"Multiresistente Keime sind in unserem Alltag leider schon ganz normal"

Bakteriophagen können antibiotikaresistente Keime "fressen". Für das Verfahren gibt es hierzulande bisher nur eine Notzulassung. Bild: Emily Brown / CC BY-SA 3.0

Der Wissenschafts-Thriller "Probe 12" greift ein Problem auf, das sich bald verschärfen könnte. Hoffnung machen neue Therapien mit "Bakterienfressern". Ein Gespräch mit den Autorinnen

2021 erschien bei Lübbe der Wissenschafts-Thriller "Probe 12", der ein wenig beachtetes, dafür umso dringlicheres Thema behandelt: Antibiotika-Resistenz und multiresistente Keime. Die gegenwärtige Pandemie hat das Bewusstsein der lesenden Bevölkerung geschärft, was die mikrobiologische Welt der Bakterien und Viren angeht.

Die Autorin Kathrin Lange hat mit der Wissenschaftsjournalistin Susanne Thiele dieses Thema in einem Roman aufgegriffen. Ob es medizinische und politische Lösungen gegen multiresistente Keime gibt, ist Thema dieses Telepolis-Gesprächs.

Multiresistente Keime spielen die Hauptrolle in Ihrem Roman "Probe 12". Was dürfen sich die Leser unter diesem Thema vorstellen?

Susanne Thiele: Multiresistente Keime sind in unserem Alltag leider schon ganz normal. Wenn wir ins Krankenhaus gehen, können wir mit solchen Keimen in Kontakt kommen. Wenn es schlecht läuft, bekommt man eine Infektion und ein Antibiotikum, das man dagegen verschrieben bekommt, wirkt nicht mehr.

Leider ist es so, dass diese multiresistenten Keime immer mehr zunehmen. Diese Resistenzen sind erst mal was ganz Normales bei den Bakterien, die mit ihrer normalen Fortpflanzung und ihrer Evolution immer so weiterentwickeln. Das ist eine ganz normale Anpassung an ihre Umwelt. Dies können wir aber forcieren, wenn wir zu viele Antibiotika und auch zu unspezifisch verordnen.

In der Tierzucht werden weltweit noch zu viele Antibiotika verwendet, die wir dann mit unserer Nahrung auch wieder in uns aufnehmen können. Die Bakterien passen sich dann daran an. Die Idee zu unserem Thriller kam ein bisschen aus meinem Alltagsgeschäft in der Pressestelle.

Ich bin von der Ausbildung Mikrobiologin und arbeite schon lange in Institutionen, die mit multiresistenten Keimen und Resistenzen zu tun haben. Daher drängte sich das Thema irgendwie auf. Es war jetzt mal an der Zeit, dass man das in eine spannende Geschichte packt. Da kam mir der Kontakt zu Kathrin Lange total gelegen.

Susanne Thiele wird im Titel mit Namen genannt. Da muss ihr Anteil am Roman auch größer als sonst im Fall wissenschaftlicher Beratungen gewesen sein?

Kathrin Lange: Es war nicht so, dass Susanne Thiele nur die Idee geliefert hat, sondern sie hatte das Know-How und hat auch den Plot mitentwickelt. Den Roman haben wir dann zusammen geschrieben.

Susanne Thiele: Deshalb gibt es auch zwei Figuren. Zwei Protagonisten.

Ist es nicht auch eine besondere Herausforderung, die Tiefe der Informationen für eine interessierte Leserschaft aufzubereiten?

Kathrin Lange: Das war meine Aufgabe. Susanne kam immer mit den Recherchen und dem ganzen Wissen an. Ich habe dann erst mal dagesessen und gedacht: Oh Gott, das ist aber viel! Wie bekommen wir das jetzt alles in die Geschichte? Ich war ein klein wenig der Advocatus Diaboli, ich war sozusagen immer ihr Sparringspartner. Ich konnte immer sagen: Das habe ich jetzt aber nicht verstanden. Das müssen wir irgendwie anders in die Geschichte packen. So sah mein Job aus.

Susanne Thiele: Das ist aber auch total gut gewesen. Diese Art der Diskussion, die wir dann intern führen. Das ist unser Qualitätskriterium. Ich bin nicht nur Wissenschaftlerin, sondern komme aus der Wissenschaftskommunikation.

