Nach misslungenen Hinrichtungen: US-Behörden planen Vergasung mit "Zyklon B"
Bericht in Jerusalem Post löst Entsetzen aus. Für Hinrichtungen mit Cyanwasserstoff wurden schon erste Materialien gekauft
76 Jahre nach dem Ende der Nazi-Diktatur und der Befreiung der Konzentrationslager sollen wieder Menschen mit Cyanwasserstoff getötet werden. Nach einem Bericht der israelischen Tageszeitung Jerusalem Post planen die Behörden im US-Bundesstaat Arizona, Häftlinge in den sogenannten Todeszellen mit dem Gas hinzurichten, das von dem hessischen Unternehmen Degesch m.b.H. für die Massenmorde in den Konzentrationslagern hergestellt wurde.
Nach Angaben des Blattes haben die Justizbehörden 2.000 US-Dollar für den Erwerb von chemischen Stoffen freigegeben, die erforderlich sind, um das tödliche Gas herzustellen. "Zugleich wurden Inspektionen durchgeführt, um sicherzustellen, dass die seit 22 Jahren ungenutzte Gaskammer betriebsbereit ist", heißt es in dem Bericht weiter.
Arizona wird von den Republikanern regiert. Seit im Jahr 2014 eine Hinrichtung mit einer Giftinjektion schiefgelaufen ist, wurden in dem südlichen US-Bundesstaat keine Hinrichtungen mehr durchgeführt. Die Initiative zur Herstellung von Cyanwasserstoff soll der Wiederaufnahme der Hinrichtungen durch Vergasung dienen.
Einer der ersten Häftlinge in der Todeszelle, der auf seine Hinrichtung wartet, ist der 65-jährige Frank Atwood. Der Mann war 1984 wegen der Ermordung eines Kindes verurteilt worden. Atwoods Verteidiger haben gegen die geplante Exekution Beschwerde eingelegt. Sie seien damit befasst, eine mögliche Unschuld ihres Mandanten zu belegen. Bei einer baldigen Hinrichtung des Mannes laufe der Staat Gefahr, einem Unschuldigen das Leben zu nehmen.
Die Anwälte des zu Tode Verurteilten kritisieren zudem, dass das von den Behörden erworbene Kaliumcyanid nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Laut den einschlägigen Bestimmungen dürfe nur Natriumcyanid verwendet werden. Ein wichtiges Detail, wie Rechtsanwalt Joseph Perkovich anmerkt:
Frank Atwood ist bereit zu sterben. Er ist ein Mann des griechisch-orthodoxen Glaubens und bereitet sich auf diesen Moment vor. Aber er will nicht gefoltert und einer misslungenen Hinrichtung unterzogen werden.
Rechtsanwalt Joseph Perkovich
Selbst zum Einschläfern von Hunden und Katzen zu grausam
Immer wieder hatten Anwälte von Todeskandidaten argumentiert, dass bei der Exekution mit der Giftspritze keine unnötigen Qualen auftreten dürfen. Dies fordere der achte Zusatz zur US-Verfassung, mit dem "grausame und ungewöhnliche Strafen" verboten werden.
Schon im Jahr 2006 hatten US-Strafverteidiger auf eine Reihe damaliger Studien zur Vollstreckung der Todesstrafe mit der Giftspritze verwiesen. Mitte April vergangenen Jahres bereits hatte das britische Medizinjournal The Lancet die Ergebnisse postmortaler Untersuchungen von Hingerichteten veröffentlicht. Bei der Blutanalyse von 43 der 49 getöteten Gefangenen war dabei eine unzureichende Dosierung des Barbiturats Natriumthiopental festgestellt worden.
Die Autoren schlossen daraus, dass die Todeskandidaten nicht vollständig betäubt waren, als die folgenden zwei Injektionen zugeleitet wurden: Pancuroniumbromid und Kaliumchlorid. Ohne eine hinreichende Anästhesierung aber "würde die verurteilte Person Erstickungsgefühle, ein heftiges Brennen, Muskelkrämpfe und schließlich den Herzstillstand bewusst erleiden".
Durch die in der Studie erhobenen Daten, so heißt es im Resümee, dränge sich die Vermutung auf, "dass die Anästhesiemethoden bei Anwendung der Giftspritze in den USA fehlerhaft sind".
Die Erkenntnisse des Autorenteams hatten damals auch Eingang in eine Studie der US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch gefunden - und damit in die politische Debatte. "Auch wenn die Fürsprecher der Giftspritze behaupten, die Gefangenen würden schmerzfrei sterben, gibt es zunehmend Belege, dass Gefangene während ihrer Exekutionen quälende Schmerzen erlitten haben", heißt es in der 65-seitigen Studie.
Immerhin sei die Methode vor drei Jahrzehnten "mit minimaler Fachkenntnis und unter unzureichender Beratung" eingeführt worden. In der Folge würden Gefangene in den USA auf eine Art und Weise hingerichtet, die von der US-amerikanischen Vereinigung von Veterinären selbst zum Einschläfern von Hunden und Katzen als zu grausam abgelehnt werde.