Nord-Stream-Explosionen: Die Spur der Täter führt in die Ukraine

Deutsche und US-amerikanische Medien rekonstruieren die Anschläge. Eine pro-ukrainische Gruppe hätte die Leitungen gesprengt. Was noch bekannt ist und wie die Regierung in Kiew reagierte.

Die Explosionen an den beiden Ostsee-Pipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2 sind immer noch ein Rätsel. Anfang Februar hatte der US-Enthüllungsjournalist Seymour Hersh einen Artikel zu veröffentlicht. Laut Hersh seien die Gasleitungen auf Anweisung von US-Präsident Joe Biden gesprengt worden.

Deutsche Medien und die New York Times (NYT) veröffentlichten am Dienstag die Ergebnisse eigener Recherchen. Demnach stecke eine pro-ukrainische Gruppe hinter den Anschlägen. Ob es eine Verbindung zu den ukrainischen Behörden gibt oder ob der Auftrag womöglich von ihnen erteilt wurde, ist noch strittig. Laut NYT halten US-Beamte das für möglich.

Deutsche Journalisten wollen weitgehend rekonstruiert haben, wie und wann der Sprengstoffanschlag vorbereitet wurde. An den Recherchen beteiligten sich das ARD-Hauptstadtstudio, das ARD-Politikmagazin Kontraste, der SWR und die Zeit. Die Spuren, die sie gefunden haben, führen demnach in die Ukraine.

Die Täter nutzten demnach eine Jacht, die von einer Firma in Polen angemietet wurde, die zwei Ukrainern gehört haben soll. Sechs Personen, fünf Männer und eine Frau, sollen den Anschlag verübt haben.

Demnach bestand die Gruppe aus einem Kapitän, zwei Tauchern, zwei Tauchassistenten und einer Ärztin, die den Sprengstoff zu den Tatorten transportiert und dort platziert haben sollen. Die Nationalität der Täter ist offenbar unklar. Die Attentäter nutzten professionell gefälschte Reisepässe, die unter anderem für die Anmietung des Bootes eingesetzt worden sein sollen.

Zeit Online, 07.03.2023

Die Ausrüstung für den Anschlag soll mit einem Lieferwagen in den Hafen von Rostock transportiert worden sein, wo sie auf die Jacht verladen wurde. Am 6. September soll das Schiff dann in See gestochen sein. Am Ende habe man die Jacht dem Eigentümer ungereinigt zurückgegeben. Auf dem Tisch in der Kabine hätten die Ermittler Spuren von Sprengstoff nachweisen können.

Welche Menge an Sprengstoff in dieser Kabine gelagert haben könnte, wurde im Zeit-Bericht nicht genannt. Laut NYT hätten die Täter mehr als 1.000 Pfund, knapp 450 Kilogramm, militärischen Sprengstoff verwendet.

In dem Bericht heißt es weiter: Bereits im Herbst hätte ein westlicher Geheimdienst den Partnerdiensten in Europa den Hinweis übermittelt, dass ein ukrainisches Kommando für den Anschlag verantwortlich sei. Danach soll es weitere Hinweise gegeben haben, nach denen eine pro-ukrainische Gruppe verantwortlich sein könnte.

In Washington sind sich die Beamten noch nicht einig, wie sie die neuen Erkenntnisse bewerten sollen, heißt es in der NYT. Eine Beteiligung der ukrainischen Regierung wollten sie demnach nicht auszuschließen. US-Geheimdienste und Beamte hätten eingeräumt, dass sie – trotz massiver Unterstützung der Ukraine – nur begrenzten Einblick in die ukrainische Entscheidungsfindung hätten.

Gerade bei Operationen hinter den russischen Linien seien die Ukrainer gegenüber den US-Amerikanern nicht immer transparent. So seien die USA Anfang August von dem Angriff auf den russischen Flughafen Saki an der Westküste der Krim überrascht worden, auch vom Bombenanschlag auf die Krimbrücke oder von den Drohnenangriffen auf die strategischen Bomber auf dem russischen Stützpunkt Engels.

Im August wurde in der Nähe von Moskau Daria Dugina, Tochter des bekannten russischen Nationalisten, mit einer Autobombe getötet. Damals kamen die US-Geheimdienste auch zu der Überzeugung, dass der Mord von Personen aus der ukrainischen Regierung genehmigt wurde.

Bislang gebe es aber keine Beweise dafür, dass die ukrainische Regierung in den Anschlag auf die Ostsee-Pipelines verwickelt sei. Sollte sie es aber sein, dann könnte es negative Auswirkungen auf die Unterstützung Kiews durch den Westen haben, so eine Befürchtung.

Wohl auch deshalb beeilte sich Mychajlo Podoljak, Berater der ukrainischen Regierung, den Gerüchten entgegenzutreten. Auf Twitter schrieb er, man sei weder an der Sprengung beteiligt gewesen, noch habe man Informationen über pro-ukrainische Gruppen.

Seymour Hersh soll über den NYT-Bericht erstaunt gewesen sein, schreib am Dienstag die russische Zeitung Iswestija. Er kommentierte den Bericht mit den Worten: "So dumm können die doch nicht sein". Für die kommende Woche kündigte er zudem einen weiteren Bericht zu dem Thema an.

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