Neue Formen der Wahrnehmung
Alexander Moszkowski - Ein vergessener Visionär und Virtualist - Teil 3
Der Satiriker und Wissenschaftsschriftsteller Alexander Moszkowski schrieb den Großteil seiner weitblickenden Techno-Exkurse in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts als bereits über siebzigjähriger Autor. Dem erfolgreichen Spiel mit der Wirklichkeit, das er bis dahin als viel gelesener Satiriker gespielt hatte, sollten nun ernstere Schriften gewidmet werden, die vor allem Technik und Naturwissenschaft auf ihre zukünftigen Potenzen im Verein mit neuen Lebens- und Gesellschaftskonditionen untersuchten. Dem ersten phänomenologischen Erstaunen über die neue Wunderwelt der Maschinen und Apparate folgte in jenen Tagen an vielen kulturellen Fronten eine hoffnungsfrohe Experimentierfreude.
Die Mechanik stand bei zahlreichen Künstlern, Expressionisten, Dadaisten, Konstruktivisten, Surrealisten und - besonders militant - bei Futuristen, noch nicht unter dem unhintergehbaren Generalverdacht, den Menschen in eine Form zu pressen, ihn der Maschine botmäßig zu machen. "Es gilt daher die unmittelbar bevorstehende Identifikation des Menschen mit der Maschine vorzubereiten, indem man einen ununterbrochenen Austausch von Intuition, Rhythmus, Instinkt und metallischer Disziplin erleichtert und vollendet, wovon die Mehrheit noch keinerlei Begriff hat und nur die erlauchten Köpfe etwas ahnen", beschrieb F.T. Marinetti seine Exkursionen im "Reich der Maschine". Mit der Bewunderung der Maschinen, die auf ihre Kompatibilität mit dem menschlichen Organismus untersucht werden - etwa in Oskar Schlemmers "Triadischem Ballett" (1922) - setzt zugleich eine ungeheure synästhetische Erregung im Angesicht einer neuen "Maschinenkunst" (Wladimir Tatlin) ein, die sich in vielen Parolen der Kunstwerke und theoretischen Schriften manifestiert. Eric Satie führt 1917 sein Stück "Parade" vor, in dem neben dem üblichen Orchesterapparat Pistolen, Schreibmaschinen und Dampfsirenen das Publikum im Théâtre Châtelet in Paris aufrühren. Alexander László stellt 1924 sein Sonchromatoskop vor und veröffentlicht 1925 "Die Farblichtmusik", deren Programm zufolge Bild und Ton eine innige, unauflösliche Einheit eingehen sollten. Raoul Hausmann kreiert das Optophon (1927), ein 1935 patentiertes Gerät, das Schall in Licht und umgekehrt transformieren soll.
Der musikalisch hochempfindsame Moszkowski verabscheut Lärm und entwickelt diverse Empfindlichkeiten gegen den einsetzenden Technorausch jener Zeit, die er bei Bergwanderungen besänftigt. Doch seine Selbstschutzfantasien enden keineswegs in der "Auto-Deprivation". Er fordert einen Mikro-Apparat für die Sinne, der Mikro-Riecher, Fern-Schmecker und Tele-Fühler zu einem erweiterten Wahrnehmungsapparat synchronisiert. Für die technischen Erfahrungsmöglichkeiten nach dem ersten Weltkrieg sind Moszkowskis Vorgriffe auf die Zukunft sehr differenziert, weil er die Mängellisten schreibt, auf denen alles angemahnt wird, was der telematischen und endoskopischen Aufrüstung der menschlichen Sinne noch fehlt. Der Synästhetiker will nicht mit diesem lächerlichen Wahrnehmungsapparat vorlieb nehmen, der ihm die Einsichten in immer neue Wunderwelten verschließt. Für den Natur- und Schöpfungskritiker sind die Sinne alles andere als vollkommen und er beklagt die Irrlehre, diese Botschaft Menschen wider jede technische Vernunft permanent eingeflüstert zu haben. Alleine eine "enhanced reality" kann das Ziel sein, weil es kein "Zurück zur Natur", sondern nur ein "Hin" zu ihr gibt, das längst seine kühnsten Entwürfe noch vor sich hat. Hier geht es nicht nur um Kritik menschlicher Utopien, auch die göttlichen Entwürfe sind alles andere als befriedigend und daher dringend verbesserungsbedürftig.
