Östliches Mittelmeer: Türkei provoziert Griechenland
Und Deutschland, Frankreich und Italien planen Sanktionen gegen eine türkische Firma wegen Waffenlieferungen nach Libyen
Im östlichen Mittelmeer baut sich neuer Ärger auf. Die Türkei hat das Erkundungsschiff MTA Oruc Reis mit Kurs auf eine zwischen Griechenland und der Türkei umstrittene Zone losgeschickt. Griechenlands Regierung reagierte mit der Einberufung eines Krisenstabs, einem Anruf bei Nato-Generalskeretär Stoltenberg und beim EU-Ratspräsidenten Charles Michel.
Dass sich aus dem Alarmzustand samt dazu gehöriger Rhetorik eine gefährliche Situation entwickelt, ist nach Ansicht mancher Beobachter zwar eher unwahrscheinlich, aber der Streit um Ansprüche auf Rohstoffe im Mittelmeer schaukelt sich hoch und er ist mit dem Konflikt in Libyen verbunden.
Hintergrund der türkischen Aktion, die eine Provokation miteinkalkuliert, ist ein kürzlich geschlossenes Abkommen zwischen Griechenland und Ägypten über Rechte und Abgrenzungen im Mittelmeer (Karte hier). Nach manchen Darstellungen geht es um die sogenannten EEZ ("Ausschließliche Wirtschaftszonen", meist englisch als EEZ abgekürzt), andere wiederum behaupten, dass dies nicht zutreffe.
"Null und nichtig"-Erklärungen
Unbestreitbar sind bei allen Differenzen in Details die großen politischen Behauptungen und die wirtschaftlichen Folgen, die damit verknüpft sind. So behaupten Ägypten und Griechenland, dass das Abkommen zwischen der Türkei und der libyschen Einheitsregierung (GNA) vom letzten Jahr "null und nichtig" sei. Während nun die Türkei behauptet, dass das Abkommen zwischen Griechenland und Ägypten "null und nichtig" sei - und zudem eine Provokation, auf die man jetzt reagiere.
Es geht, wie an dieser Stelle schon mehrfach berichtet, um reiche Vorkommen an Erdgas und auch Erdöl im östlichen Mittelmeer bei Zypern. Die Türkei sieht sich benachteiligt bei den Förderrechten und reklamiert eigene Ansprüche. Nicht nur die Energieunternehmen aus Griechenland, Italien, Frankreich, Israel und Ägypten sollen den Schatz bergen dürfen und damit Geschäfte machen, sondern auch türkische Energieunternehmen.
Der Anspruch wird teilweise über den türkischen Teil von Zypern geltend gemacht, anderseits über eigene Seerechtsauffassungen und eben auch über das Abkommen mit der libyschen Einheitsregierung zu den Grenzen im östlichen Mittelmeer. Besonders augenfällig wird das Problem der Begründungen und Ansprüche, wenn man sich eine Karte anschaut, bei der es um die griechische Insel Kastelorizo/Meis geht. Dort sieht man sehr deutlich, welchen großen Unterschied die griechischen und türkischen Ansprüche ausmachen. Die Ansprüche, die über die Insel begründet werden, sind ein Streitpunkt zwischen Griechenland und der Türkei. In der Umgebung der Insel hält die Türkei gerade Marine-Übungen ab.
Der Streit schwärt schon lange, seit dem türkischen Abkommen mit der GNA hat er sich weiter aufgebaut. Das hat zu Spannungen zwischen der EU und der Türkei geführt, weil auch die EU das Abkommen nicht anerkennt (die Positionierung ist auch an der Freude des früheren EU-Spitzenkandidaten Manfred Weber über die griechisch-ägyptische Vereinbarung zu sehen).
Als sich der Streit zwischen Griechenland und der Türkei im Mittelmeer zuspitzte, bot sich die deutsche Regierung als Vermittlerin an. Die Vermittlungsrolle sei mit dem griechisch-ägyptischen Abkommen nun zu Ende, sagte der türkische Präsident Erdogan.
Doch ist die Abfahrt des Schiffes MTA Oruc Reis in die Konfliktzone nicht das einzige Problem, das die Beziehungen zwischen der EU und der Türkei und die Beziehungen innerhalb der Nato einem Stresstest aussetzt.
Front gegen die Türkei
Wie die Nachrichtenagentur dpa berichtet, haben Deutschland, Frankreich und Italien eine Liste mit EU-Sanktionen vorbereitet, auf der auch eine türkische Firma stehen. Natürlich ist auch das ein politisch aufgeladener Akt, sollten die Strafmaßnahmen vom EU-Ministerrat bewilligt und umgesetzt werden. Es geht um Verstöße gegen das UN-Waffenembargo, das Waffenlieferungen nach Libyen untersagt.
Nun ist es ein offenes Geheimnis, dass die Türkei Waffen und Kämpfer nach Libyen bringt. Darüber gibt es regelmäßig Meldungen. Aber sie ist nicht das einzige Land. Die dpa-Meldung, die sich auf Angaben aus EU-Kreisen beruft, sollen auch zwei Firmen aus Jordanien und Kasachstan stehen. Wer fehlt, sind die Vereinigten Arabischen Emirate. Sie sind das andere große Herkunftsland von Waffenlieferungen nach Libyen, stehen aber offenbar unter Schutz Frankreichs. Jedenfalls kommt aus Paris kein Vorwurf in Richtung des Geschäftspartners, der in Libyen aufseiten der GNA-Gegner aufrüstet.
Der Spiegel-Bericht zur dpa-Meldung lässt verstehen, dass nach Auffassung von Außenminister Maas als nächster Schritt auch Sanktionen gegen Staaten denkbar seien, aus denen Waffen oder Söldner kommen. Ob man sich dann auch traut, die Emirate zu adressieren?
Bemerkenswert ist, dass Italien und Frankreich auch in dieser Sache enger zusammenarbeiten, nachdem kürzlich bekannt wurde, dass die beiden Länder auf ein gemeinsames Vorgehen "gegen Schleuser an ihrer Mittelmeerküste" verständigt haben. Ob sich die Zusammenarbeit auch auf Libyen ausdehnt, bislang standen Frankreich und Italien auf unterschiedlichen Seiten? Immerhin sagte Italien jetzt auch einer militärischen Zusammenarbeit in Mali zu. Gut möglich, dass man nun Gemeinsamkeiten in der Front gegen die Einflusssphären der Türkei entwickelt.