Netzausbau-Blockade treibt Strompreise nach oben

Bild Friedrich Merz: photocosmos1 / Shutterstock.com / Grafik: TP
Friedrich Merz verspricht niedrigere Strompreise durch Senkung der Netzentgelte. Doch der CDU-Kanzlerkandidat übersieht dabei einen entscheidenden Punkt.
Es klingt so, als hätte der Kanzlerkandidat der CDU die Sorgen der Stromkunden verstanden, wenn er in seinem Sofortprogramm gleich an erster Stelle verspricht: "Wir senken die Stromsteuer und die Netzentgelte – für eine Entlastung von mindestens fünf Cent pro kWh. Der Strom muss für alle günstiger werden."
Ganz offensichtlich hat Friedrich Merz die Folgen einer Netzausbaublockade, die durch abgesenkte Netzentgelte ausgelöst würde, jedoch nicht einmal ansatzweise verstanden: Je länger der Netzausbau dauert, desto höher steigen die Strompreise.
Denn der noch unvollständige Netzausbau sorgt schon heute dafür, dass in unterversorgten Teilnetzen fossile Kraftwerke einspringen müssen, die deutlich teurer sind als die Erneuerbaren und zusätzlich noch mit steigenden CO2-Preisen beaufschlagt werden.
Und aufgrund des Merit-Order-Effekts steigen dann die Preise für den Strom aus allen Quellen. Wenn man den Merit-Order-Effekt vermeiden will, muss man in Kauf nehmen, dass jeder Stromerzeuger auf den erreichbaren Höchstpreis setzt und sein Angebot so lange zurückhält. In einer Marktwirtschaft ist das sein gutes Recht.
Auch hier besteht dann die Gefahr, dass fossil befeuerte Kraftwerke einspringen müssen oder je nach regionalem Umfeld, Strom im Ausland zugekauft werden muss, was dort den Strompreis in die Höhe treibt und die dortigen Stromkunden verärgert. Die gleiche Wirkung hatte der Ausfall französischer Kernkraftwerke auf den Strom- und Gaspreis in Deutschland, der damals nur den Weg noch oben kannte.
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Eine Alternative wäre, wenn keine Reservekraftwerke zur Verfügung stehen, auch ein sektoraler oder regionaler Lastabwurf; was sich für die Kunden als Brown-out zeigen würde.
Nur ein ausgebautes Netz sichert eine kostengünstige Stromversorgung
Tim Meyerjürgens, der aktuelle Chef von Tennet Germany, dem deutschen Zweig des niederländischen Übertragungsnetzbetreibers, hat kürzlich seine Einschätzung zu dem Versprechen des CDU-Kanzlerkandidaten in einem Interview mit RND formuliert:
Die erneuerbaren Energien sind zunächst einmal günstig in der Erzeugung. Das wird die Entwicklung der Strompreise dämpfen. Allerdings müssen wir gleichzeitig das gesamte Energiesystem umbauen. Die volatilen Energieträger – Wind und Sonne – brauchen starke Netze.
Deshalb nehmen die Gebühren für die Nutzung der Netze – die Netzentgelte – zunehmend einen höheren Anteil am Strompreis ein. Und leider ging es beim Ausbau der Netze in Deutschland in den vergangenen Jahren nicht schnell genug.
Und zur Entwicklung der Netzentgelte stellte er im gleichen Interview fest:
Die Entgelte sind geprägt durch Eingriffe, um Netze vor Überlastung zu schützen und Übertragungsengpässe zu verhindern. Das macht heute ungefähr die Hälfte der Entgelte aus. Deshalb ist der Ausbau der Infrastruktur, trotz der dafür notwendigen Investitionen, die günstigste Maßnahme, um die Kosten des Energiesystems zu drücken. Kurz gesagt: Netzausbau ist wirtschaftlicher als kein Netzausbau.
Die Zukunft des größten deutschen Übertragungsnetzbetreibers ist ungewiss
Auf die unternehmerischen Entscheidungen von Tennet Deutschland hat eine deutsche Bundesregierung nur sehr begrenzten Einfluss über die Bundesnetzagentur. Der geplante Kauf von Tennet Deutschland war kürzlich an fehlenden Mitteln gescheitert, was auf ein von Friedrich Merz ausgelöstes Gerichtsurteil zurückging.
Der niederländische Staat als Alleineigentümer hat inzwischen durch die organisatorische Aufteilung in zwei Landesgesellschaften dafür vorgesorgt, den deutschen Teil an private Investoren verkaufen zu können.
Tennet Deutschland ist hierzulande der größte der vier Übertragungsnetzbetreiber und besonders stark im überregionalen Stromtransport von Nord nach Süd engagiert. Das Unternehmen ist daher in besonderem Maße von den Hemmnissen betroffen, die von der bayrischen Regierung als Antwort auf die Wünsche der Trassenanlieger aufgebaut worden waren.
Die Verzögerungen beim Ausbau der Übertragungsleitungen führen inzwischen dazu, dass viele Genehmigungsverfahren neu aufgerollt werden müssen, was wiederum zu Verzögerungen und Kostensteigerungen führt.
Daraus entwickelte sich ein beachtliches Nord-Süd-Gefälle beim Stromangebot. Im Norden, wo der Wind besonders stark weht, und im Nordosten, wo viele Industriebrachen sich als bevorzugte Windkraftstandorte etablierten, herrscht inzwischen meist ein Stromüberschuss, der seinen Weg nach Süden nicht findet und so die Strompreise bundesweit nach oben treibt. Dies gilt zumindest so lange die EU eine Aufteilung der deutschen Stromnetze in zwei Strompreiszonen noch nicht verordnet.
Warum Deutschland und Europa ohne Erneuerbare keine sichere Zukunft haben
Nur Erneuerbare stehen als Energieträger in Deutschland und Europa langfristig zur Verfügung und sichern den Wirtschaftsstandort. Wie schnell sich die Lage beim Energieträgerimport ändern kann, konnte man in jüngster Zeit deutlich sehen.
Erst kam kein Gas mehr aus Russland, dann hat Katar damit gedroht, kein Gas mehr zu liefern, wenn man sie über die Lieferkettengesetze zwingen will, die Menschenrechte einzuhalten. Und jüngst folgte Trumps Aufforderung an die EU, mehr Frackinggas in den USA einzukaufen, als von dort überhaupt verschifft werden kann.
Was sowohl für die Industrie, für Investoren als auch für die privaten Haushalte jetzt dringend erforderlich scheint, ist eine Verlässlichkeit der Politik, damit sich die Richtung in der Energiepolitik nicht alle vier Jahre wieder ändert. Sonst müssten die Abschreibungsfristen in der Energiewirtschaft an diesen Rhythmus angepasst werden, was mit Sicherheit preistreibend wirken würde.
Das Strompreis-Versprechen von Friedrich Merz wird wohl sehr schnell an den Realitäten zerschellen.