Die Zukunft des Erlebens wird dadurch erst möglich, "wenn der Mensch einen neuen Empfangsapparat aus mathematisch genießenden Nerven in sich eingebaut haben wird" (Der Venuspark, 1923). Moszkowskis besondere Liebe gilt dem Optophon, einer synästhetischen Himmelsmaschine, die nicht nur Sphärenklänge erklingen lässt: "...Kristalle und Sterne werden zu reden und zu singen beginnen, in welcher Sprache, mit welchem Tongefäll?" Blitz wird hörbar, Donner zur Lichterscheinung. Felix Mendelssohn Bartholdy oder Richard Strauß mit Alpensinfonie und musik-imaginären Naturerscheinungen wie Sonnenaufgängen, Stürmen oder Gewittern liefern nur den Umweg zur Natur. Das sind bloße Anregungen, die jene geträumte Technik lässig überbietet. "Wir müssen über diesen engen Kreis der reinen Töne hinausgehen und die unendliche Vielfalt der "Geräusch-Töne" hinnehmen, hatte der Futurist Luigi Russolo bereits 1913 verkündet. "Erst durch das Wunder des Optophons wird uns die Natur verkünden, wie sie selbst so etwas komponiert", meint Moszkowski. Weniger die Frage, wie diese Engelszungen oder Teufelsposaunen funktionieren, ist ihm wichtig. Wie Turing baut auch er Papiermaschinen, virtuell universale Maschinen, die im Fall des "Optophons" - soweit rekonstruierbar - noch über Raoul Hausmanns Entwurf eines solchen synästhetischen Apparats hinausgehen.
In den zwanziger Jahren tauchen mit Radio und Schallplatte diverse, hoffnungsvoll begrüßte Klangmaschinen wie etwa das Trautonium auf. Das Trautonium wurde als das allen anderen musikalischen Instrumenten überlegene Instrument mit objektivem Klang präsentiert. Was ist eigentlich der Reiz einer Musik jenseits menschlicher Prägung? Paul Hindemith formuliert das Programm 1927 für die neue mechanische Musik in seinen technisch-künstlerischen, aber auch sozialen und transhumanen Potenzen programmatisch so: "Möglichkeit der absoluten Festlegung des Willens des Komponisten, Unabhängigkeit von der augenblicklichen Disposition des Wiedergebenden, Erweiterung der technischen und klanglichen Möglichkeiten, Eindämmung des längst überreifen Konzertbetriebs und Personenkults, wohlfeile Verbreitungsmöglichkeit guter Musik." Die modernen Konzertsäle erschienen Luigi Russolo als die "Krankenhäuser für blutarme Töne", in denen sich unendliche Langeweile verbreitet.
Das eben erst begonnene Programm der Medialisierung sollte ungleich aufregendere Perspektiven aufzeigen: Aus Informationen werden Atome bzw. Dinge, aus Atomen werden Informationen. Die Natur spricht nicht nur Tiersprachen, auch ihre visuellen Kompositionen beginnen in allen Zungen authentisch zu reden. Hier wird der hegelianisch angefärbte Gedanke geträumt, dass die Technik erst die Natur zu sich selbst kommen lässt und der Mensch in seinen Virtualisierungen diese Sprache nie so wiedergeben wird, wie es möglich wäre. Absoluter Sound ist die Decodierung natürlicher Erscheinungen. Denn eigentlich ist es der Mensch, der die Natur mit seinen frühen unvollkommenen Medien verfehlt. Der Traum von High-Fidelity ist längst nicht ausgeträumt, er hat eben erst begonnen. Verlassen wird hier der alte unbefriedigende Widerspruch zwischen Natürlichkeit und Künstlichkeit zu Gunsten eines höheren Zustandes einer sich selbst interpretierenden, ja mehr, sich reflektierenden Welt. Dieses Programm heißt zwar auch "Zurück zur Natur", beschreitet aber einen völlig anderen Weg als den, den J.J. Rousseau der angeblich durch die Zivilisation korrumpierten Menschheit aufdrängen wollte. Denn die Natur, "die Großmeisterin der Unmoral", ist für Moszkowski nie so gut zum Menschen gewesen, dass die Rückkehr zu den Wilden und dem vorgeblich nicht durch die Zivilisation deformierten Lebens wünschbar oder natürlich wäre.