Eine Pressestelle arbeitet ja schon mit einem solchen Transfer von Wissen zu einer allgemein verständlichen Basis, aber wenn man das in einen Thriller packt, dann ist es doch nochmal eine ganz andere Art des Erzählens: Wie muss man es etwa drehen, dass es spannend wird?

All die Fakten sollen letztlich den Lesefluss nicht stören. Wir haben die Figur Tom Morell, der für uns als Laie diese Fragen gut stellen kann. Das ist eine ganz clevere Art, die Fragen, die in den Situationen relevant sind, stellen zu können.

Nina Falkenberg fungiert als Mikrobiologin und Wissenschaftsjournalistin, aus ihrem Fach heraus, aber auch dann so, dass sich der Leser mit ihr identifizieren kann. Wir hoffen, dass dieses Gleichgewicht zwischen Wissen und Unterhaltung gelungen ist.

Ein Thriller verlangt immer nach einer spannenden Handlung. Wie wahrscheinlich wäre denn das geschilderte Szenario? Einen wesentlichen Teil macht ja das georgische Setting in Tiflis aus, wo in einem Institut mit der Phagentherapie gearbeitet wird.

Susanne Thiele: Ich war da recht gut informiert, weil ich zuvor für die Deutsche Sammlung für Mikroorganismen und Zellkulturen in der Pressestelle gearbeitet habe. Genau dieses Institut besitzt in Deutschland eine sehr große Phagensammlung und unterhält eine Zusammenarbeit mit dem Eliava-Institut in Georgien in Tiflis, welches es in der Realität gibt.

"Die Geschichte der Phagen allgemein ist sehr interessant"

Die Phagenforschung, auf die wir im Buch Bezug nehmen, ist nicht ausgedacht. Sie gibt es wirklich. Sie ist aber noch nicht so breit bekannt, daher ist es uns auch ein Anliegen gewesen, dieses Wissen weiterzutransportieren. Ich fand das Thema "Phagen im Einsatz gegen multiresistente Keime" urspannend, faszinierend und auch ein bisschen abenteuerlich. Die Geschichte der Phagen allgemein ist sehr interessant.

Phagen aus dem Griechischen übersetzt heißt doch "Fresser"?

Susanne Thiele: Genau. Bakteriophagen sind Bakterienfresser. Wenn man das herunterbrechen möchte: Die Phagen sind Viren, viel kleiner als die Bakterien. Sie sind die natürlichen Feinde der Bakterien und können diese vernichten. Die Phagen muss man sich etwas vorstellen wie einen Orbiter.

Sie besitzen einen oktaedrischen Kopf mit Tentakelbeinen, damit docken sie an einem Bakterium an und schießen ihre DNS rein. Das Bakterium wird sozusagen umprogrammiert, viele dieser Phagen zu produzieren, bis die Bakterienhülle irgendwann aufplatzt und kaputt geht. Wenn man sich das auf einer Platte mit einem Bakterienrasen anschaut, dann würde das so aussehen, als ob da überall Löcher entstehen. An diesen Stellen sind die Bakterien quasi aufgelöst.

Wie werden die Phagen in der Therapie dann weiterverarbeitet? Wird das wie ein Pflaster aufgelegt?

Susanne Thiele: Es gibt da verschiedene Anwendungen. Wenn man damit bei Brandwunden arbeitet, würde man es auf die Haut aufbringen. Bei Infektionen ist das etwas komplizierter, da muss es über Infusionen in den Körper gelangen. Es gab aber auch Fälle, die real so abgelaufen sind. In unserem Buch ist eine große Literaturliste mit Hinweisen enthalten, wo solche Therapien tatsächlich geglückt sind. Entsprechende Stellen sind an diesen Fällen entlang recherchiert und erzählt.

Rechtlich ist das in Deutschland bislang nur in absoluten Notfällen zulässig?

Susanne Thiele: Genau. Wenn alle anderen Therapien bereits ausgeschöpft sind, ist das unter einer sogenannten Notzulassung für eine Ultima-Ratio-Behandlung möglich. Dann kann man Patienten damit behandeln. Aber eigentlich sind die Phagen als Medikament in Deutschland nicht zugelassen. Das liegt einfach daran, dass sie ein lebendes Medikament sind. Man kann sie nicht patentieren.

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