Private Militärfirmen unter Druck

Der Rückgang der Sicherheit im Irak führte nicht zu einer Erhöhung der Nachfrage nach privater Sicherheit, da Firmen und Botschaften den Umfang ihrer Tätigkeit reduzieren

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Seit der Invasion der Koalitionstruppen im Frühjahr 2003 verschlechtert sich die Sicherheitslage im Irak zunehmend (Bombenstatistik), da es den Koalitionstruppen nicht gelingt, die Kontrolle über das Land zu erlangen. Trotzdem ist eine Erhöhung der amerikanischen Truppenstärke angesichts des innenpolitischen Drucks mehr als unwahrscheinlich. Die hohe Zahl von bisher über 2.000 getöteten und verwundeten Soldaten sollte durch den Aufbau der irakischen Polizei und der Armee verringert werden, doch auch die irakischen Einheiten sind nur bedingt fähig, die Lage zu beherrschen. Bisher sind weit über 5.000 Soldaten und Polizisten getötet worden.

Andere im Irak agierende Gruppen vereichnen ebenfalls mit über 600 Toten hohe Verluste - allerdings handelt es sich dabei nicht um staatliche Akteure, sondern um eine Vielzahl von im Irak tätigen privaten Militärfirmen (PMCs) mit bis zu 6.000 ausländischen Sicherheitsdienstleistern. Während die Entwicklung der Umsätze und Aufträge nach dem sogenannten "Ende der Hauptkampfhandlungen" im Jahr 2003 in Zusammenhang mit der bleibenden Unsicherheit geradezu explodierte, betrug der Verdienst der ausländischen Spitzenkräfte unter den Sicherheitsdienstleistern bis zu 1.200 Dollar pro Tag. Trotz der gefährlichen Einsätze in einem sich verschlechternden Sicherheitsumfeld war die Bezahlung Motivation genug, auch angesichts steigender Verluste unter den Contractors für längere Zeit im Irak Dienst zu tun.

Die aktuelle Lohnentwicklung entspricht jedoch immer weniger der Gefährlichkeit der Lage im Irak. Aufgrund sich erhöhender Risiken müssten die Löhne der Contractors eigentlich steigen, doch angesichts der immer heftigeren Auseinandersetzungen sinkt die Risikofreudigkeit ausländischer Firmen, sich im Irak überhaupt zu betätigen. Dieses sinkende Interesse führt zu weniger Aufträgen für private Militärfirmen und damit zu höherer Konkurrenz bei den Anbietern privater Sicherheit. Ein anderer Faktor, der zu einer sinkenden Nachfrage für private Sicherheit führt, ist der Stand des Wiederaufbauprogramms.

Obwohl der Irak momentan kaum als wieder aufgebaut bezeichnet werden kann, ist doch die große Mehrzahl der US-finanzierten Projekte bereits abgeschlossen. Angesichts der eskalierenden Gewalt scheint es fraglich, ob die restlichen Projekte tatsächlich noch realisiert werden, da Projektmittel teilweise für die Absicherung anderer Projekte umgeschichtet werden. So waren schon im Jahr 2005 bis zu 25 Prozent der Budgets für die Erbringung von Sicherheit durch PMCs vorgesehen. Da jedoch Projekte und Projektmittel knapper und auch die Aktivitäten der Botschaften aufgrund der geringen Sicherheit im Land verringert werden, fordern die beauftragenden Stellen bei der Neuvergabe von Aufträgen an private Militärfirmen deutliche Preisnachlässe. Angesichts der Lage bleiben den Firmen nur zwei Optionen: die Preise zu senken oder sich aus dem Markt zurückzuziehen.

So war die britische Control Risk Group gezwungen, ihre Leistungen für die britische Botschaft im Irak zu deutlich verringerten Preisen anzubieten, um eine Verlängerung des Vertrags zu erreichen. Die Firma kompensierte diese Umsatzeinbußen, indem die Löhne des Personals um 19 bis 27 Prozent gesenkt wurden. Dies führte zu massiven Protesten und der Androhung von Kündigungen durch das Personal. Offensichtlich wurde der Konflikt nicht einvernehmlich gelöst, denn eine größere Anzahl des Personals von CRG verließ den Irak.

