Portugal macht Grenzen in höchster Covid-Not dicht

Lissabon leer und ausgestorben im Lockdown 2. Foto: Ralf Streck
Im Land verbreitet sich die britische Variante schnell, weshalb Portugal derzeit die höchsten Ansteckungsraten weltweit verzeichnet
Angesichts der dramatischen Coronavirus-Lage hat Portugal nun auch die Landesgrenze zu Spanien fĂŒr mindestens zwei Wochen geschlossen. Seit Mitternacht ist der Verkehr massiv eingeschrĂ€nkt, nur einige GrenzĂŒbergĂ€nge sind noch dauerhaft geöffnet, andere fĂŒr GrenzgĂ€nger jeweils zwei Stunden am Morgen und zwei Stunden am Abend. Auch der internationale Flugverkehr ist gröĂtenteils eingestellt. Der vor den PrĂ€sidentschaftswahlen weiter verschĂ€rfte Lockdown [1] wurde erneut verlĂ€ngert, nun mindestens bis zum 14. Februar.
Das Land mit nur 10 Millionen Einwohnern verzeichnet nun weltweit mit 848 die höchste 7-Tage-Inzidenz [2] vor Montenegro und dem spanischen Nachbarn. Obwohl am Wochenende stets weniger FÀlle gemeldet werden, wurden am Samstag erneut 293 Tote und 12.435 neue Infektionen registriert [3]. Im Januar wurden so viele Tote registriert wie in den letzten 12 Jahren nicht mehr [4].
Portugal befindet sich praktisch nun wieder in einer Situation wie im FrĂŒhjahr. GeschĂ€fte und Kneipen waren ohnehin lĂ€ngst dicht, doch die Notbremse war offensichtlich nun viel zu spĂ€t gezogen worden, weshalb nun erneut die Grenzen gesperrt wurden [5]. Der groĂe Unterschied zum FrĂŒhjahr, als frĂŒhzeitig gehandelt worden war, um das Gesundheitssystem vor dem Kollaps zu bewahren [6], ist aktuell, dass das Land nun an der Ăberlastungsgrenze angelangt ist. Vor KrankenhĂ€usern wie z.B. dem Krankenhaus Santa MarĂa in Lissabon, bilden sich zum Teil lange Krankenwagen-Schlangen, weil die Patienten nicht mehr in der Notaufnahme aufgenommen werden können [7].
Es fehlen aktuell BeatmungsgerĂ€te, sogar der Sauerstoffvorrat werde knapp, wird aus einigen HospitĂ€lern berichtet. Gemeldet wird, dass nun KĂŒhltransporter wie in Caldas da Rainha eingesetzt werden mĂŒssen [8], da auch die Leichenhallen in einigen KrankenhĂ€user ĂŒberlastet sind. Es werden pensionierte Ărzte und auch Medizinstudenten mobilisiert, damit die Lage nicht völlig auĂer Kontrolle gerĂ€t.
"Unvorstellbare Situation"
Mehr als 800 Menschen kĂ€mpfen derzeit auf Intensivstationen um ihr Leben, das ist ein neuer Rekord in der Pandemie. Man befinde sich in einer "unvorstellbaren Situation", erklĂ€rte die Direktorin des Krankenhauses Anabela Oliveira. "Die Situation kann sich in den nĂ€chsten Tagen nur verschlimmern", kĂŒndigte sie an.
Auch Regierungschef AntonĂo Costa bereitet die Bevölkerung auf "sehr harte Wochen" [9] vor. Der Sozialist rĂ€umt einige Fehler in der dritten Welle ein. "Es ist klar, dass die Dinge sehr schlecht laufen", erklĂ€rte er vor dem exponentiellen Wachstum, mit dem ein Anstieg an Einweisungen und eine "dramatische Anzahl von TodesfĂ€llen" einhergehe.
Wie die Experten geht auch Costa davon aus, dass die nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO deutlich ansteckendere Mutante aus GroĂbritannien das Land fest im Griff hat. Etwa 20 Prozent aller Neuinfektionen werden dieser Variante zugerechnet, im GroĂraum um die Hauptstadt Lissabon sollen es sogar schon etwa 50 Prozent sein [10]. HĂ€tte man die rechtzeitig erkannt, wĂ€ren die "MaĂnahmen an Weihnachten sicher anders ausgefallen", erklĂ€rte er. Zu den Festtagen hatte man die SchutzmaĂnahmen fast völlig auĂer Kraft gesetzt.
Experten verweisen darauf, dass die britische Variante Kinder und junge Menschen stĂ€rker infiziere. Die KrankenhĂ€user sind nun - wie die Infektiologie-Abteilung des Dona-EstefĂąnia-Krankenhauses in Lissabon - auch mit jungen Leuten gefĂŒllt. Die Leiterin der Abteilung, Maria JoĂŁo Brito, weist darauf hin, dass man die KapazitĂ€t habe ausweiten mĂŒssen. Es seien 16 weitere Betten in einem neuen Raum aufgestellt werden, erklĂ€rt die KinderĂ€rztin. Von einem 12 Tage alten Kind bis zu 17-jĂ€hrigen seien nun alle Altersgruppen vertreten [11]. "Diese Variante betrifft jeden, verschont niemanden", erklĂ€rt sie.
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[1] https://www.heise.de/tp/features/Ueberraschung-bei-Praesidentenwahl-in-Portugal-5033893.html
[2] https://www.corona-in-zahlen.de/weltweit/
[3] https://www.publico.pt/2021/01/30/sociedade/noticia/fronteiras-repostas-autoconfinamento-vigor-portugal-volta-fecharse-1948629
[4] https://www.publico.pt/2021/01/31/sociedade/noticia/pandemia-faz-esperanca-vida-65-anos-descer-1948456
[5] https://www.heise.de/tp/features/Portugal-zieht-die-Notbremse-in-der-dritten-Corona-Welle-5023586.html
[6] https://www.heise.de/tp/features/Die-Corona-Katastrophe-in-Portugal-ausgefallen-4702934.html
[7] https://www.atlantico.net/articulo/mundo/hospitales-portugal-situacion-inimaginable/20210130010216819111.html
[8] https://poligrafo.sapo.pt/fact-check/hospital-de-caldas-da-rainha-esta-a-utilizar-camiao-frigorifico-para-guardar-mortos
[9] https://tvi24.iol.pt/politica/antonio-costa/claramente-nesta-terceira-vaga-as-coisas-estao-a-correr-muito-mal
[10] https://www.publico.pt/2021/01/28/ciencia/noticia/variante-reino-unido-representa-50-casos-lisboa-vale-tejo-1948386
[11] https://www.publico.pt/2021/01/30/ciencia/noticia/ajuda-variante-virus-tambem-chega-forca-novos-1948460
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