Die Verschmelzung von Kultur und Technik
Die Differenz zwischen Technik und dem jeweiligen Ideal ihrer Anwendung ist immer nur vorläufig, so hartnäckig und unüberwindbar die Differenzreihen zwischen den beiden Momenten auch erscheinen mögen. Dass etwa Kunst und Technik inkommensurabel, schlechthin Äpfel und Birnen sind, jedem Vergleich abhold, ist für Moszkowski ein schlechter Mythos. Einer seiner Mitschüler ist Kurd Lasswitz, der frühe Meister des Zukunftsromans. Lasswitz war wie Moszkowski ein bekennender Synästhetiker, der etwa in seinem "Odoratorium" das "Geruchsklavier" vorstellte (Bis zum Nullpunkt des Seins, 1871), in seiner "Fernschule" das "E-Learning" vorwegnimmt und in "Der Gehirnspiegel" die Gedankenbilder unmittelbar auf den Monitor zaubern lässt: "Überwunden durch die naturwissenschaftliche Technik ist jede Mühe der malerischen Technik - die Seele malt unmittelbar! Raffael braucht keine Hände mehr.
Frei vom schweren Stoffe wird der Künstler. Das Ideal ist in das Leben selbst gesetzt, vielmehr der Mensch ist zu den Göttern erhöht - seine Anschauung ist Schaffenskraft!" Von dieser Unmittelbarkeit der Technik wird auch Moszkowski fortwährend inspiriert, wenn er die "Nasenkunst" odorischer Symphonien propagiert, "die Dichtung, Musik und Bildnerei überflüssig" machen. Welchen vornehmsten Sinn sollte eine - das Werkzeugstadium hinter sich lassende - Technik wohl anders haben als den, die Bezüge zur Welt ohne Umwege zu gestalten? Jahrzehnte später wird er von Lasswitz‚ Universalbibliothek träumen, die dieser in "Traumkristalle" entfaltet hat. Eine universale Turing-Maschine, die in Symbolen alle Zustände möglicher Literatur schafft. Kein geringes Problem bleibt für Moszkowski fortwährend, wie weit die Technik in die Künste eindringt und der Schöpfungsprozess selbst, Quelle endloser Spekulationen über das vermeintlich unersetzbare Genie des Menschen, letztlich auch in Technik aufgeht. Gibt es ein göttliches, unerklärliches, nicht programmierbares Element des Künstlerischen, so weit die Technik auch reichen mag? Moszkowski verweist auf die Konstruktionsgeschichte des Gedichts "The Raven" (1845) von E.A. Poe, die ihm als Musterbeispiel eines poetischen Algorithmus erscheint:
It is my design to render it manifest that no point in its composition is referrible either to accident or intuition - that the work proceeded, step by step, to its completion with the precision and rigid consequence of a mathematical problem.
E.A.Poe
Struktur und Elemente des Werks sind pure Setzungen, in denen sich das Gedicht gleichsam wie von selbst verfertigt. Allerdings kapituliert der Ironiker, der launisch gegenüber den Ismen der Kunst und Literatur den "Kompressionismus" verkündet, letztlich davor die Technik für so entwicklungsfähig zu halten, den Wortsalat vom literarischen Weizen zu trennen. Er bleibt dabei, dass es doch wohl vorläufig besser sei, die "Methode der gedanklichen Bücherproduktion" zu verfolgen. Doch den Traum einer Technik, die den Weg zu höherer künstlerischer Authentizität weist, gibt er nicht auf.
Er beruft sich auf Henri Bergson, wenn er konstatiert, dass der Mechanismus unseres gesamten Denkens nicht erst mit der Erfindung der laufenden Bilder "kinematographisch" ist. Das Paradigma des Kinos als Wahrnehmungsweise liegt in dieser Zeit, die nicht nur beginnt, ihre technische Beschleunigung zu reflektieren, sondern auch die Simultaneität der Wahrnehmung beklagt oder - wie etwa die Futuristen - euphorisch begrüßt. Zu kurz kommt hier wie bei anderen Kinobesessenen dieser Tage die analytische Funktion, die jene kinematographische Wahrnehmung kritisch begleitet und ordnet. Die technisch orchestrierte Stadt wird zu einem neuen Wahrnehmungskosmos, der durch das Kino zu sich selbst in ein "reflektiertes" Verhältnis gesetzt wird. Nach dem Kino gibt es kein unschuldiges Sehen mehr, auch wenn der Film längst nicht immer Wahrheit 24 Mal in der Sekunde ist. Der Cinématographe der Gebrüder Auguste und Louis Lumière wird am 13.2.1895 patentiert, die erste öffentliche Präsentation folgt am 28.12.1895 im indischen Salon des Grand Café am Boulevard des Capucines in Paris. Zu Beginn eines Mediums denkt man kreativer über dessen Verheißungen nach als in Zeiten seiner Veralltäglichung.
