Panamakanal und Rotes Meer: Stehen wir bald wieder vor leeren Regalen?
Das Rote Meer und der Panamakanal bereiten dem Welthandel erhebliche Probleme. Im neuen Jahr könnten sie spürbar werden. Worauf die Hoffnung liegt.
Das Jahr 2023 klingt aus. Der Welthandel funktionierte zunächst weitgehend reibungslos. Doch zwei Ereignisse haben gezeigt, wie fragil die internationalen Lieferketten noch immer sind. Zwei wichtige Wasserstraßen, die die Ozeane miteinander verbinden, sind kaum noch sicher zu befahren.
Seit einiger Zeit steht das Rote Meer im Blickpunkt der Weltöffentlichkeit, wo die sogenannten Huthi-Rebellen aus Solidarität mit den Palästinensern Schiffe angreifen. Handelsschiffe, die den Jemen auf dem Weg zum oder vom ägyptischen Suezkanal passieren, sind gefährdet.
Knapp 7.200 Kilometer weiter westlich liegt die andere wichtige Wasserstraße. Der Verkehr durch den Panamakanal ist durch eine Dürre stark beeinträchtigt. Viele Schiffe können ihn nicht mehr voll beladen passieren, was sich negativ auf die Transportkosten auswirkt. In den USA sind deshalb bereits einige Raffinerien unrentabel geworden.
Globale Handelswege in Gefahr: Die Bedeutung von Rotem Meer und Panamakanal
Auf diesen beiden Routen werden knapp 20 Prozent des Welthandels abgewickelt. Und die Probleme auf diesen Routen zwingen die Handelsflotten weltweit zu großen Umwegen. So haben bisher rund 180 Containerschiffe das Rote Meer nicht durchfahren. Stattdessen umfuhren sie Afrika oder wurden gestoppt, um auf Anweisungen zu warten.
Von den Umleitungen betroffen sind Schiffe, die alles Mögliche transportieren, von Spielzeug und Autoteilen bis zu Gas, Treibstoff und Rohöl. Deren Frachtkosten steigen deutlich, wie der Finanzdienst Bloomberg berichtet.
Steigende Frachtkosten, längere Lieferzeiten: die neue Realität
Demnach ist der Transport von Waren in einem Container von Asien nach Nordeuropa in der vergangenen Woche um 16 Prozent teurer geworden. Im vergangenen Monat seien die Kosten sogar um 41 Prozent in die Höhe geschnellt.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Schiffe deutlich länger fahren, wenn sie statt durch den Suezkanal um das Kap der Guten Hoffnung müssen. Laut Bloomberg verlängert sich dadurch die Reise von China nach Europa von 40 auf 60 Tage.
Das dürfte in Europa nicht unbemerkt bleiben. Denn gerade jetzt ist eine der geschäftigsten Zeiten des Jahres für Exporte aus China. Die Einzelhändler möchten ihre Regale nach den Feiertagen wieder auffüllen, aber in Europa wird man wegen der Verzögerung wahrscheinlich erneut teilweise leere Regale sehen.
Und das zu einer Zeit, in der viele Einzelhändler in Europa und Nordamerika ihre Lagerbestände gerade erst wieder auf Normalniveau gebracht haben.
Herausforderungen für US-Raffinerien: Der Einfluss des Panamakanals
Die Probleme des Panamakanals stellen die Unternehmen in den USA, insbesondere die Raffinerien an der US-Golfküste, vor erhebliche Probleme. Diese Anlagen sind wichtig, weil sie große Mengen Benzin raffinieren, mehr als im Land benötigt wird. Ein stetiger Strom von Exporten ist daher für die Raffinerien wichtig.
Der Panamakanal ist die kürzeste Route für Tankschiffe von der US-Golfküste zur südamerikanischen Pazifikküste und nach Ostasien. Doch im vergangenen Monat hat sich die Menge des durch den Kanal transportierten Benzins im Vergleich zum Vorjahr fast halbiert, berichtet Reuters.
Mindestens bis Ende des Jahres wird der Verkehr auf der Wasserstraße eingeschränkt sein, aber die Probleme könnten sich aufgrund des Wetters bis Februar hinziehen. Dies würde die Versorgung mit Produkten wie Heizöl beeinträchtigen, die im Winter stärker nachgefragt werden.
Analysten gehen laut Reuters davon aus, dass einige Raffinerien ihre Produktion drosseln müssen. Viele mussten bereits die Preise senken, damit sich der Transport des Benzins noch lohnt.
Handelsströme für Benzin werden umgelenkt
Große Abnehmer in Südamerika wie Chile oder in Asien wenden sich wegen der Schwierigkeiten am Panamakanal zunehmend von den Raffinerien an der US-Golfküste ab. Die Benzinexporte nach Chile sind auf dem niedrigsten Stand seit drei Jahren, in Asien ist die Kaufzurückhaltung so groß wie seit einem halben Jahrzehnt nicht mehr.
Experten gehen nun laut Reuters davon aus, dass die US-Raffinerien bei einer längeren Unterbrechung des Panamakanals gezwungen sein könnten, auf andere Länder auszuweichen. Ob damit auch europäische Länder gemeint sind, die freiwillig auf Importe aus Russland verzichten, blieb offen.
Hoffnungen und vermeintliche Lösungen
Während ausreichend Niederschläge die Probleme am Panamakanal lösen könnten, hofft man im Falle der Route durch das Rote Meer auf die von den USA angeführte Flottille. Allein ihre Ankündigung hatte den Effekt, dass sich die Energiemärkte etwas entspannten.
Allerdings könnte ihr Einsatz auch zu einer weiteren Eskalation führen. Die Huthis kündigten bereits Vergeltung an, sollten sie angegriffen werden. Und damit wird gerechnet, schreibt das Wall Street Journal (WSJ). Mit schiffsgestützten Tomahawk-Marschflugkörpern oder aus der Luft könnten demnach Raketenstellungen im Jemen angegriffen werden.