"Project Alpha" - Magier undercover
Geheime Mission im Parapsychologie-Labor
Der amerikanische Flugzeugpionier und Rüstungsindustrielle James S. McDonnell war für seine Neigung zu allerhand okkultem bekannt. Seinen Kriegsflugzeugen gab er mystische Namen wie "Banshee", "Demon", "Voodoo", "Goblin" und "Phantom". Die seit dem zweiten Weltkrieg mit seinen Tötungsmaschinen erwirtschafteten Gewinne investierte der honorige Menschenfreund in die 1950 gegründete James S. McDonnell Foundation, die sich um die Förderung von Lebensqualität verdient machen sollte. 1979 (sieben Jahre nach den SRI-Experimenten mit Uri Geller) finanzierte er der Washington University in St. Louis, Missouri, das "McDonnell Laboratory for Psychical Research" (MacLab), dessen Leiter, der Physiker Prof. Peter R. Phillips, seriöse und gut ausgestattete Grundlagenforschung durchführen sollte.
Für besonders Psi-begabt hielt Phillips Kinder und Jugendliche, die durch Gedankenkraft wie Geller Metall verbiegen sollten. Unter 300 Bewerbern entdeckte Phillips die beiden hochbegabten Jugendlichen Michael Edwards (17) und Steven R. Shaw (18), welche die Forscher über einen Zeitraum von geschlagenen drei Jahren in insgesamt 180 Laborstunden in Atem hielten und für eine Sensation nach der anderen sorgten.
Randis "Caveats"
Als der Ober-Skeptiker James Randi von Phillips Plänen hörte, hatte er ihm ein Prüfungsprotokoll mit Regeln übersandt, sogenannte "Caveats" (von lateinisch "cave" für "warnen"), welche systematisch Täuschung und Irrtümer ausschließen sollten. Zudem hatte der Trickexperte seine kostenlose Mitarbeit angeboten. Phillips hatte dankend abgewinkt. Er sollte es bitter bereuen. Eine Farce, die man sich verrückter nur schwer hätte ausdenken können, nahm nun ihren Lauf.
Nicht wenige Parapsychologen waren der Ansicht, dass es für das Ansehen der Forschung durchaus von Interesse sei, Täuschungsversuche professionell auszuschließen. Einer hatte sogar vorgeschlagen, zu Testzwecken Zauberkünstler undercover in Labors zu senden. Randi, der selbst 1973 während der Gellermania in London Nobelpreisträger über seine angeblich übersinnlichen Fähigkeiten getäuscht hatte, beschloss daraufhin, mit dem Labor selbst zu experimentieren und plante das Geheimprojekt "Alpha": "Was würde passieren, wenn zwei junge Taschenspieler als Mentalisten posierend in ein gut situiertes parapsychologisches Universitätsforschungslabor eingeschleust werden?" Randi instruierte seine Mitverschwörer, den Krankenhausangestellten Steve Shaw und den Jurastudenten Michael Edwards, beide erfolgreiche und an ihren Wohnorten als solche bekannte Amateurzauberkünstler. Auf die Frage, ob sie Tricks benutzen, sollten sie antworten: "Ja, und wir wurden von James Randi geschickt."
ESP
Von Anfang an hatte man im MacLab Randis Hinweise ignoriert und es den Alpha-Boys äußerst leicht gemacht. Dies ist umso erstaunlicher, als dass man tatsächlich Amateurzauberkünstler bei den Experimenten konsultiert hatte. So sollten etwa Bilder, die in versiegelten Umschlägen hinterlegt waren, mental erraten werden. Da man die beiden mit den Kuverts, die nur mit Heftklammern versiegelt waren, unbeaufsichtigt im Raum ließ, bogen sie die Heftklammern einfach auf und schauten nach.
Um die Tester nicht zu erschrecken, reduzierten sie ihre 100%igen Ergebnisse, indem sie bewusst Fehler machten. Als Edwards einige der aufgebogenen Heftklammern verlor, öffnete er beim späteren Vergleich im Einverständnis mit den Prüfern spontan selber(!) die Umschläge, um den faux pas zu kaschieren. Bei einem anderen Test, bei dem sich die beiden Talente Zeichnungen telepathisch zusenden sollten, hielten die Forscher heimliche Kommunikation für ausgeschlossen. Die Experimente glückten, weil sich die Gedankenleser mit einem "heiß" und "kalt"-System an das richtige Ergebnis nonverbal herantasten konnten.
