North Atlantic Fella Organization (Nafo): Hybride Kriegsführung trifft Internet-Kultur

Seite 2: Rückendeckung vom Military Industrial Complex

Die eigentümliche Lach- und Schießgesellschaft genießt naturgemäß großen Rückhalt in der ukrainischen Regierung. Ende August schrieb das ukrainische Verteidigungsministerium auf Twitter:

Normalerweise bedanken wir uns bei unseren internationalen Partnern für die Sicherheitshilfe. Aber heute wollen wir einer einzigartigen Organisation ein Lob aussprechen - der North Atlantic Fellas Organization #Nafo. Vielen Dank für euren erbitterten Kampf gegen die Kreml-Propaganda & Trolle. Wir salutieren euch, Freunde!

Verteidigungsministerium der Ukraine

Ein paar Tage später zeigte auch der ukrainische Verteidigungsminister den Fellas seinen Dank, indem er einen eigens für ihn erstellten Avatar als Profilbild nutzte.

Der Rückhalt ist nicht nur in der Ukraine groß. Die Fellas werden auch in den Ländern der westlichen Allianz für ihren Einsatz gefeiert. Die estnische Premierministerin Kaja Kallas bedankte sich im September auf Twitter für den Einsatz der Fellas, im selben Monat besuchte Litauens Außenminister Gabrielius Landsbergis Odessa in einem Nafo-T-Shirt. Daneben unterstützen auch zahlreiche Journalisten das (Gegen-)Propaganda-Projekt.

Besonders erntet die beispiellose Kriegskampagne aber das Lob der Militärs, deren Einsatzgebiet die sogenannte "information warfare" ist.

Unterstützung im Informationskrieg

Anfang September kommt in einem Bericht des ZDF heute-journals ein Politikwissenschaftler mit dem für die Nafo-Community sicher entzückenden Nachnamen "Fella" zu Wort, der laut ZDF regelmäßig Bundeswehrsoldaten im Umgang mit sozialen Medien trainiert.

Wir erleben im Ukraine-Krieg einen Kampf um Deutungshoheit um Wahrheit im digitalen Raum. Wenn sich dort eben russische Narrative durchsetzen, dann kann es eben sein, dass auch die Politik sich genötigt sieht, eben die Unterstützung der Ukraine zurückzufahren. Derjenige, der die Wahrheit bestimmt – sei es durch durch Fakten oder Propaganda, der hat wahre Macht.

Tobias Fella

Tobias Fella ist sicherheitspolitischer Referent am Hamburger Haus Rissen, das von Atlantik-Brücke-Gründer Erik Blumenfeld aufgebaut wurde.

Die Unterstützung hierzulande verblasst allerdings im Vergleich mit derjenigen, die die Fellas in den USA erfahren. Die Washington Post griff Anfang September den entscheidenden Zweck heraus, den die Nafo erfüllt:

Indirekt haben die größtenteils englischsprachigen Memes die Aufmerksamkeit des Westens auf den Krieg in der Ukraine gelenkt – eine Aufmerksamkeit, die angesichts der Bedeutung westlicher Waffen für die ukrainischen Streitkräfte unerlässlich ist.

Washington Post

Die Memes kommen also vor allem auch dem militärisch-industriellen Komplex mehr als gelegen, der an dem Konflikt Milliarden verdient (und dabei mit Geld aus der EU bezahlt wird). Wie das Portal The Grayzone in zwei ausführlichen Artikeln zum Thema herausgearbeitet hat, sind die Verbindungen der Nafo-Unterstützer zum military industrial complex unübersehbar.

Von ehemaligen Generälen, CIA-Russland-Agenten und sicherheitspolitischen Thinktanks bis hin zum Sohn des Russland-Falken John McCain ist vieles mit Rang und Namen dabei.

Besonders hofiert wird die Nafo-Bewegung von den US-Militär-Thinktanks Center for Strategic and International Studies (CSIS) sowie dem Commission on Security and Cooperation in Europe (CSCE), auch bekannt als Helsinki Comission.

Paul Massaro, Senior Politicy Advisor des CSCE, ist, wie Nafo-Gründer Kamil Dyszewski, enthusiastischer Unterstützer der Georgischen Legion und Penn Kemble Fellow des National Endowment for Democracy – ein Thinktank, den Geheimdienst-Aussteiger Philip Agee einmal als verlängerten Arm der CIA beschrieben hat.

Problematische Bewegungen

Bewegungen wie die Nafo sind – unabhängig davon, ob sie Gutes tun oder nicht – problematisch, wenn es darum geht, die zuletzt durch die Twitter-Files angeschlagene Vorstellung von einer digitalen Öffentlichkeit aufrechtzuerhalten.

Dazu muss man nicht, wie der IT-Unternehmer Kim Schmitz alias Kim Dotcom davon ausgehen, dass die Nafo durch eine Bot-Armee der CIA aufgerüstet wird (woraufhin diese mit Memes und ironischen Bekenntnissen reagierten).

Denn in jedem Fall wird es durch solche koordinierten Kampagnen für den Nutzer zunehmend schwerer, fabrizierten von organischem Content zu unterscheiden. Gleiches gilt selbstverständlich auch für russische Troll-Fabrikate und Propaganda, wobei diese – so sie denn nicht per Geoblocking zensiert sind – meist plumper daherkommen oder in ihrem Einfluss – etwa bei der US-Präsidentenwahl 2016 – überschätzt werden.

Das Problem ist freilich nicht neu, das von der Nafo ebenfalls verwendete Schlagwort "Expect Us" erinnert wohl nicht zufällig an Anonymous. Das andere dezentrale Kollektiv, das für zivilgesellschaftliches Engagement stand und dessen Zusammensetzung bis heute im Unklaren bleibt.

Von solchen Möglichkeiten konnten Propaganda-Experten wie Walter Lippman (man bedenke sein Konzept der Pseudo-Umwelt) oder Freud-Neffe Edward Bernays nur träumen.