Polen: "Kapital hat eine Nationalität"
Die Regierung propagiert den "Wirtschaftspatriotismus" und den Kauf polnischer Waren
Die polnischen Abendnachrichten des Staatsfernsehens TVP berichteten kürzlich über die patriotische App für Smartphones: Mit "Pola" (Feld) angeblich geprüft werden, ob die Ware im Supermarkt wirklich polnisch ist. Mit ihr lässt sich über den Strichcode herausfinden, "wie viel von unserem Geld in unserem Land bleibt."
Die Erfindung des konservativen Thinktanks "Klub Jagiellonski" ist nicht wirklich neu, doch wird sie im TVP-Bericht als Teil der neuen wirtschaftspatriotischen Bewegung in Polen gefeiert. Mit der seit dem Herbst 2015 regierenden Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) gilt - noch vor dem Trump-Zeitalter - "Polen zuerst".
Wirtschaftsminister Mateusz Morawiecki will eine polnische Industrie aufbauen und den Einfluss westlicher Konzerne zurückdrängen. "Moloche" nennt sie Adam Abramowicz, der Vorsitzende der "Parlamentariergruppe für patriotische Volkswirtschaft". Nach dem Politiker der PiS werden nun die Banken "repolonisiert" - gemeint ist der anstehende Kauf von Aktien der italienischen Großbank Unicredit, die den Großteil der Anteile der polnischen Universalbank Pekao hält.
Für ausländische Medien ist ab Sommer ein Gesetz vorgesehen, dass den Zwangsverkauf von Titeln beinhaltet. Dies betrifft besonders Ringier-Springer, den Bauer Verlag sowie die Verlagsgruppe Passau. Zudem soll ein künftiges Gesetz zur Ausschreibung von Aufträgen bei öffentlichen Projekten mittlere und kleinere polnische Firmen bevorzugen.
"Das Kapital hat eine Nationalität", wiederholt Mateusz Morawiecki immer wieder gern. Er will die Polen zu einem neuen Staatsvertrauen erziehen und sie trotz Nullzinsen zum Sparen animieren, ein entsprechendes Programm soll im kommenden Jahr starten. Offene Türen rennt darum der von der rechten Zeitung "Gazeta Polska" gegründete "Wirtschaftsrat der Freien Wort Zone" ein, als er jüngst forderte, dass Wirtschaftspatriotismus an den Schulen gelehrt werden solle. Grund zum Feiern gibt es: Der polnischen Wirtschaft geht es offiziell gut, die Arbeitslosenrate liegt bei 5,3 Prozent, das Bruttoinlandsprodukt soll dieses Jahr um knapp vier Prozent wachsen.
Jedoch verfällt die Rhetorik des Regierungslagers zunehmend dazu, Polen als "Verteidiger seiner Interessen" und den Staat als den großen Wirtschaftslenker darzustellen. So erklärt die Nachrichtensendung des Staatsfernsehens den Erfolg der Deutschen vor allem durch das starke Engagement der deutschen Regierung. Und oft wird das westliche Nachbarland dann als Gegner dargestellt. Dabei ist gerade die polnische Erfolgsfirma "Solaris Bus & Coach", die nach eigenen Angaben in Deutschland die Nummer drei ist, was den Verkauf von Stadtbussen angeht, ein Beispiel für bilaterale Kooperation. Das Unternehmen arbeitet mit mehreren Technischen Universitäten in Deutschland zusammen, um seine Elektro- und Hybridbusse weiter zu entwickeln.
Auf die neue Patriotismuswelle in Polen haben die Hersteller mit der Kennzeichnung von Produkten mit polnischen Fahnen reagiert, schließlich achtet nach aktuellen Umfragen beim Supermarkteinkauf rund die Hälfte der Kunden auf die Herkunft. Allerdings erlauben die meisten Supermärkte in Polen das Anvisieren des Strichcodes via Smartphone nicht.
Das Smartphone-App soll über die Kriterien: "Produziert in Polen, Entwicklung und Forschung in Polen, registriert in Polen, ist nicht Teil eines ausländischen Konzerns" den Grad des Polnischseins eines Produktes feststellen. Dabei können auch exotische Produkte hoch bewertet werden, wichtig ist, wieviel polnisches Kapital mit dem Produkt verbunden ist.
In Tschechien gibt es Widerstand gegen polnische Lebensmittel
Gegenreaktionen auf einen zu großen Einfluss ausländischer Produkte gibt es auch in Tschechien. Hier richten sich die Abwehrmaßnahmen allerdings gegen Polen. 82 Prozent der polnischen Lebensmittel werden in EU-Länder exportiert, besonders dominieren polnische Erzeugnisse im benachbarten Tschechien. Da es in der EU keine Zölle gibt, warnen tschechische Medien, Politiker sowie Behörden vor polnischen Lebensmitteln. Letzte Aktion war eine Beschwerde des tschechischen Veterinäramts, die polnischen Kollegen würden ihre Arbeit nicht sauber verrichten, was diese zurückwiesen.
Im vergangenen Herbst wurden fünf Millionen polnische Hühnereier wegen eines Salmonellenvorfalls vernichtet. Allgemein warnen Politiker vor dem Verzehr polnischer Lebensmittel, sie hätten zu viele Pestizide. Der tschechische Finanzminister Andrej Babiš nannte polnische Lebensmittel im Fernsehen einmal "Scheiße", die er nicht essen würde. Polnische Medien griffen darum in der vergangenen Woche gerne auf, dass der "Feind der polnischen Lebensmittel" in eine Affäre verwickelt sei - er habe versucht, Journalisten für eine positive Berichterstattung unter Druck zu setzen. Berichtet wurde zudem, dass der umtriebige Babiš Besitzer der Firma Agrofert ist, die sich unter anderem mit dem Import polnischer Lebensmittel befasst. Auf einen klaren Frontverlauf darf man anscheinend beim Wirtschaftspatriotismus nicht hoffen.