Natürliche Lebensgrundlagen als BIP-Faktor

Leistungsfähiges Ökosystem: Der Amazonas-Regenwald. Bild: Wikimedia Commons / CC BY-SA 3.0

Vereinte Nationen empfehlen Mitgliedsstaaten, auch "Ökosystemdienstleistungen" zum Bruttoinlandsprodukt zu zählen. EU-Kommission will Verordnung anpassen

Natürliche Lebensgrundlagen sowie deren Schmälerung sollen in Zukunft bei der Berechnung des Bruttoinlandsprodukts mit einbezogen werden - das empfehlen die Vereinten Nationen (UN) ihren Mitgliedsstaaten. Die Statistikkommission habe eine neue Rahmenrichtlinie verabschiedet: Das "System der umweltökonomischen Rechnungslegung - Ökosystembuchhaltung" solle sicherstellen, dass "natürliches Kapital" wie etwa Wälder, Feuchtgebiete und andere Ökosysteme als Vermögenswerte berücksichtigt würden, teilten die UN in der Nacht zum Donnerstag mit.

Damit werde anerkannt, "dass Ökosysteme wichtige Dienstleistungen erbringen". Beispielsweise spielten Wälder eine Rolle bei der Versorgung von Gemeinden mit sauberem Wasser und sauberer Luft. UN-Generalsekretär António Guterres sprach von einem "historischen Schritt hin zu einer Transformation unserer Sicht und Bewertung der Natur".

Der "Earth Overshoot Day", an dem bereits alle natürlichen Ressourcen aufgebraucht sind, die der Planet innerhalb eines Jahres regenerieren kann, hatte im Jahr 2020 nur wegen des Corona-Lockdowns rund drei Wochen später stattgefunden als in den Vorjahren - nämlich "erst" am 22. August. Erstmals war dieser "Erdüberlastungstag" im Jahr 1987 dokumentiert worden, da lag er allerdings noch im Oktober. Seither hat er sich nach Berechnungen der Organisation Global Footprint Network immer weither vorverlegt.

Obwohl bekannt ist, dass Umweltfaktoren sich auch auf die Wirtschaft und deren Leistungsfähigkeit auswirken, wurden unter dem Bruttoinlandsprodukt (BIP) bisher in den meisten Ländern nur von Menschenhand geschaffene Waren, Güter und Dienstleistungen verstanden, menschengemachte Umweltschäden aber nicht bei seiner Berechnung berücksichtigt.

Nach UN-Angaben sind es zur Zeit weltweit 34 Länder, die mit einem neuen, nachhaltigeren Berechnungsmodell experimentieren. Deutschland gehört nicht dazu. Noch wird hier nach der Devise "Was nichts kostet, ist nichts wert" von einem Erdüberlastungstag auf den anderen gewirtschaftet.

Dabei hatten das deutsche Bundesumweltministerium und die EU-Kommission bereits 2007 eine Studie zur "Ökonomie von Ökosystemen und der Biodiversität" veranlasst, die ergab, dass rund 100.000 Schutzgebiete weltweit "Ökosystemdienstleistungen" im Wert von 4,4 bis 5,2 Billionen US-Dollar pro Jahr erbrächten.

Im Februar dieses Jahres hatte das UN-Umweltprogramm Unep einen Umweltbericht mit Handlungsempfehlungen veröffentlicht, um die natürlichen Lebensgrundlagen und mit ihnen die volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Mitgliedsstaaten zu erhalten. Überschrift: "Frieden mit der Natur schließen: Eine wissenschaftliche Blaupause zur Bekämpfung von Klima-, Biodiversitäts- und Umweltnotständen".

Als Reaktion auf die neue UN-Empfehlung hat am Donnerstag auch die EU-Kommission erklärt, sie wolle "vorschlagen, die Verordnung über die Europäischen Umweltökonomischen Gesamtrechnungen zu ändern" und deren Erfassungsbereich "um ein neues Modul zur Bilanzierung von Naturkapital zu erweitern, das vollständig mit dem UN-Rahmenwerk übereinstimmt".

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