Österreich kürt seine größten Brüder

"Es stinkt von einem Ende Europas zum anderen."

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Vor etwa 400 Gästen fand Dienstag abend in Wien die erstmalige Verleihung der Big Brother Awards Austria statt. In insgesamt sechs Kategorien wurden "Spitzelfirmen, Lauschangreifer & Überwacher aller Art" für ihr Tun gewürdigt. Da keiner der Geehrten zum Anlass erschienen war, wurden die Preise - in Blumentöpfen stehende Kampfroboter aus dem Spielzeugladen - von Treuhändern übernommen.

Für Gastredner Simon Davies, Präsident von Privacy International, lag die Bedeutung des Abends in erster Linie darin, dass der von ihm als internationaler Preis intendierte Big Brother Award erstmals auch ausserhalb der angelsächsischen Welt verliehen worden ist. Dass ausgerechnet Österreich den Faden aufgenommen hat, wunderte ihn allerdings wenig: "Euer Innenministerium hat einen Ruf, der von einem Ende Europas bis zum andern stinkt".

An Nominierungen hatte es erwartungsgemäß nicht gemangelt. Die Wahl der Qual hatte eine siebenköpfige Jury, die aus den eingegangenen Vorschlägen fünf Preisträger kürte. Ein sechster Preis in der Kategorie People's Choice ging an das von den Internet-Benutzern am häufigsten nominierte Unternehmen.

Zwei hochrangige Politiker, Verteidigungsminister Werner Fasslabend (ÖVP) und Innenminister Karl Schlögel (SPÖ) ritterten gleich in zwei Kategorien um die Auszeichnung. Am Ende hatte der Sozialdemokrat Schlögel klar die Nase vorn. Er wurde für sein Lebenswerk mit einem Big Brother Award geehrt, während Regierungskollege Fasslabend an diesem Abend leer ausging. Den Preis in der Kategorie Politik streiften nämlich jene österreichischen Europaparlamentarier ein, die im Mai dieses Jahres für die ENFOPOL-Gesetze gestimmt hatten.

Die weiteren Preise gingen an das Österreichische Statistische Zentralamt, für die Absicht, die Ergebnisse der nächsten Volkszählung mit Daten der Meldeämter zu verknüpfen und jedem Bürger eine eindeutige Identifikationsnummer zuzuweisen; an den Kreditschutzverband von 1870 für seinen schwunghaften Handel mit falschen Bonitätsauskünften; sowie an Schober Direct Marketing, ein Unternehmen, dass sich brüstet zu fünf (von acht) Millionen Österreichern personenbezogene Informationen liefern zu können.

In der Kategorie People's Choice führte kein Weg an Microsoft vorbei. Niemand sonst war auch nur annähernd so oft von der Internet- Community für den Preis vorgeschlagen worden, wie der neugierige Software-Hersteller aus Redmond.

Am Ende der skurrilen Zeremonie betonierten Simon Davies und ein mafios aussehender Schnurbartträger im weissen Anzug bei hämmernden Techno-Klängen die Kampfroboter in ihren Blumentöpfen ein. Sie sollen demnächst von den Treuhändern an ihre rechtmäßigen Besitzer übergeben werden.