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Pilze und Verbote: Wie Gesetze und Genetik den Käse von morgen formen

Rohmilchkäse in Gefahr: Camembert, Brie und Roquefort sind Delikatessen. US-amerikanische Gesetze und genetische Monokulturen bedrohen eine Tradition des guten Geschmacks.

Der Wunsch der Verbraucher, weißen Camembert mit immer dem genau gleichen Geschmack kaufen zu können, hat nicht nur beim Camembert dazu geführt, dass für die Produktion nur ein einziger Pilzstamm verwendet wird: Penicillium camemberti.

Der Stamm wird nicht geschlechtlich vermehrt, sodass kein neues Erbgut [1] hinzukommt und der Pilzstamm im Laufe der Zeit die Fähigkeit verliert, für die Reproduktion notwendige Sporen zu bilden.

Dieses Schicksal steht auch anderen Käsesorten bevor, welche für ihre Reifung mit Pilzen geimpft werden. Neben dem Camembert sind von dieser Entwicklung auch der Brie und der Roquefort betroffen.

Es ist durchaus möglich, dass diese Käse in fünf bis zehn Jahren in der heutigen Form und Farbe sowie dem eingeführten Geschmack nicht mehr produziert werden können, weil die aktuell genutzten Pilze dann nicht mehr zur Verfügung stehen.

Nutzt man andere Pilzstämme zur Fermentation des Camembert können sowohl Farbe als auch Geschmack anders ausfallen.

Rohmilchkäse dürfen in den USA nicht verkauft werden

Viele Käsesorten, die in Frankreich beliebt sind, gelten in den USA als nicht verkehrsfähig [2]. Dazu zählen grundsätzlich alle Rohmilchkäse, weil in den USA nur Käse aus pasteurisierter Milch erlaubt ist.

Rohmilchkäse wie Epoisses ist somit verboten. Auch wohlschmeckender Ziegen-Rohmilch-Käse wie Sainte Maure de Touraine darf nicht in die USA importiert werden. Beim Roquefort [3] kam es zum ausgewachsenen Streit zwischen der EU und den USA.

Dem Reblochon wird zum Verhängnis, dass er traditionell nur 50 Tage gereift wird. Zu den verbotenen Käsesorten zählt Mimolette, der im Gegensatz zu den meisten Käsesorten für die Reifung Enzyme des Labs, genmanipuliertes mikrobielles Lab oder Milchsäurebakterien benötigt werden, braucht der Mimolette dafür Käsemilben.

Die sorgen auch dafür, das er seine grobe Rinde erhält. Käse die mit Käsemilben [4] produziert werden, gibt es inzwischen auch in Deutschland im Altenburger Land [5].

Käsestreit ist inzwischen in Europa angekommen

Wie viele US-amerikanische Entwicklungen ist auch der Streit um den Rohmilchkäse im letzten Jahrzehnt über den Atlantik nach Europa [6] geschwappt.

Rohmilchkäse lebt von den Bakterienstämmen, welche in der Milch ab Euter enthalten sind und nicht durch Erhitzen auf 73 Grad abgetötet wurden. Der Rohmilchkäse wird handwerklich von Käsern, die in der Tradition der regionalen Käseproduktion ausgebildet wurden hergestellt.

Ein Verbot von Rohmilchkäse ist in der EU zwar vom Tisch. Die Produkte müssen jedoch als Rohmilchprodukte gekennzeichnet sein, damit der Kunde über das mögliche Risiko, das er beim Verzehr dieser Produkte eingeht, informiert wird.

Für die industrielle Käseproduktion, wie sie Milchgroßkonzerne wie die französische Lactalis, einer der weltweit größten Käseproduzenten betreiben, bietet pasteurisierte Milch den großen Vorteil, dass sie der keimfreien Milch genau die Bakterien zusetzen können, welche den erwünschten Geschmack und die gewollte Konsistenz ergaben.

Und nicht zuletzt enthalten aus pasteurisierter Milch hergestellte Käse keine Bakterien mehr, welche den Reifeprozess nach dem Verlassen der Produktionsstätte weiter vorantreiben könnten. Schließlich ist es ja gar nicht erwünscht, dass sie in den Supermarktregalen noch weiter reifen.

Mangelnde Diversität als Folge der Industrialisierung

Die industrielle Lebensmittelproduktion, angefangen bei der Nutzung standardisierten Saatguts, das dafür sorgt, dass die Frucht immer zum gleichen Zeitpunkt reift, damit es möglichst maschinell geerntet werden kann, sorgt für eine Verminderung der Diversität.

Der Kunde fordert, dass die industriell hergestellten Lebensmittel immer die gleiche Form, Farbe und Geschmack haben. Die Verarbeitung zu Fertiglebensmitteln wird dann mit allerlei deklarierten oder nicht deklarationspflichtigen Stoffen so getrimmt, dass das Geschmacksempfinden sich wohlfühlt.

Dass qualitativ schlechtes Fleisch mit Hefeextrakt und allen möglichen Arten von Zucker aufgepimpt wird, wird nicht nur hingenommen, sondern geradezu gefordert.

Wenn die Bauern jetzt fordern, dass die EU auf die Forderung verzichtet, Teile der landwirtschaftlich genutzten Fläche brach fallen zu lassen, sorgen sie mit dem damit und dem Chemieeinsatz verbundenen Insektensterben, für eine Bedrohung ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten von morgen.

Wenn keine Insekten zum Bestäuben von Blüten [7] mehr vorhanden sind, gehen die Pflanzen zur Selbstbestäubung über, die wie beim industriellen Käsepilz dafür sorgt, dass kein neues Genmaterial eingekreuzt wird.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-9642291

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.geo.de/wissen/ernaehrung/camembert%E2%80%94forschende-warnen-vor-ende-des-pilzes-34481034.html
[2] https://www.watson.ch/leben/usa/294307445-in-den-usa-gilt-dieser-kaese-als-gefaehrlicher-als-ein-schnellfeuergewehr
[3] https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/frankreich-und-eu-klagen-im-fall-roquefort-6545701.html
[4] https://www.milbenkaese.de/manufaktur/
[5] https://www.sueddeutsche.de/stil/samstagskueche-dschungelcamp-auf-dem-butterbrot-1.3328964
[6] https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/kampf-der-kulturen-1675945.html
[7] https://www.spektrum.de/news/bluetenpflanzen-insektenschwund-foerdert-selbstbestaeubung-bei-pflanzen/2202158