Nato-Generalsekretär Stoltenberg: Mehr Munition für den Zermürbungskrieg

Will Amtszeit nicht verlängern: Jens Stoltenberg. Archivbild (2017): Arno Mikkor (Flickr, EU2017EE) /CC BY 2.0

Auftakt des Treffens der Ukraine-Kontaktgruppe in Brüssel: "Verteidigungsindustrie unter Druck." Dringender Bedarf an verstärkter Unterstützung, Munitions-Produktion hochfahren, Logistik verbessern. Ischinger moniert Uneinigkeit über Krim.

Mehr Tempo beim Nachschub, besonders bei der Lieferung von Munition für die Ukraine, forderte heute Morgen Noch-Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg bei seiner Auftakt-Rede zum zweitägigen Nato-Treffen der Verteidigungsminister.

Sein Axiom lautet: "Wir sehen keine Anzeichen dafür, dass Präsident Putin sich auf den Frieden vorbereitet. Was wir sehen, ist das Gegenteil, er bereitet sich auf mehr Krieg vor, auf neue Offensiven und neue Angriffe."

Daher sei es umso wichtiger, dass die Nato-Verbündeten und -Partner der Ukraine mehr Unterstützung gewähren. Stoltenberg sprach von einem "dringenden Bedarf an verstärkter Unterstützung".

Bei dem Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe unter Führung der USA soll es darum gehen, "wie die Produktion hochgefahren und unsere Verteidigungsindustrie gestärkt werden kann". Die Ukraine müsse mit der notwendigen Munition versorgt werden und auch die eigenen Bestände aufgefüllt werden.

In Europa werde ein ausgeprägter ("full-fledged") Krieg geführt, in einer Welt, "die immer mehr von Wettbewerb bestimmt und gefährlicher wird". Es gehe beim Treffen darum, "neue langfristige Leitlinien für unsere Verteidigungsplanung" zu vereinbaren, um "unsere Abschreckung und Verteidigung weiter zu stärken".

Hoher Munitionsverbrauch

Probleme bei der Munitionsbeschaffung und ein gewisser Zeitdruck hatten sich jüngst schon deutlich gezeigt (siehe: CIA-Chef Burns: Ausgang Ukraine-Krieg entscheidet sich in nächsten sechs Monaten).

Stoltenberg präzisierte nun in Gesprächen mit Medienvertretern vor dem Treffen im Ramstein-Format, der Verbrauch an Munition durch die ukrainische Verteidigung sei "um ein Vielfaches höher als unsere derzeitige Produktionsrate".

Die Verteidigungsindustrie werde dadurch unter Druck gesetzt, so der Nato-Generalssekretär. Wie die Unterstützerländer auf diesen Druck genau zu reagieren beabsichtigen, darüber wurden noch keine Vorstellungen laut.

Konkretere Pläne sind aber für die Öffentlichkeit von großem Interesse. Umso mehr als im emotional aufgebrachten Hintergrundrauschen der sozialen Medien immer wieder Spekulationen über eine beängstigende Kriegsindustrie im Aufbau aufscheinen.

In etablierten Medien wird das Problem ebenfalls angesprochen, aber im Härtegrad gedämpft, die Kanten mit altem Turnvater-Vokabular weggebürstet. Die Rüstungsindustrie müsse "ertüchtigt" werden, kommentierte etwa das RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) Ende Januar, weil die Bedrohung durch Russland bleiben werde. Aber die Vokabel "Kriegswirtschaft", soweit es um ihren "Nennwert" (?) gehe, sei deplatziert.

Die Vokabel geistert schon seit geraumer Zeit durch die Debatten, erlangt aber erst jetzt richtige Breitenwirkung: Kriegswirtschaft. Dabei trifft die Vokabel nicht. Denn Kriegswirtschaft bedeutet, die gesamte Volkswirtschaft den Bedürfnissen unterzuordnen, die sich aus einem Krieg – in diesem Fall dem russischen Angriff auf die Ukraine – ergeben. Das ist nicht erforderlich.

RND

Logistische Probleme

Einzelheiten gab es von Stoltenberg gegenüber Pressevertretern zum Munitionsproblem:

Die Wartezeiten für die Beschaffung neuer großkalibriger Munition sind von 12 auf 28 Monate gestiegen, selbst wenn die Verträge sofort unterzeichnet werden, sagte er, während die NATO-Länder versuchen, die Produktion hochzufahren.

Jens Stoltenberg, New York Times

Geht es nach einer Auflistung von Panzerlieferungen an die Ukraine, wie sie von der Zeitschrift European Defence and Security (Mittler Report Verlag in Bonn, keine russische Desinfo) präsentiert wird, so deutet sich laut Beobachter auch dort ein "logistischer Alptraum" an.

Der Krieg in der Ukraine sei zu einem "abschleifenden Zermürbungskrieg" ("grinding war of attrition") geworden, antwortete Stoltenberg nach seiner morgendlichen Ansprache auf eine Pressefrage:

Und deshalb ist es auch eine logistische Schlacht. Die Alliierten müssen enorme Anstrengungen unternehmen, um die benötigte Munition zu beschaffen und die Ersatzteile zu beschaffen, die benötigt werden.

Jens Stoltenberg