Ozempic & Co: Abnehmspritze verändert unser Essverhalten wohl nachhaltig

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Abnehm-Medikamente wie Ozempic verändern das Essverhalten. Nutzer nehmen bis zu 990 Kalorien weniger pro Tag zu sich. Doch was passiert mit unserem Gehirn?

Ozempic und andere Medikamente zur Gewichtsreduktion wie Wegovy oder Mounjaro erfreuen sich zunehmender Beliebtheit bei adipösen Menschen. Aktuelle Studien zeigen nun, wie diese sogenannten GLP-1-Rezeptor-Agonisten neben der Gewichtsabnahme auch das Essverhalten und die Lebensmittelauswahl der Anwender nachhaltig beeinflussen.

Studie zu Kalorienaufnahme und Lebensmittelauswahl

Ein Forscherteam in den USA hat in einer Studie mit knapp 2.000 Teilnehmern untersucht, wie sich die Einnahme von GLP-1-Medikamenten auf die Ernährungsgewohnheiten auswirkt. Dazu teilten sie die Probanden in vier Gruppen ein.

Sie untersuchten zum einen aktuelle Anwender von GLP-1-Präparaten, dann frühere Anwender, Teilnehmer, die eine Einnahme planen, sowie Teilnehmer ohne Einnahme und ohne Einnahmepläne.

Die Ergebnisse zeigen, dass die aktuellen GLP-1-Anwender deutlich weniger Kalorien zu sich nehmen als alle anderen Gruppen. Wer die Medikamente zur Gewichtsreduktion einnimmt, reduziert die tägliche Kalorienzufuhr im Schnitt um 720 bis 990 Kalorien.

Neben der verringerten Kalorienmenge ändert sich auch die Art der konsumierten Lebensmittel. GLP-1-Anwender verzehren vor allem weniger verarbeitete Lebensmitte, zuckerhaltige Getränke, Weißmehlprodukte und Rindfleisch.

Gleichzeitig steigt der Verzehr von Obst, Blattgemüse und Wasser. Interessanterweise gaben die Teilnehmer an, nach wie vor Verlangen nach kalorienreichen Lebensmitteln zu haben. Sie entschieden sich aber bewusst dagegen, diese zu essen. Ob diese Willensstärke nachhaltig anhält, bleibt offen.

Auswirkungen auf Lebensmittelindustrie

Angesichts der Tatsache, dass allein in den USA jede Woche Zehntausende mit einer GLP-1-Behandlung beginnen, könnte die veränderte Nachfrage erhebliche Auswirkungen auf die Lebensmittelproduktion haben. Möglicherweise werden in Zukunft sogar spezielle Produkte für Menschen entwickelt, die Abnehm-Medikamente einnehmen.

"Unsere Studie zeigt, dass die Einnahme von GLP-1-Agonisten sowohl die Menge als auch die Art der Lebensmittel verändert, die Menschen zu sich nehmen", sagt der Agrarökonom Jayson Lusk von der Oklahoma State University. "Diese Ergebnisse haben wichtige Auswirkungen auf die Lebensmittelindustrie."

Weitere potenzielle Gesundheitsvorteile

Neben der Gewichtsabnahme könnten GLP-1-Medikamente wie Ozempic noch eine Reihe weiterer positiver Effekte auf die Gesundheit haben, wie eine umfassende Studie zeigt. Die Forscher werteten die Gesundheitsdaten von Hunderttausenden von Veteranen in den USA aus.

Dabei verglichen sie zwei Gruppen von Diabetikern: Eine erhielt die übliche Behandlung, die andere nahm zusätzlich GLP-1-Medikamente ein. In der GLP-1-Gruppe war das Risiko für bestimmte Erkrankungen und Beschwerden geringer, darunter Drogenmissbrauch, psychische Störungen, Demenz und Alzheimer, Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Atemwegserkrankungen.

Die Studie bestätigt frühere Ergebnisse zu den vielversprechenden Wirkungen der Medikamente über die Gewichtsreduktion hinaus. Allerdings traten bei den Patienten häufig Verdauungsprobleme auf.

Risiken und Nebenwirkungen

Trotz der positiven Ergebnisse warnen Experten davor, in GLP-1-Medikamenten eine Art Wunderwaffe gegen zahlreiche Krankheiten zu sehen. Die Arzneimittel sind noch relativ neu und es gibt noch viel zu erforschen - nicht nur zu den Wirkungen, sondern auch zu den Nebenwirkungen und Langzeitfolgen.

So leiden GLP-1-Patienten häufig unter Magen-Darm-Problemen. Und obwohl die großangelegte Veteranen-Studie kein erhöhtes Risiko für Selbstmordgedanken fand, gab es in früheren Untersuchungen Hinweise darauf.

Ergebnisse kaum übertragbar

Auch die Übertragbarkeit der Ergebnisse ist begrenzt: Die meisten Studienteilnehmer waren ältere, männliche Diabetiker. Für andere Bevölkerungsgruppen lassen sich daraus nur bedingt Schlüsse ziehen. Zudem waren die beobachteten Effekte oft eher gering. So sank das Demenzrisiko lediglich um gut ein Zehntel.

Der Pharmakologe Dipender Gill, der selbst nicht an der Studie beteiligt war, aber jahrelang für den Ozempic-Hersteller Novo Nordisk arbeitete, bezeichnet die Untersuchung zwar als wichtige Arbeit. Er betont aber auch, dass kein Patient GLP-1-Medikamente einnehmen sollte, nur weil die Studie Vorteile verspricht.

Die aktuelle Forschung liefert faszinierende Erkenntnisse über die Auswirkungen von GLP-1-Medikamenten auf das Essverhalten und die Gesundheit adipöser Patienten. Es deutet vieles darauf hin, dass Präparate wie Ozempic, Wegovy und Mounjaro nicht nur effektiv bei der Gewichtsreduktion helfen, sondern auch andere positive Effekte haben könnten.

Gleichzeitig sind noch viele Fragen offen – zu Wirkungsweisen, Nebenwirkungen und Langzeitfolgen. Betroffene sollten die Medikamente nur nach sorgfältiger Abwägung mit ihrem Arzt einnehmen. Keinesfalls sind GLP-1-Agonisten harmlose "Lifestyle-Präparate" zur schnellen Gewichtsabnahme ohne Risiken.

Es bleibt spannend zu beobachten, wie sich der Einsatz der Medikamente in Zukunft entwickelt – und welche Folgen das nicht nur für jeden einzelnen Patienten, sondern auch gesamtgesellschaftlich hat. Fest steht: Wir werden die vielversprechenden, aber auch umstrittenen Wirkstoffe in den kommenden Jahren noch oft in den Schlagzeilen sehen.