Noch 13 Tage sitzt in den USA ein Verrückter am Drücker

Foto: WhiteHouse.gov

Die Vereinigten Staaten haben ein fundamentales Problem und sie wissen es. Kommentar

Schon kurz nach Beginn der Präsidentschaft von Donald Trump machten Geschichten über wenig erfreuliche Vorfälle bei der Einreise in die USA die Runde. Personen, die beabsichtigten einzureisen, konnte es passieren, dass sie an der Grenze gefragt wurden, wie sie zur Wahl von Donald Trump stünden. Man kann sich ausrechnen, mit welcher Antwort man die Chancen auf einen Grenzübertritt besonders verschlechtern konnte.

Vier Jahre später und der Satz ist mehrheitsfähig, dass die Präsidentschaft von Donald Trump eine einzige Katastrophe war - und ist. Dies gilt, wie das Ergebnis der Präsidentschaftswahl veranschaulicht, in der die Demokraten eine solide Mehrheit errungen haben, nun auch innerhalb der USA. Dem Blick von außen offenbarten sich die politischen Zustände in den USA schon seit längerem als, wenn es nicht so traurig wäre: eine Lachnummer.

Dass der "Führer der freien Welt" so weit gehen würde, seine fanatischen Getreuen dazu anzustacheln, das Parlament des eigenen Landes zu stürmen, das wagten, bis auf wenige, sich wohl selbst besonders fantasievolle Beobachter kaum vorzustellen. Parlamentarier mit Gasmasken auf der Flucht vor einem marodierenden Mob in den heiligen Hallen der US-Demokratie – was kommt als Nächstes?

"Terroristen" oder "Normalbürger"?

"Das ist nicht Amerika", erklärten viele Journalisten und Politiker prompt. Solche Sätze sind angesichts des Schrecks nachvollziehbar, den die Bilder aus Washington auslösen. Aber sie sind angesichts des Desasters auch kaum anders zu erwarten. Ob solche reflexhaften Statements aber das Problem korrekt auf den Punkt bringen, ist fraglich.

Schnell bezeichneten die US-amerikanischen Medien die aufgebrachte Menge vor dem Kapitol, welche die formale Bestätigung der Präsidentschaftswahl zu verhindern versuchte, als "Extremisten" und "Terroristen". Solch gewalttätiges und regelloses Verhalten sei "unamerikanisch". Doch selbst wenn es sich tatsächlich "nur" um Terroristen und Extremisten - und nicht etwa "normale" US-Amerikaner - handeln sollte, dann gibt es davon, wie die Bilder von der Belagerung des Kapitols beweisen, in den USA anscheinend sehr viele.

Über 74 Millionen Menschen haben im November für Donald Trump gestimmt. Das ist die zweithöchste Zahl an Stimmen, die je ein U.S.-Präsidentschaftskandidat in einer Wahl erhalten hat. Wie viele von diesen 74 Millionen Menschen zum harten Kern von Trumps Kampftruppen zählen, darüber können sich nun die Analysten streiten. Doch ziemlich sicher ist, dass auch die Zahl der stillen Unterstützer, die selbst die Machtdemonstration auf den Stufen des Kapitols noch gutheißen dürften, in die Millionen geht. Haben sie doch bis jetzt noch jeden Mist mit Trump mitgetragen.

Zahlreich ist nicht nur die Heerschar der Gefolgsleute, sondern auch die der Ermöglicher, ohne deren Zutun es wahrscheinlich zu den schlimmsten Auswüchsen von Trumps Gaga-Herrschaft nicht gekommen wäre. Angeblich denken jetzt selbst führende Mitglieder der Republikaner und sogar Kabinettsmitglieder, über ein Impeachment nach, um Trump noch zu stoppen.

In dem Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump, über das Anfang Februar 2020 entschieden wurde, stimmten 52 republikanische Senatoren gegen ein Impeachment wegen Machtmissbrauchs, und nur einer dafür.

Politik im permanenten Kriegszustand

Rückblickend muss man sich wundern, dass ein U.S.-Präsident vor weniger als fünfzig Jahren aus dem Amt entfernt wurde, weil er über die Vertuschung einer illegalen Informationsakquise durch einige Untergebene stürzte. Das ist eine Bagatelle im Vergleich zu den Auswüchsen der US-amerikanischen Politik der letzten Jahre. Mittlerweile gehören ein permanenter Kriegszustand in den "sozialen" Medien, die Verweigerung eines geordneten politischen Diskurses und sogar die innenpolitische Auseinandersetzung mittels bewaffneter Stellvertreter zur Normalität.

Die Auswüchse in den USA waren wohl nicht unvermeidlich. Aber sie sind auch nicht nur ein bloßer Unfall, weil ein Präsident und einige seiner Anhänger überraschend durchgedreht sind. Über Jahrzehnte hat sich im Widerspruch zur Verfassung im Amt des Präsidenten zunehmende Macht konzentriert, was zu einer Verschiebung der Balance in Richtung der Exekutive geführt hat. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, und ist wohl nicht purer Zufall, dass der Kongress, der eben noch die Chance hatte, Trumps imperialem Treiben Einhalt zu gebieten, zur Zielscheibe einer direkten Attacke wurde.

In den US-Medien ist bereits von 13 gefährlichen Tagen die Rede, die noch zu überstehen sein werden, bis dann, hoffentlich, ein neuer "normaler" Präsident im Amt sein wird. 13 Tage, das war die Zeitspanne, in der die Welt im Jahr 1962 während der Kubakrise am Rand eines nuklearen Krieges stand. 13 Tage sind es noch, so ist die Andeutung gemeint, in denen im "Land der unbegrenzten Möglichkeiten" ein Verrückter am atomaren Knopf sitzt.

Der eigentliche Skandal der US-Politik ist: Dass eine Person wie Trump jemals die Gelegenheit erhalten hat, in diese Position zu gelangen. Eines deutlicheren Hinweises bedarf es nicht, dass mit dem politischen System der USA fundamental etwas nicht in Ordnung ist.