Eine weitere Strategie der Kostensenkung liegt in der Rekrutierung ehemaliger Soldaten aus der Dritten Welt, deren Gehälter wesentlich niedriger sind. Mitarbeitern von PMCs zufolge liegen die gegenwärtigen Raten für die Konvoi-Sicherung je nach Erfahrung um 500 Dollar pro Mann und Tag. Angesichts dieser Kosten ist die Einstellung eines Contractors aus der Dritten Welt mit ca. 175 Dollar pro Tag ein Weg, die Personalkosten deutlich zu reduzieren. Noch günstiger sind nepalesische Gurkhas, die mit 35 Dollar pro Tag nur einen Bruchteil des Gehalts eines amerikanischen oder britischen Contractors verdienen. Am Ende der Gehaltsleiter stehen mit 15 Dollar irakische Angestellte, die hauptsächlich in der Objektsicherung eingesetzt werden, aber ebenfalls hohe Risiken tragen. Außerdem erwächst den ausländischen PMCs mittlerweile einheimische Konkurrenz, da auch irakische PMCs zunehmend um Aufträge für den Schutz von Objekten konkurrieren und dabei ihren Preisvorteil ausspielen können.

Die zweite Option der ausländischen Private Military Companies ist der Ausstieg aus dem Markt Irak. Der UN zufolge wurden allein im Zeitraum Mai-Juni 2006 fast 6.000 Zivilisten getötet. Angesichts einer zu erwartenden Verringerung der Nachfrage und sinkenden Gewinnspannen bei steigenden Risiken scheint eine Exit-Strategie vor allem für kleinere Firmen sinnvoll. Zu erwarten ist eine weitere Bereinigung des Sicherheitsmarkts Irak, bei der vor allem die großen Firmen wie Aegis und Blackwater vor Ort bleiben werden.

Mögliche Folgen

Der Marktaustritt von Militärfirmen im Irak wird auch außerhalb des Irak zu einer weiteren Konsolidierung des Marktes führen. Dies resultiert hauptsächlich aus drei Problemen. Erstens ist eine Vielzahl von Firmen während des Irak-Booms entstanden und gewachsen. Es ist unklar, inwieweit diese Firmen in der Lage sind, neue Kunden zu erschließen. Zweitens sind viele der Firmen für eine Verbreiterung des Dienstleistungs-Portfolios zu klein. Das Angebot an qualitativ hochwertigen Leistungen im Sicherheitsbereich, das im Internet oder in Hochglanzbroschüren dargestellt wird, benötigt erstklassiges Personal. Der Pool an hochqualifiziertem Personal im Sicherheitsbereich ist jedoch begrenzt, was sich in der Zahlung hoher Gehälter niederschlägt. Diese Gehälter können durch kleinere Firmen nicht oder nicht dauerhaft gezahlt werden, so dass drittens qualifiziertes Personal vor allem bei den größeren Firmen unterkommt.

Die Folgen der Konsolidierung sind nicht vollständig absehbar. Potentiell positiv ist, dass eine begrenzte Anzahl von größeren Firmen leichter rechenschaftspflichtig gemacht werden kann. So wird die Firma Blackwater durch Angehörige von in Falludscha getöteten Contractors verklagt, da Blackwater der Klage zufolge wesentliche Sicherheitsvorkehrungen unterlassen habe. So wurden anstelle von gepanzerten lediglich ungepanzerte Fahrzeuge genutzt, die nur mit zwei Mann statt mit drei Contractors besetzt waren.

Die Bereinigung im Bereich der PMCs kann jedoch zu weiteren Problemen führen. Der Versuch der Erschließung neuer Kunden und Märkte durch private Militärfirmen könnte zur Tätigkeit für zweifelhafte Auftraggeber führen. So war die israelische Firma Spearhead in Kolumbien tätig, wo auch Angehörige der Paramilitärs und der Mafia trainiert wurden. Ein anderes potentielles Problem ist die mögliche Tätigkeit der PMCs für Konfliktparteien bei Auseinandersetzungen wie in Angola oder Papua Neu-Guinea, die zu weiterer Instabilität führen kann.

Ein weiteres Problem kann auf der Ebene der einzelnen Sicherheitsdienstleister entstehen. Ein Ende der Nachfrage wird zu geringerer Entlohnung bzw. zu einem Wegfall der Beschäftigung vor allem bei geringer qualifizierten Contractors führen. Eine Tätigkeit in anderen Konfliktgebieten für unterschiedliche und möglicherweise zweifelhafte Auftraggeber ist nicht auszuschließen, dann allerdings nicht mehr innerhalb der Hierarchie einer PMC, was zu einem Wiederaufleben des klassischen Söldners mit den bekannten Kontrollproblemen führen könnte. So wurden ehemalige Angehörige der aufgelösten PMC Sandline im Jahr 2004 in Zimbabwe auf dem Weg zu einem Putschversuch in Äquatorial-Guinea verhaftet. Ob dies eine unrühmliche Ausnahme darstellt, bleibt abzuwarten. Da der Irak jedoch zunehmend in Richtung Bürgerkrieg steuert, dürften sich auch die Entwicklungen auf dem Markt der PMCs beschleunigen.