Polen: Genug von der Werbe-Ikone Lewandowski?
Nach dem frühen Ausscheiden der Nationalelf aus der WM gerät der überalll in der Werbung präsente Fußballer, der zu den reichsten 100 Polen gehört, ins Visier der Kritik
Nach Robert Lewandowski ist Fußball "Kapitalismus pur.". Das sagte er vergangenes Jahr. Doch von dieser Betrachtungsweise hat man in Polen heute so langsam genug.
Ausgerechnet nach der 3:0 Niederlage gegen Kolumbien und dem Ausscheiden der polnischen Nationalelf wird Robert Lewandowski von dem Nachrichtenmagazin "Wprost" dafür gefeiert, dass er zu den "hundert reichsten Polen" gehört. Nach Berechnungen des Nachrichtenmagazins belaufe sich sein Vermögen auf 353 Millionen Zloty (rund 81 Millionen Euro).
Robert Lewandowski wirkt vor allem als Werbeträger. Wer in Polen lebt, kann seinem siegessicheren Lächeln kaum entkommen - im Internet, im Fernsehen und auf riesigen Plakatwänden strahlt es. Coca-Cola, Head&Shoulders, Vistuli, T-Mobile, Huawei, Gilette, Oshee sind nur die größeren Marken, für die er wirbt. PR-Strategen feilen schon seit Jahren daran, den gebürtigen Warschauer zu einer Werbe-Ikone wie Christiano Ronaldo oder seiner Zeit David Beckham zu formieren.
Noch im vorigen Monat hat sich Lewandowski von seinen alten Beratern getrennt und einen Vertrag mit Lagardère Sports unterschrieben, einem global führenden Unternehmen des Sportmarketings. Dieses soll ihn nun zu einer Weltmarke aufbauen.
Seine Kollegen haben etwas magerere Verträge. Die ganze Nationalmannschaft warb im feinen Zwirn auf ganzseitigen Zeitungsanzeigen für den Anzughersteller Vistula und wohl auch nolens volens für eine elitäre Attitüde. "Schönes Bild, aber was hat der Ball da zu suchen?", ätzte man nach dem Ausscheiden im Internet in einem der vielen Spottbilder.
Bei Welt- und Europameisterschaften wünschen sich die Zuschauer keine coolen Geschäftsmänner, sondern dass die jeweilige Mannschaft in Konkurrenz zu anderen Ländern der Nation zu Ruhm und Glorie verhilft. Das ist freilich keine originelle Erkenntnis. Fußball ist in Polen ein Massensport wie in Deutschland. In Zeiten des kargen Sozialismus konnte man den Vertretern des Westens mit heimischen Ballkünstlern Paroli bieten. So war es zumindest in den siebziger und achtziger Jahren.
Als der Fußballstar nach dem Spiel mit gesenktem Kopf dem Reporter Rede und Antwort stehen musste, war es recht still in einem Park mit Public-Viewing im Süden Warschaus. Der Kapitän der polnischen Nationalelf schob die Niederlage auf das Kollektiv, man habe ihm zu wenig zugespielt. Damit wollte er wohl die "Marke Lewandowski" schützen. Und die ist etwas wert. Robert Lewandowski, so Michal Mango aus "Urban Communications", ist das "Symbol verwirklichter Träume". Die Leute wollten den gleichen Lebensstil, den er vorlebt.
Seine Erfolge bei Borussia Dortmund und Bayern München haben zudem sehr viel für die deutsch-polnische Normalisierung getan. Auf polnischen Bolzplätzen dominiert das Bayern-Trikot oft über das von einheimischen Klubs. Doch gerade die Kinder sind nun besonders enttäuscht.
Mittlerweile hat Ehefrau Anna Lewandowska, medial ebenso omnipräsent wie der Gatte, die Kommentarfunktion auf Instagramm abgeschaltet, um den Wut und Spott der Polen nicht lesen zu müssen. "Er ist durch die Werbung mit Geld vollgepumpt, wieso soll er sich dann auf dem Feld anstrengen", so war ein typischer Kommentar zum Thema. Die Dominanz Lewandowskis in der Reklame ist derzeit Hauptthema in Polens Portalen, für großes Aufsehen erregte darum der rechtskonservative Journalist Agation Kozinski mit dem Vorschlag, man möge doch alle Firmen boykottieren, die Lewandowski bewirbt.
Kommt nun etwa eine Phase der Konsumkritik in Polen?
Interessanterweise haben hier Linke und der Premierminister der nationalkonservativen Regierung Mateusz Morawiecki ein gemeinsames Feld. Morawiecki, der in seiner Zeit als Banker gut an der Kauflust der Polen verdient hatte, warnt nun vor den Konsumkrediten und will die Bevölkerung zur Sparsamkeit erziehen. Dazu kommt auch, dass seit März nur noch zwei Sonntage im Monat verkaufsoffen sind.
Polen gilt weiterhin das Paradies für die Verkäufer von Konsumkrediten, das medial wie Schokoladeeis angepriesen wird. Das Verschuldungsvolumen hat sich so in den letzten fünf Jahren auf 29 Milliarden Zloty (6,7 Milliarden Euro) verdoppelt.
Doch das Thema Konsumkritik wird in der polnischen Öffentlichkeit, abgesehen von linken Zeitschriften wie der "Krytyka Polityczna" noch nicht verhandelt, am Rande kommt es in den Medien als Phänomen aus Amerika vor. Und das Zinnober, das jedesmal in den polnischen Medien veranstaltet wird, wenn wieder mal ein Sonntag ansteht, der nicht verkaufsoffen ist, zeigt, dass es hier starke Entzugserscheinungen gibt.
In Sachen Fußball scheint man sich an der Weichsel nach den alten Zeiten zu sehnen, die viele gar nicht erlebt haben. Wie ein Trio von Mittdreißigern, die Sonntagnacht mit der U-Bahn vom Public Viewing nach Hause fahren: "Unter den Kommunisten hatte es unser Fußball doch besser, da kamen wir noch in der Weltmeisterschaft (1974 und 1982) auf den dritten Platz." Ein Spruch, den man in dieser Form immer wieder hört.
Es gibt allerdings kein Entkommen: Die Werbeverträge sehen jedenfalls vor, dass die Kampagnen mit den Fußballern weiter gehen, somit werden die Polen weiterhin mit der Nationalelf konfrontiert, die "besser in der Reklame als auf dem Platz spielt", wie der Super Express auf der Titelseite moniert.