Nato-Gipfel und Ukraine-Krieg: So lange wie nötig, so viel wie möglich?

Streumunition, 2010. Bild: Department of Foreign Affairs and Trade (U.S.), CC BY 2.0

Der Westen scheint wild entschlossen, Russland in der Ukraine zu besiegen. Moralisch wird das alles immer fragwürdiger. Das zeigt auch eine der jüngsten Entscheidungen von Nato-Staaten.

Das Versprechen "as long as it takes" ist bei Notenbankern und Politikern beliebt, weil es gleichzeitig immer vage genug bleibt, um den Inhalt den Umständen entsprechend dosieren und anpassen zu können. Außenminister Blinken hat gerade noch einmal bekräftigt, dass die USA und ihre Verbündeten die Ukraine so lange unterstützen werden, wie es nötig ist, oder zumindest so lange, wie die Kämpfe andauern.

Ob damit eine feste Zusage verbunden ist, die Grenzen von 1991, also auch die Krim, zu garantieren, bleibt vorerst offen. Denn neben den US-Generälen, die sich bisher dazu geäußert haben, dürfte auch den US-Außenpolitikern klar sein, dass die ukrainische Armee das auch mit weiter eskalierender Waffenhilfe nicht so einfach schaffen kann.

Streumunition: Ukraine verspricht verantwortungsvollen Umgang

Besorgniserregend sind die jüngsten Rüstungszusagen. Am 7. Juli berichteten die Medien weltweit über die Entscheidung von US-Präsident Biden, der Ukraine große Mengen der international geächteten Streumunition zu liefern.

Bomben, Granaten und Gefechtsköpfe dieser Art enthalten Hunderte kleiner Sprengkörper, sogenannte Submunitionen, von denen viele nicht explodieren und als Blindgänger lange gefährlich bleiben.

Den völkerrechtlichen Vertrag zum Verbot von Streumunition von 2010 haben mehr als 110 Staaten unterzeichnet, darunter die meisten europäischen NATO-Staaten. Nicht dabei sind die USA, Russland, China, Israel, Indien, Pakistan und Brasilien. Spanien und sogar Großbritannien raten von amerikanischen Lieferungen ab.

Die eindringlichste Warnung kommt vom kambodschanischen Premierminister Hun Sen. Sein Land hat fast 50 Jahre nach dem Ende des Vietnamkrieges noch längst nicht alle Reste der von den USA abgeworfenen Streubomben geräumt.

Die britische Daily Mail berichtet, dass die USA in jeder größeren Auseinandersetzung seit dem Koreakrieg Streumunition eingesetzt hätten, zuletzt im Irak, dann aber keine neue mehr produziert haben.

Human Rights Watch schätzt das US-Arsenal an entsprechenden Granaten, Bomben und Raketen auf 4,7 Millionen Stück, darunter 500 Millionen kleinere Sprengkörper.

Die Washington Post berichtete dazu am 6. Juli, dass bei dieser Waffenhilfe der Anteil der Blindgänger angesichts der Dringlichkeit der Gegenoffensive vernachlässigbar sei. Bereits im März hatten republikanische Kongressabgeordnete an Biden geschrieben, er solle die Streubomben schicken, um die Waffenlieferungen an die Ukraine zu "schützen" (sic!).

Aus dem Pentagon hieß es, die zu liefernde Munition könne von den bereits gelieferten Haubitzen verschossen werden, und die "Foundation for Defence of Democracies" in Washington, Thinktank und Lobby zugleich, erklärte, die geplante Lieferung habe viele praktische Vorteile, von der schnellen Verfügbarkeit aus alten Beständen bis zu höherer Wirkung und besserer Trefferquote mit weniger Schüssen.

Und Sicherheitsberater Jake Sullivan erklärt, die Ukraine habe schriftlich zugesichert, die Munition vorsichtig einzusetzen, um Zivilisten nicht zu gefährden. Die deutsche Bundesregierung zeigt Verständnis: "Unsere amerikanischen Freunde haben sich die Entscheidung nicht leicht gemacht", ist sich Regierungssprecher Hebestreit sicher.

Moralische Bedenken werden zurückgestellt. Jake Sullivan räumt zwar ein, dass die Streumunition eine Gefahr für Zivilisten darstelle, aber ihr Einsatz sei gerechtfertigt, weil eine russische Besetzung noch viel schlimmer wäre.

Streumunition sei ohnehin nur als Brückentechnologie gedacht, bis die Industrie wieder mehr normale Geschosse liefern könne. Mögliche Kollateralschäden, wie die Gefahr von Blindgängern euphemistisch genannt wird, haben im Übrigen noch keinen Krieg und keine Kriegspartei gebremst.

Zufall oder nicht, fast zeitgleich zur Streumunition meldet Associated Press, dass die USA die Reste ihrer deklarierten Chemiewaffen vernichtet haben. Die Abrüstung geht also doch weiter.

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