Nicht nur beim Niesen oder Husten, auch beim Sprechen werden Tröpfchenwolken ausgestoßen

Tröpfchen-Wolke beim Sprechen von "stay healthy". Bild: Valentyn Stadnytskyi; Philip Anfinrud; Christina E. Bax; Adriaan Bax/CC BY-4.0

Nach einer Studie können die Tröpfchen über viele Minuten in der Luft bleiben und so theoretisch in geschlossenen Räumen Covid-19- und andere Viren durch Einatmen oder vielleicht auch über die Augen übertragen

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Covid-19, das haben wir inzwischen gelernt, wird vornehmlich durch Tröpfchen in der Luft übertragen. Husten schleudert die Viren über Meter, keuchende Jogger sind auch Virenverbreiter, auch Lachende, Schreiende oder laut Singende, wenn sie anderen zu nahe kommen. Aber mit 1,5 oder 2 Meter Abstand ist alles sicher, wenn man die Superverbreiter nicht um sich hat. Wenn man in diesem Abstand zueinander ist, darf man ruhig miteinander sprechen, ohne eine Ansteckung fürchten zu müssen.

Das könnte aber nicht stimmen, wie US-Wissenschaftler vermuten. Ausgehend von der Tatsache, dass auch asymptomatisch Infizierte Covid-19 durch Tröpfchen verbreiten können, haben sie untersucht, ob bloßes Miteinander-Sprechen eine Ansteckungsgefahr mit sich bringen könnte. Bekannt ist, dass auch beim Sprechen Tröpfchen aus dem Mund verbreitet werden, die sehr unterschiedlicher Größe sein können, nämlich von 1 μm bis zu 500 μm (1 Mikrometer = 1 Millionstel Meter). Bislang aber seien Tröpfchen, die kleiner als 30 μm sind und deswegen länger in der Luft bleiben können, nicht wirklich untersucht worden.

Mit Laser-Lichtstreuungstechnik haben die Wissenschaftler beobachtet, wie sie in ihrer in den Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) erschienenen Studie schreiben, dass auch beim lauten Sprechen Tausende von Tröpfchen pro Sekunde ausgestoßen werden. In einem geschlossenen Raum ohne Luftbewegung verschwinden sie aus dem Sichtfenster nach 8-14 Minuten, wenn sie auf eine Größe von 4 Mikrometer schrumpfen. Das entspräche vor der Dehydrierung einer Tröpfchengröße von 12-21 μm. Tröpfchen verlieren nach dem Austritt aus dem Mund schnell an Feuchtigkeit und werden damit kleiner, so dass sie auch langsamer fallen, wodurch ihre potentielle Virenlast länger in der Luft bleibt als bei größeren Tröpfchen.

Wie sehr ein Tröpfchen dehydriert, hängt auch von seiner Zusammensetzung ab, also von dem Anteil an Elektrolyten, Zucker, Enzymen, DNA, vertrockneten Hautzellen und weißen Blutkörperchen. Je nach Lautstärke eines Sprechers bildet er eine Wolke von Tröpfchen vor sich, die je nach Größe langsamer oder schneller zu Boden sinken bzw. in der Luft bleiben, so dass sie auch von anderen Menschen, die sich in der Nähe befinden, eingeatmet werden können.

In einem Milliliter von Tröpfen kann durchschnittlich eine RNA-Viruslast von 7 × 106 Kopien, maximal von 2.35 × 109 Kopien enthalten sein. Das klingt viel, allerdings liegt die Wahrscheinlichkeit, dass ein 50 μm großes Tröpfchen, bevor es vertrocknet, mindestens ein Virion beherbergt, nur bei 37 Prozent, bei einem 10 μm großen Tröpfchen sind es vernachlässigenswerte 0,37 Prozent. Ob ein einzelnes Virion eine Infektion auslösen kann, ist unbekannt.

Die Wissenschaftler bemühen aber die "independent action hypothesis" (IAH), nach der jedes einzelne Virus dieselbe Chance einer Infektion besitzt - und dies unabhängig von anderen. Die Theorie ist umstritten. Bei Covid-19 scheint es beispielsweise von der Viruslast abzuhängen, wie stark die Infektion wird, also ob sie beispielsweise in den Lungenraum vordringt.

Bei ihren Versuchen sprachen Versuchspersonen in einen geschlossenen Behälter "stay healthy", wobei th am meisten Tröpfen erzeugt. Durchschnittlich werden pro Sekunde beim Sprechen 2600 kleine Tröpfchen ausgestoßen. Deren Halbwertszeit in dem Behälter mit einer relativen Feuchtigkeit von 27 Prozent und einer Temperatur von 23 Grad, betrug etwa 8 Minuten. Die Wissenschaftler nehmen an, dass in dieser Zeit ein Tröpfchen 30 cm absinkt. Schätzungsweise sollen beim lauten Sprechen während einer Minute mindestens 1000 Tröpfchen erzeugt werden, die Virione enthalten, mehr als 8 Minuten in der Luft bleiben und von anderen Menschen über den Mund oder die Nase eingeatmet werden können. Nach der IAH-Annahme könne dies "eine neue Sars-CoV-2-Infektion auslösen", schreiben die Wissenschaftler. Die Viruslast der Spucke ist bei Menschen höchst unterschiedlich, daher könnten die Tröpfchen von manchen infizierten Sprechern eine hohe Viruslast transportieren und insofern eher ansteckend sein.

"Unsere Laser-Lichtstreuungsmethode", so fassen die Wissenschaftler das Ergebnis ihrer Studie zusammen, "liefert nicht nur einen visuellen Beweis in Echtzeit für die Tröpfchen-Emission, sondern beurteilt auch ihre Lebenszeit in der Luft. Diese direkte Visualisierung zeigt, wie normales Sprechen Tröpfchen in der Luft erzeugt, die dort für Dutzende von Minuten oder länger bleiben können und hervorragend fähig sind, Krankheiten in geschlossenen Räumen zu übertragen." Wenn der Sprecher eine Maske trägt, werden fast keine Tröpfchen abgegeben, schrieben die Wissenschaftler im New England Journal of Medicine.

Infektion über die Augen?

Ein Wissenschaftlerteam der Johns Hopkins University vermutet, dass auch die Augen ein Ansteckungsort für Covis-19 oder Träger der Infektion sein können, nachdem in den Tränen von Infizierten Sars-CoV-2-Viren gefunden worden. Untersucht wurde, ob die äußeren Augenzellen die Faktoren enthalten, die es den Viren ermöglichen, dort anzudocken. Zu dem Zwecke wurden Augen von Toten nach dem ACE2-Rezeptor und der TMPRSS2-Protease untersucht, die das Andocken des Spike-Proteins des Virus an ACE2 erleichtert.

In allen Augenzellen wurde ACE2, aber auch TNPRSS2 gefunden. Nach den Wissenschaftlern soll dies zeigen, dass die äußeren Augenzellen vom Sars-CoV-2-Virus infiziert werden können. Daher könnte über das Auge eine Ansteckung stattfinden, es könne aber auch "ein Reservoir für eine Transmission des Virus von einer Person auf die andere sein". Für die Wissenschaftler spricht dies dafür, als Vorsichtsmaßnahme Masken zu tragen und darauf zu achten, dass kein Kontakt über die Augen stattfindet.