, die je nach Bedarf automatisch für das Verwalten von Suchanfragen zur Verfügung stehen.

Verschlüsselte Kommunikation und dezentrale Netzwerkstruktur

Sowohl diese quasi-dezentrale Netzwerkstruktur als auch das eher undurchschaubare Firmen-Konglomerat der Lizenzgeber und -nehmer macht das FastTrack-Verfahren für die RIAA zu einer harten Nuss. Pünktlich zur Klageeinreichung veröffentlichte die Website Dotcomscoop.com interne Papiere der Organisation, in denen diese Schwierigkeiten und mögliche Strategien einer Prozessführung gegen das P2P-Netzwerk analysiert werden. Offiziell wird die Echtheit der Dokumente weder bestätigt noch dementiert. Stil und Zeitpunkt der Veröffentlichung sowie die Detailliertheit der Analyse lassen jedoch nur wenig Zweifel an deren Authentizität aufkommen.

Die RIAA bezeichnet darin die genaue Analyse der FastTrack-Netzwerkstruktur als schwierig, weil die interne Kommunikation zwischen den einzelnen Teilnehmern verschlüsselt stattfindet. So ist es bisher offenbar noch völlig unklar, wie die verschiedenen Supernodes miteinander kommunizieren und woher sie ihre Position im Netzwerk kennen. Die einzelnen Dateidownloads finden laut RIAA jedoch unverschlüsselt statt.

Die Clients greifen laut Analyse nach dem Programmstart automatisch auf eine Reihe von Supernodes zu, deren IP-Adressen fest in das Programm integriert sind. Bemerkenswerterweise finden sich darunter in den aktuellen Versionen des Programms nicht nur Server amerikanischer Universitäten, sondern auch ein Rechner der NASA und ein Server des Unterhaltungskonzerns Disney. Allerdings sind die meisten dieser Supernodes offenbar inaktiv. Nachdem sich der Client mit einem laufenden Supernode verbunden hat, besorgt er sich von diesem eine neue Liste.

Sehr viel Mühe gab sich die RIAA bei dem Versuch, Firmenserver mit einer zentralen Funktion für das FastTrack-Netzwerk zu finden. Grokster scheint tatsächlich selbst einen Supernode zu betreiben, was der Firma ähnlich wie Napster zum Verhängnis werden könnte. Im Falle von KaZaA und Morpheus konnte man jedoch nur das Betreiben von Login-Servern nachweisen. Zudem mussten die Autoren des Papiers feststellen, dass die Clients auch ohne eine Verbindung zu diesen Login-Servern funktionieren. De facto heißt dies, dass das Netzwerk wohl auch ohne die involvierten Firmen funktionieren würde.

Die beteiligten Firmen gegeneinander ausspielen

Die Autoren der Analyse geben sich dennoch optimistisch, dass man gegen die beteiligten Firmen juristisch Erfolg haben könne. Die eigene Position sei nicht so stark wie im Falle von Napster, aber auch nicht so schwach, dass sie reinem Wunschdenken entspreche, heißt es dazu in dem Papier. Nützlich für eine Klage sei es allerdings, noch mehr über Aufbau und Funktion des Netzwerks herauszubekommen. Dabei setzt die RIAA offenbar nicht nur auf technische Analysen. Genauer eingegangen wird auch auf die einzelnen Firmen, ihr Führungspersonal und dessen Motivation. So werden die beiden FastTrack-Gründer Niklas Zennstrom und Janis Friis als Programmierer beschrieben, die in erster Linie an der Weiterentwicklung ihrer Technologie interessiert sind. Ihre Firma hätten sie selbst finanziert, so dass kein Venture-Kapital-Geber mit eigenen Interessen im Hintergrund stehe.

Anders sieht die Lage laut RIAA dagegen bei Music City aus. Die Firma ist angeblich zu 65% Prozent Eigentum des Geldgebers Timberline Venture Partners, der auch maßgeblich Einfluss auf die Geschäftspolitik nehme. Für die RIAA ergibt sich daraus folgende Strategie: In einer ersten Stufe werden FastTrack, Music City und Grokster verklagt. Danach versucht man, sich mit FastTrack gütlich zu einigen und so mehr belastendes Material über deren Lizenznehmer herauszufinden. Ob diese Strategie nach ihrer Veröffentlichung allerdings noch fruchtet, ist eher fraglich.

"Wir müssen unsere Kunden zurückgewinnen"

Insbesondere Morpheus nimmt auch ein zweites Papier ins Fadenkreuz, das jetzt auf Dotcomscoop.com veröffentlicht wurde. In einer E-Mail an führende Vertreter der US-Musikindustrie fordert RIAA-Präsidentin zu einer gemeinsamen Strategie gegen die neuen Peer-to-Peer-Netzwerke auf. Gerade für die geplanten Abo-Angebote wie Pressplay und Musicnet könnten Peer-to-Peer-Clients wie Morpheus gefährlich sein. "Mit dem bevorstehenden Launch der legalen Abo-Angebote müssen wir unsere Kunden zurückgewinnen", so Rosen. Gegen den überwältigenden Erfolg der neuen Filesharing-Netzwerke sei man als RIAA allein jedoch überfordert.

Für eine gemeinsame Strategie der Plattenfirmen schlägt Rosen interessanterweise jedoch nicht in erster Linie juristische Maßnahmen vor. Zwar müsse man die existierenden Netzwerke überwachen, aber auch mit ihren Nutzern in Interaktion treten - etwa über das Versenden von Promo-Nachrichten für die legalen Konkurrenz-Angebote. Außerdem schlägt sie eine gemeinsame PR-Kampagne für legale Musikdienste vor. Schließlich werde die RIAA ihre Pläne und Optionen im Kampf gegen die Filesharing-Netzwerke ihren Partnern zur Verfügung stellen. Womit wohl gesichert ist, dass Dotcomscoop.com auch in Zukunft nicht leer ausgehen wird.