Möglicher Kollaps der Ukraine: Besorgte Blicke und Schweigen in Kiew
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Ukraine, kaputt. Bild: Daniil Tokmakov/ Shutterstock.com
Kiew gerät zunehmend unter Druck. Russische Truppen dringen an mehreren Frontabschnitten vor. Nun gab es im Parlament eine eindringliche Warnung.
Im Osten der Ukraine toben weiter heftige Kämpfe und es wird immer klarer: Die Zeit spielt gegen Kiew. Bei einem Treffen mit Parlamentariern des Landes soll der Chef des ukrainischen Militärgeheimdienstes GUR, Kyrylo Budanow, nun eindringlich gewarnt haben: Wenn bis zum Sommer keine ernsthaften Verhandlungen mit Russland stattfänden, "könnten gefährliche Prozesse in Gang kommen, die die Existenz der Ukraine bedrohen". Das geht aus einem Bericht der Online-Zeitung Ukrajinska Prawda hervor.
Trotz erbittertem Widerstand der Truppen Kiews und offenbar hoher Verluste auch auf russischer Seite scheint die Kriegslage für die Ukraine ungünstig zu entwickeln. Budanows Stellungnahme habe bei der Sitzung für Aufsehen gesorgt, berichtete die Ukrajinska Prawda unter Berufung auf eine anonyme Quelle: "Alle warfen sich besorgte Blicke zu und verstummten."
Indiz für die prekäre Lage der Ukraine
Budanow gilt als Hardliner, der russische Verluste stets betont. Seine unverhohlene Warnung ist daher ein weiteres Indiz dafür, wie ernst die Lage aus Sicht der ukrainischen Seite ist.
Ein ähnlich düsteres Bild zeichnet ein Bericht des britischen Economist. "Die Ukraine kämpft jetzt um einen Achtungserfolg, nicht mehr für den Sieg", heißt es dort.
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Russische Truppen würden an Teilen der Front weiter durch die ukrainischen Verteidigungslinien vorstoßen. Das Hauptproblem sei weniger der Verlust an Territorium, sondern die stetige Erosion von Größe und Schlagkraft der ukrainischen Streitkräfte. Einheiten seien unterbesetzt und überstrapaziert, sie seien ausgedünnt durch hohe Verluste.
Ernüchternde Einschätzung aus London
"Moskau scheint darauf zu setzen, dass es seine Ziele im Donbas im Laufe des Jahres erreichen und der ukrainischen Armee eine so hohe Zahl an Opfern und materiellen Schäden zufügen kann, dass sie nicht mehr in der Lage sein wird, weitere Vorstöße zu verhindern", schreibt der Militärexperte Jack Watling vom britischen Royal United Services Institute. Das wäre ein Kipppunkt und würde Russlands Position in kommenden Verhandlungen verbessern.
Die USA scheinen ihre Rhetorik daran anzupassen. "An diesem Punkt denken wir mehr und mehr darüber nach, wie die Ukraine überleben kann", zitiert der Economist einen Experten des Pentagons. Die ehrgeizigen Ziele vom Frühjahr 2023, eine Rückeroberung des Territoriums oder ein Schlag gegen Russland durch einen gezielten Vorstoß, seien dem Versuch gewichen, eine Niederlage zu verhindern.
BBC: Kiew strebt eher Verhandlungen an
Auch BBC-Korrespondent Paul Adams konstatiert: "Mit wenig Anzeichen, dass der Kreml ähnliche Gesten macht, versucht die Regierung in Kiew eindeutig, möglichen Verhandlungen unter Präsident Trump zuvorzukommen." Präsident Wolodymyr Selenskyj präsentiere sich zudem geschickt als möglicher Geschäftspartner für Trump.
Doch ohne konkrete Sicherheitsgarantien wären Verhandlungen für Kiew riskant. Andrij Jermak, Leiter des Präsidialamtes, betonte gegenüber dem ukrainischen Rundfunk: "Es ist entscheidend, verlässliche rechtliche und praktische Garantien zu haben." Frühere entsprechende Zusagen hätten sich nicht in einem Mehr an Sicherheit niedergeschlagen, das sei die bittere Erkenntnis.
Die Zeit drängt für die Ukraine. Massive westliche Unterstützung mit Waffen und die Vereinbarung echter Sicherheitsgarantien scheinen unabdingbar, um eine Niederlage abzuwenden. Sonst könnten Budanows Warnungen bittere Realität werden – mit unabsehbaren Folgen nicht nur für die Ukraine, sondern dann auch für Europas Sicherheitsordnung.