Shell kippt CO2-Auflagen vor Gericht
Shell muss CO2-Emissionen doch nicht drastisch reduzieren. Gericht in Den Haag hob Klimaschutz-Auflagen auf. Nun fürchten Niederländer um ihre Zukunft.
Der Mineralölkonzern Shell hat im Berufungsprozess gegen ein viel beachtetes Urteil in den Niederlanden gewonnen, das ihn 2021 zur drastischen Senkung klimaschädlicher Emissionen verpflichtet hatte. Ein Zivilgericht in Den Haag hob am heutigen Dienstag nach Angaben der Deutschen Presse-Agentur ein entsprechendes Klima-Urteil der ersten Instanz auf und wies damit die Klage einer Umweltorganisation ab.
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Beide Seiten hatten zuvor angekündigt, im Fall einer Niederlage Rechtsmittel einzulegen. Dann müsste die höchste Instanz in den Niederlanden entscheiden.
Im Jahr 2018 hatte die Umweltorganisation Milieudefensie Shell verklagt. Der inzwischen rein britische Öl- und Erdgaskonzern war damals noch zum Teil ein niederländisches Unternehmen. In der Klage hatte die Umweltorganisation den Konzern für Klimaschäden durch den Ausstoß von Treibhausgasen wie CO2 verantwortlich gemacht. Auch Shell müsse sich an die Verpflichtungen des Pariser Klimaabkommens von 2015 halten, hieß es in der Begründung.
Gefährdet: Wohngebiete unterhalb des Meeresspiegels
Einige Wohngebiete in den Niederlanden liegen bereits heute unterhalb des Meeresspiegels, darunter große Teile von Rotterdam. Das Land ist berühmt für Deichbaukunst und Hochwasserschutz, aber die Möglichkeiten sind im Fall eines weiteren Meeresspiegelanstiegs durch schmelzende Polkappen begrenzt. Manche Neubauprojekte der letzten Jahre waren deshalb umstritten.
CO2-Reduktion: Verbindliche Zielmarke in erster Instanz
2021 hatte ein Gericht in Den Haag den Shell-Konzern verpflichtet, die Kohlendioxid-Emissionen bis zum Jahr 2030 um 45 Prozent im Vergleich zu 2019 zu senken. Das Gericht machte Shell für einen Beitrag zur Erderwärmung verantwortlich, die gefährliche Folgen für die niederländische Bevölkerung, deren Rechte und vor allem die Bewohner des Wattenmeergebiets hätte.
Dies gelte auch für die indirekten Emissionen der Zulieferer und Kunden von Shell. Experten sprachen seinerzeit von einer historischen Entscheidung: Nie zuvor war ein Konzern gerichtlich zu derart drastischen Klimaschutzmaßnahmen gezwungen worden.
Berufungsurteil: Kein konkreter Prozentsatz für Shell
Doch im Berufungsprozess hieß es nun, Shell sei zwar verpflichtet, sich für den internationalen Klimaschutz einzusetzen. Ein konkreter Prozentsatz bei der Senkung der weltweiten Emissionen könne dem britischen Konzern aber nicht auferlegt werden, da eine Reduzierung der Produktion von Öl oder Erdgas zu einer weltweiten Zunahme bei der Kohleförderung führen könne, was deutlich schlechter für das Klima wäre.
Die Richter folgten damit der Argumentation des Konzerns: Shell hatte im Vorfeld die Vorstellung, dass eine Verurteilung dem Klima helfen werde, als naiv bezeichnet. Wenn Shell nicht mehr Öl oder Gas liefere, dann würden andere Energiekonzerne in die Lücke springen oder Autofahrer an anderer Stelle tanken.