Nato-Norderweiterung: Finnlands Regierung will Neutralität beenden
Die Entscheidung dürfte auch den Druck auf Schweden erhöhen. Russlands Außenministerium droht mit "Vergeltungsmaßnahmen"
Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine sollte nach Lesart des Kreml die Nato-Osterweiterung stoppen, hat aber die Nato-Norderweiterung laut Umfragen populär gemacht. Mehr als 60 Prozent der finnischen Bevölkerung sollen sich im April dafür ausgesprochen haben, dass ihr Land die Neutralität zugunsten der Mitgliedschaft in dem Militärbündnis aufgibt.
An diesem Donnerstag sprachen sich auch Präsident Sauli Niinistö und Ministerpräsidentin Sanna Marin klar dafür aus. Im Frühjahr habe es darüber eine "wichtige Diskussion" gegeben, für die sowohl im Parlament als auch in der Gesellschaft Zeit benötigt worden sei, betonten sie.
"Als Mitglied der Nato würde Finnland das gesamte Verteidigungsbündnis stärken", schrieben Niinistö und Marin in einer gemeinsamen Erklärung. "Finnland muss unverzüglich die Nato-Mitgliedschaft beantragen." Mit einer Entschließung zum formellen Beitrittsantrag wird schon sehr bald – voraussichtlich am Sonntag – gerechnet.
Die Entscheidung dürfte den Druck auf bisher ebenfalls neutrale Schweden erhöhen: Dessen Außenministerin Ann Linde erklärte sogleich in einem Tweet, Finnland sei "engster Sicherheits- und Verteidigungspartner" ihres Landes, insofern müsse Schweden die finnischen "Bewertungen berücksichtigen".
Russisches Außenministerium spricht von "Bedrohung"
Das Außenministerium der Russischen Föderation sprach von einer "radikalen Änderung" der finnischen Außenpolitik, auf die man "reagieren" werde. "Die Politik der militärischen Blockfreiheit diente jahrzehntelang als Grundlage für Stabilität in der nordeuropäischen Region, bot dem finnischen Staat ein verlässliches Maß an Sicherheit und war eine solide Grundlage für gegenseitig vorteilhafte Zusammenarbeit und Partnerschaft zwischen unseren Ländern", heißt es in einer Erklärung des russischen Außenministeriums.
Das Ziel der Nato, deren Mitgliedsländer die finnische Seite von der Alternativlosigkeit ihres Beitritts überzeugt hätten, sei klar: "die Expansion bis an die Grenzen Russlands fortzusetzen, um eine weitere Flanke für eine militärische Bedrohung unseres Landes zu schaffen".
Der Beitritt Finnlands zur Nato werde "den bilateralen russisch-finnischen Beziehungen ernsthaften Schaden zufügen" – Russland werde gar "gezwungen sein, sowohl militärisch-technische als auch andere Vergeltungsmaßnahmen zu ergreifen, um die aufkommenden Bedrohungen seiner nationalen Sicherheit einzudämmen".
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg stellte unterdessen in Aussicht, dass Finnland mit offenen Armen in der Militärallianz empfangen werde. "Der Beitrittsprozess würde reibungslos und zügig ablaufen", sagte Stoltenberg laut einem Bericht der Deutschen Presse-Agentur an diesem Donnerstag. Allerdings müssen diesem Beitritt formell alle Mitgliedsländer zustimmen.