Das gegenwärtige Fernsehen mit wuchernden Kanälen und Sendern ist eher der Verrat am Medium als seine Einlösung. Was heute als dreidimensionales Kino nicht so recht zünden will, bleibt hinter Moszkowskis Vision vom Zukunftskino genauso zurück wie "Cybersphere" - eher ein vages Versprechen als eine alltägliche Virtualität mit Immersionsgarantie. Die Entwicklung der "kinematographischen Tiefbühne", schreibt er von tiefer phänomenologischer Lust erfüllt in seinem Essay "Zukunftskino", wird zwar nicht taktil sein, eine "sonst aber der Wirklichkeit völlig gleichwertige Szenerie" präsentieren. Die Technik avanciert, um als sichtbare Technik zu verschwinden und das reine Erleben zu ermöglichen. In "Metropolis" von Fritz Lang (1926), in der nächsten Dekade "Modern Times" (1936) von Chaplin und zahlreichen, weniger prominenten Werken wird die Assimilation menschlicher Zeit an das Maschinentempo zum Zentrum der frühen Technikkritik an der Automatisierung der Produktionsabläufe, die längst nicht in einer Symphonie der Großstadt kulminieren. Das sieht Moszkowski auch, doch das Verhältnis von Mensch und Maschine erscheint ihm komplexer. Der Mensch kann auch von der Maschine lernen, wie es die Mechaniker von Saragalla nicht müde werden zu betonen. Dieser Diskurs findet dann seinen populären filmgeschichtlichen Höhepunkt in dem bewundernden, spätfuturistischen Kommentar des "Spielzeugmachers" J.F. Sebastian gegenüber dem Replikanten Roy Batty (Blade Runner), dass die Bewegungen dieser künstlichen Menschen so etwas "Perfektes" hätten.
Minima Moralia
Doch vermag die Ethik der Selbstläufigkeit der Technik Einhalt zu gebieten? Denn die Vermählung von Techno-Wahn und Faschismus ist vollzogen, als Marinetti kriegstrunken seinen Techno-Berserker "Mafarka" rufen lässt: "Ihr müsst an die absolute und entscheidende Kraft des Willens glauben, der mit einer grausamen Disziplin gepflegt und intensiviert werden muss, bis er aus unserem Nervenzentrum heraussprüht und sich mit unvorstellbarer Kraft und Geschwindigkeit über die Grenzen unserer Muskeln hinausschwingt." Das tausendjährige Reich erlebt Moszkowsi, der 1934 stirbt, nur noch in den Anfängen. Die Gefahr, dass Technik und Ideologie den Menschen mit unvorstellbarer Grausamkeit überrollen, war ihm längst bekannt. Das Prinzip der Prinzipien lautet für ihn, keinem Dogma zu vertrauen: "Kein Prinzip ist durchführbar." Alle Prinzipien laufen sich tot, kehren sich schließlich immer gegen sich selbst. Es hilft nur eine undogmatische Vorgehensweise, alles andere endet bei den Abderiten, den Faschisten oder eben auf den "Inseln der Weisheit".
Sich selbst organisierende Automaten rebellieren dort erfolgreich gegen Menschen, gegen diese "an Größenwahn erkrankte Affenspezies" (Hans Vaihinger). Besonders drastisch führt er das auf den "pazifistischen Inseln" im unfriedlichen Pazifik vor, die im Bruder-Krieg enden und in den technisch hochgerüsteten Saragallesen willige Helfer finden, weil dort allein die Funktion vor jeder Besinnung auf die Zwecke regiert. An anderer Stelle entwirft Moszkowski ein kriegerisches, aber blutarmes Cyberszenario zwischen "Wag the Dog" (1997) und virtuellen Schlachten: "Künstlicher Schlachtfelder. Wir verstehen hierunter ein internationales Manöverspiel, welches dazu dienen soll, der Kriegslust der Völker ohne Menschenopfer Genüge zu tun; man hat hierzu nur nötig, eine beliebige Fläche mit uniformierten und roturierten Menschen zu bedecken und das Übrige der Phantasie der Kriegsreporter zu überlassen. Da die auf dem Felde der Ehre Scheingemähten bei nächster Gelegenheit wieder in Reih und Glied eingestellt werden können, so ergeben sich sehr bedeutende Ersparnisse an Schießbedarf, Charpie, Verbandsmaterial und Invalidenfonds. Zur Erhöhung der Illusion können Scheintotenämter abgehalten, Scheinverlustlisten ausgegeben werden etc." Für den Virtualisten ist es vorzugswürdig, den menschlichen Glauben an den Schein auszunutzen, als weiterhin auf all jene bisher vergeblichen Appelle an menschliche Vernunft und Moral zu vertrauen.
