Mutierter Coronavirus: Entsteht im Norden Dänemarks ein neues Wuhan?
In Dänemark wird der gesamte Bestand an Nerzen in den Farmen getötet, weil Sars-CoV-2 von einigen Tieren auf Menschen übergesprungen sei - eine neue Pandemie drohe
"Cluster 5" - so nennt sich eine Mutation des Virus SARS-CoV-2, das Dänemark in einer Art Ausnahmezustand versetzt. Es handelt sich um eine Mutation, die nachweislich vom Tier, in diesem Falle vom Amerikanischen Nerz, zum Menschen übertragen wurde, nachdem zuvor das Coronavirus vom Menschen auf das Tier übergesprungen war. Dies soll zum ersten Mal nachgewiesen worden sein.
Die Übertragung fand in der Region Nordjütland statt, wo nach Stand vom Donnerstag bereits 12 Menschen durch Nerze der dortigen Farmen angesteckt wurden. Rund 17 Millionen Nerze werden bald in Dänemark ihr Leben lassen.
Laut dem "Staatlichen dänischen Institut für Serenkunde" (SSI) wirken die derzeit entwickelten Impfstoffe bei dieser Mutation nicht.
Das untersuchte Virus der infizierten Nordjütländer habe auf die Antikörper gegen SARS-CoV-2 nicht entsprechend reagiert. Dies könne "schwere negative Konsequenzen für die ganze Welt haben", so die Regierungschefin Mette Frederiksen, die so den radikalen Schritt begründet. Dänische Medien sprechen bereits vom neuen "Wuhan", vom Nerz als "globale Ansteckungsbombe".
Schnelle Massentötung von 17 Millionen Nerzen
Das Königreich ist global der größte Hersteller von Fellen des Amerikanischen Nerzes, auch Mink genannt. In den 207 dänischen Farmen soll sich das Virus ausgebreitet haben, eine Million Marder sollen schon infiziert sein. Bislang haben die Behörden nur einen Teil der Tiere getötet.
Nun soll mit einer großangelegen Aktion von Militär, Polizei und anderen Notfalldiensten das Töten der gesamten Nerze umgesetzt werden. Um das Töten zu beschleunigen, erhalten die Züchter einen Bonus, wenn sie innerhalb von zehn Tagen ihren Bestand liquidieren. Dieser Prozess und die Entschädigungszahlungen kosten den Staat vermutlich umgerechnet 670 Millionen Euro.
Auch für die Bewohner der Region Nordjütland gibt es weitgehende Konsequenzen. "Schließen Sie die Gemeindegrenze und sorgen Sie dafür, dass auch die lokalen Restaurants schließen", lautet die Direktive des dänischen Gesundheitsamts an die dortigen Bürgermeister vom Donnerstag. Wie genau die Isolierung aussehen soll, ist noch ungewiss, die Bewohner dürfen erst einmal für vier Wochen nicht aus ihren ihren Ortschaften ausreisen.
Warum die Rückübertragung vom Tier so gefährlich ist, erklärt Jan Pravsgaard Christensen, Professor für Infektionsimmunologie von der Universität Kopenhagen, gegenüber dem öffentlich-rechtlichen TV-Sender DR: "Auf der Oberseite des Coronavirus befinden sich einige Spikes. Wenn Sie sich vorstellen, dass ein Spike einem Schlüssel gleichkommt, so ist es auch der Schlüssel, mit dem wir Menschen impfen." Mit dem Impfstoff würden die Virologen das Schloss entwickeln, das zum Schlüssel passt. Wenn ein ganz anderes Virus entstanden sei, was bei der Mutation im Tier passiert sei, könnten Schlüssel und Schloss nicht zusammenpassen.
"Das schlimmste Szenario wäre, dass wir eine neue Pandemie bekommen, die in Dänemark ihren Anfang genommen hat", sagte Kare Mölbak Direktor des Staatlichen dänischen Institut für Serenkunde. Nach Angaben des Gesundheitsministers Magnus Heunicke sei die Virusvariante bislang nur bei Bewohnern von Nordjütland aufgetreten, man untersuche nun die Infektionsketten, ob es sich nicht auch in andere Teile Dänemarks ausgebreitet habe.
Der in Harvard arbeitende dänische Genetiker Kasper Lager kritisiert das Institut, dass es keine Beweise und Daten für die Übertragung von Mink auf Mensch liefere.
Auch in Polen, dem drittgrößte Hersteller von Nerzfellen weltweit, soll die Zucht des Mink beendet werden, so eine Gesetzesinitiative. Dies jedoch offiziell aus Tierschutzgründen, da die katastrophalen Haltungsbedingungen für Aufsehen gesorgt haben. Die Felle werden vornehmlich in das Land exportiert, aus dem das Virus stammt - nach China.