Pkw-Antriebswende mit Kohlestrom
Das Bundesverkehrsministerium hat die Klimaziele verfehlt und legt Nachbesserungen vor, ohne auf Kritik an der alten Fixierung auf Auto- und Lkw-Verkehr einzugehen
Das Sofortprogramm des Bundesverkehrsministeriums für effektiveren Klimaschutz steht und fällt mit dem Strommix: Nachdem die Klimaschutzziele im Verkehrsbereich zuletzt erwartungsgemäß verfehlt wurden, musste Ressortchef Volker Wissing (FDP) an diesem Mittwoch ein Nachbesserungskonzept vorlegen. Als erster Punkt wird darin der "Auf- und Ausbau der Tank- und Ladeinfrastruktur für Pkw und Nutzfahrzeuge" genannt. Zweitens soll die "Energieeffizienz im Straßengüterverkehr" verbessert werden – durch "Förderung effizienter Lkw-Trailer".
Von einer Verlagerung auf die Schiene ist nicht die Rede. Von kurzfristig wirksamen Maßnahmen wie einem Tempolimit auch nicht – aber das ist keine Überraschung. "Ein Großteil dieser Maßnahmen wird aber erst nach und nach greifen", hatte Wissing am Mittwoch einleitend erklärt.
Drittens und viertens folgten die Punkte "Ausbauinitiative Radverkehrsinfrastruktur" – hier wird ein "Mehrbedarf" von 250 Millionen Euro bis 2030 genannt – und "Ausbau- und Qualitätsoffensive im ÖPNV". Hier wird darauf verwiesen, dass der Bund aktuell bereits den ÖPNV "im Rahmen des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (GVFG), über das Regionalisierungsgesetz sowie aus weiteren Förderprogrammen" finanziell unterstütze.
Ergänzend sollen mit den Ländern weitergehende Maßnahmen mit dem Ziel organisatorischer Verbesserungen und der Vereinfachung der ÖPNV-Nutzung vereinbart werden. Gemeint ist wohl, dass sich Wissing immerhin für bundesweit gültige ÖPNV-Tickets statt des "Tarifdschungels" ausspricht, was für Personen mit Monatsticket kurze Aufenthalte in anderen Städten vergünstigt. Eine Verlängerung des Neun-Euro-Monatstickets als Entlastungsmaßnahme lehnt Wissing jedoch ab.
Zudem soll das Arbeiten im Home- oder Mobileoffice durch Maßnahmen wie den gesetzlichen Grundlagen für das mobile Arbeiten und der Gigabitstrategie der Bundesregierung weiter gefördert werden, um Anfahrtswege einzusparen.
Wesentlicher Kritikpunkt ignoriert
Außerdem soll die nationale Treibhausgas-Minderungsquote "angepasst" werden – "ansteigend auf +1,0 Prozent in 2030 zur Stärkung der Erfüllungsoptionen, beispielsweise über strombasierte Kraftstoffe oder fortschrittliche Biokraftstoffe".
Auf die anhaltende Kritik von Umweltorganisationen wird damit kaum eingegangen. "Einzig mit technischen Lösungen und teuren Förderprogrammen für E-Autos wird es keine kurzfristigen Treibhausgas-Minderungen geben", hatte der Vorsitzende des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Olaf Bandt am Montag erklärt.
Es ist an der Zeit, die Blockadehaltung gegen das Tempolimit aufzugeben und zudem sämtliche klimaschädlichen Subventionen zu beenden. Klimaschutz im Verkehr werden wir nur mit einer echten Mobilitätswende, mit weniger Autos und Lkw erreichen.
Olaf Bandt, BUND
Strommix als Unsicherheitsfaktor
Tatsächlich setzt Wissing in erster Linie auf eine Antriebswende. Laut gutachterlicher Bewertung kann mit diesen Maßnahmen aber angeblich zusätzliche Einsparungen in einer Größenordnung von rund 13 Millionen Tonnen CO2- Äquivalente bis 2030 erreicht werden. Die Verfehlung im Jahr 2021 in Höhe von 3,1 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten wäre damit ausgeglichen.
Allerdings gab es bei der Bewertung der Maßnahmen einen großen Unbekannten – den Strommix. Dass der Einsatz von Kohlekraftwerken in nächster Zeit erst einmal wieder verstärkt werden soll, um in der Russland-Ukraine-Krise Gas zu sparen, ist in die Bewertung vom 11. Juli noch gar nicht eingeflossen. Wenn allerdings der Ausbau der Erneuerbaren Energien nicht bald Fahrt aufnimmt, ist ja nicht Wissings Ressort schuld.