Mosul: Trinkwasserversorgung für eine halbe Million Einwohner gefährdet
Unicef warnt vor einer humanitären Katastrophe. Die Trinkwasserleitung wurde im IS-Gebiet zerstört. Die Zivilbevölkerung ist gefangen
Bis zu 500.000 Einwohner Mosuls sind nach Angaben von Unicef von der Trinkwasserversorgung abgeschnitten. Eine von drei Hauptwasserleitungen sei an einer Stelle zerstört, die in einem Gebiet liege, das unter der Kontrolle von IS-Milizen steht und nicht zugänglich sei.
Über die Ursachen der Zerstörung werden zwei unterschiedliche Spekulationen berichtet: Manche Bewohner machen Luftangriffe der von den USA geführten Koalition verantwortlich, ein Vertreter der Stadtverwaltung glaubt dagegen, dass die IS-Milizen die Versorgung absichtlich gestoppt haben.
Problematisch ist nicht nur die Versorgungsnot, der man notdürftig durch Lastwagenlieferungen Abhilfe zu schaffen versucht, sondern auch die Gefahr, dass sich durch schlechtes Wasser, etwa aus dem Tigris oder durch das Anzapfen von unsauberen Quellen, Krankheiten wie Diarrhoe verbreiten. Das Immunsystem vor allem der Kinder sei durch die Strapazen der letzten Jahre angeschlagen, so die Unicef-Mitteilung.
"In der Stadt gefangen"
Auch Lebensmittel sind knapp, ebenso die Stromversorgung. Laut Schätzungen der UN sollen ungefähr eine Million Menschen in der Stadt gefangen sein, wie SZ-Reporter, darunter Georg Mascolo, kürzlich aus Mosul berichteten. Im Bericht wird deutlich wie tatsächlich katastrophal die Lage für die Zivilisten ist.
Sie seien Gefangene einer "gescheiterten Strategie", heißt es dort. Die Regierung in Bagdad habe - wahrscheinlich aus der Erfahrung der Überforderung mit den Flüchtlingsströmen bei der Befreiung von Falludscha heraus - entschieden, die Bevölkerung in Mosul zum Bleiben aufzufordern. "Sie sollten in ihren Häusern bleiben und auf die Befreiung warten".
Im Spiel sei auch die Hoffnung gewesen, dass sich die Bevölkerung gegen den IS erheben würde, sobald die Schlacht beginne. Das sei aber offensichtlich nicht geschehen. Stattdessen nutzt der IS die Anwesenheit der Zivilisten aus.
Schon vor Beginn der Offensive auf Mosul hieß es, dass IS-Milizen Bewohner aus umliegenden Dörfern verschleppt haben, um sie als Schutzschilde oder Geiseln in Mosul zu missbrauchen. Die SZ-Reporter berichten vom alltäglichen Missbrauch der Zivilbevölkerung durch den IS. Dessen Milizen würden Stellungen vor Kindergärten, Schulen und vor Krankenhäusern errichten. Scharfschützen des IS würden darauf achten, dass Fluchtversuche schnell unterbunden werden. Das bestätigen auch Meldungen eines Blogs, der aus Mosul berichtet.
Die Unterschiede zwischen Zivilbevölkerung und IS-Mitgliedern seien schwer auszumachen. Für das Militär ist das ein großes Problem, wird ein irakischer Kommandeur zitiert.
Die Zivilisten sind überall, du kannst keine Panzer, keine Artillerie und keine Mörser einsetzen.
Al-Saidi, Kommandeur der "Goldenen Division"
Es gibt Erfolgsmeldungen über den Vormarsch der irakischen Eliteeinheiten. Die Spezialtruppen der Goldenen Division haben im Nordosten der Stadt drei weitere Wohnviertel vom IS befreit, berichtete Rudaw am Mittwoch. Sie rücken dem Stadtzentrum näher.
Größere IS-Gegenwehr als erwartet
Doch zeichnen Berichte von eingebetteten Journalisten ein Bild, das dem eines schnellen Erfolgs auf großer Linie nicht entspricht. Der IS würde den Spezialtruppen demnach weitaus mehr Hindernisse entgegensetzen als dies die irakischen Militärs erwarteten. Obwohl man die Taktik der Selbstmordfahrer, der Sprengsätze, der Hinterhalte im Prinzip kannte, wurde die Gegenwehr anscheinend unterschätzt.
Offensichtlich hat man nicht mit so vielen Selbstmördern gerechnet, die sich in den Weg stellen und offensichtlich auch nicht, wie dies der SZ-Bericht beschreibt, mit den Möglichkeiten für Hinterhalte durch das weit verzweigte Tunnelsystem.
Aus dieser Fehleinschätzung ergibt sich, dass die verschiedenen Angriffstruppen, die aus verschiedenen Himmelsrichtungen auf die Stadt vorstoßen, dies, anders als geplant, in ganz unterschiedlichen Geschwindigkeiten machen. Das schnelle Vorrücken der Spezialeinheiten habe Bagdad anfangs sogar noch unterstützt.
Da allerdings die anderen Armee-Truppen, genannt werden die "Ninth Armoured Division" im Südosten, die "16th Division" im Norden und die "15th Division" im Süden langsamer vorstoßen, sei die Taktik nicht aufgegangen, dass sich die IS-Milizen auf Angriffe von mehreren Seiten einstellen müssen.
Angaben über zivile Tote erlaubt die irakische Regierung übrigens nicht.