Die reine Technik ist botmäßig und für Moszkowski gibt es keine praktikable Ethik, die dem widersteht. Ethische Kommissionen taugen so viel wie ungezählte ethische Imperative, die eben immer wieder kategorisch hintertrieben wurden. Der Kulturkritiker spricht im Angesicht einer Zeit, die in der Traumatisierung durch den Weltkrieg den Pazifismus beschwört und gleichwohl ungerührt weiter aufrüstet. Moszkowski erkennt die Paradoxie eines neu entstehenden militanten Antimilitarismus. Letztlich kann nur der Transhumanismus den Menschen von sich selbst und seiner kriegerischen Kondition erlösen: "Der Anthromorphismus ist die Kette am Fuße alles Betrachtens und Denkens...". Kulturkritische Motive, die bloße Herrschaft über menschliche Symbole und selbst der gesunde Menschenverstand, der zu feinerer Denkarbeit nicht fähig ist, kommen da viel zu spät. Mit der Ankunft der neuen Physik, insbesondere der Relativitätstheorie, wird in jenen Tagen deutlich, dass menschliche Anschauung und der auf praktische Lösungen angelegte Verstand als Erkenntnisinstrumente stumpf werden. Moszkowski will die anthropomorphen Illusionen hin zu einer völlig neuen Konzeption von Welt durchbrechen: "...in ihr löst sich alles auf, die Wahrheit, die Wirklichkeit, die Geometrie, ja alle elementaren Denkmittel bis zu den Begriffen Raum, Zeit, Größe, Körper, Lage Beziehung, Zustandsänderung, Prozess, Ursächlichkeit, Naturgesetz, die allesamt nichts anderes sind als Wunsch-Ausdrücke." Die Herrschaft einer wirklich avancierten Technik würde die Herrschaft der Zeichen und den Glauben an die Humanisierung der Welt durch Zeichen beenden. Noch leben wir mit den Haltegriffen von Metaphern, die wie die Medien lediglich vermitteln, was direkt erfahrbar sein könnte. Moszkowski skizziert nach seinem Selbstverständnis nur das, von dem er weiß, dass es ungeheure Wahrheiten sein werden. Nichts gilt mehr, die Wirklichkeit als eine gesicherte Sphäre menschlicher Welterschließung verabschiedet er lange vor den radikalen Konstruktivisten: "Die Berufung auf eine vermeintliche Wirklichkeit darf niemals den Ausschlag geben, denn sie ist nur die Außenprojektion einer inneren Vorstellung und würde, wenn sie mehr wäre, aller Norm widerstreiten. Eine gedachte Wirklichkeit kann sich mit dem Gesetz vertragen, eine reale Wirklichkeit besitzt die Wahrscheinlichkeit Null, das heißt, sie ist unmöglich."
Epilog
Wahrscheinlich war es im Blick auf den Nachruhm ein Fehler, einen "wissenschaftlichen Gegenstand aus der Region abstrakter Buchweisheit in eine Zone literarischer Gemeinverständlichkeit zu verpflanzen." Doch gerade dadurch ist Alexander Moszkowski sehr lesbar geblieben, weil er seine kühnen Entwürfe und kritischen Anmerkungen immer wieder auf Erzählungen und plastische Technikvisionen zurückbindet. Dieser Autor glaubte, dass sein rasanter Flug über die Inseln "einmal der Inhalt aller wissenschaftlichen Philosophie werden" würde. Da könnte er richtig gelegen haben, aber sein eigener Stern ging bisher nicht richtig auf. Zu entdecken ist in diesem verschlungenen Riesenwerk eines überzeugten Virtualisten noch viel, wenn der Möglichkeitssinn des Lesers bereit ist, sich darauf einzulassen. Oder in den Worten Algabbis, eines der diversen alter egos des Autors, zum neuen menschlichen Idealtypus: "Ich stelle sie mir vor intuitiv veranlagt, mit Antennen des Geistes, die von der Achtung des Wirklichen bis zur Schätzung des Unwirklichen ragen; befähigt, die ganze Mechanik der Welt zu begreifen, ohne sich ihr auszuliefern."