Psychokinese
Manche Testgegenstände waren lediglich mit Papierstreifen markiert, welche die beiden einfach vertauschen konnten. Scheinbar noch unberührte Gegenstände konnten auf diese Weise später "psychokinetisch deformiert" werden.
Shaw sollte einen Metallstab psychokinetisch verbiegen, der in einem angeblich nicht ohne Werkzeug zu öffnenden Acrylbehälter eingeschlossen war. Shaw gelang es, den Behälter durch Quetschen mit dem Fingerfleisch heimlich zu öffnen, den Stab um 90 Grad zu verbiegen und wieder zurückzustecken, um ihn später offiziell zu verbiegen.
In einem Elektronikschaltkreis sollten die Testpersonen die Lebensdauer von Sicherungen verkürzen. Die routinierten Manipulatoren erzielten sensationelle Ergebnisse, indem sie die Sicherungen einfach mit bereits durchgebrannten vertauschten. Außerdem fanden sie heraus, dass heimliches Pressen von Bauteilen der Sicherungen bei den späteren Experimenten zu ungewöhnlichen Messergebnissen führte.
Shaw schlug vor, eine Videokamera mental zu beeinflussen. Er gestikulierte mystisch vor dem Gerät, und tatsächlich wurde der Film mysteriöserweise an manchen Stellen unscharf. Shaw hatte sich einfach nach vorne gebeugt und an den Reglern gefummelt, als das Personal nicht aufmerksam war. Der Film wurde später im offiziellen Bericht verwendet. Ein kleiner Papierrotor, der auf einer Nadel ruhte, sollte zum Drehen gebracht werden. Die Versuchsanordnung wurde von der Außenwelt durch eine Uhrenkuppel isoliert, die auf einem Holzpodest mit einer entsprechenden Rille stand. Die Alpha-Boys demonstrierten, dass selbst ein statisch aufgeladener Plastikkamm den Rotor nicht zum Drehen brachte, schafften es jedoch durch Psychokinese. In Wirklichkeit hatten sie heimlich eine Schicht aus Aluminiumfolie in der Rille platziert, so dass die Kuppel nicht hermetisch verschlossen war und pusteten einfach unauffällig auf die entsprechende Stelle.
Bei einem anderen Experiment waren Würfel und andere kleine Gegenstände über Nacht in einem gut gesicherten Aquarium eingeschlossen worden. Phillips trug die Schlüssel persönlich an einer Halskette. Der Mann staunte nicht schlecht, als anderntags die Gegenstände kabbalistische Symbole formten. Die Alpha-Boys hatten heimlich ein Fenster offen gelassen, dem Labor einen nächtlichen Besuch abgestattet und die Schlösser fachmännisch geöffnet. Das versiegelte Aquarium war von einem Amateurzauberer entwickelt worden, der daraufhin an die Fähigkeiten von Shaw und Edwards zu glauben begann.
Der Parapsychologe Michael Thalbourne prägte für die Alphaboys den Begriff "Psychokineten". (Bereits Prof. J.B. Rhine verwendete in den 30er Jahren den Terminus "Psychokinese" für die Beeinflussung von Materie durch Gedankenkraft, der die ältere Bezeichnung "Telekinese" ablösen sollte, welche auch kinetische Beeinflussung aus dem Reich der Geister einschloss.) Manche glaubten, die sogenannten "Poltergeistphänomene" beruhten auf "psychokinetischer Energie", welche pubertierende Kinder unbewusst abstrahlten.
Freundliche Forscher
Von Anfang an hatten Phillips und seine Kollegen an ihre beiden Wunderkinder geglaubt und hielten Täuschung von vorneherein für ausgeschlossen, sodass man ihnen allerhand Freiräume gewährte. Eine Verschärfung der Prüfungsbedingungen, etwa durch Videoüberwachung, konnten die beiden durch Beschwerden über die befürchtete negative Testatmosphäre abwenden. Wie Uri Geller tischten sie den Forschern erfundene Geschichten auf, zu welchen Streichen sie ihre besonderen Fähigkeiten benutzt hätten. In ihrer Kindheit wollten sie Elektroschocks erlitten haben, wodurch sie ihre Fähigkeiten erworben hätten. Man nahm ihnen die Märchen unbesehen ab. Randis konstante Bemühungen, doch noch als Prüfer akzeptiert zu werden, verhallten lange ungehört.
Im Juli 1981 schließlich streute Randi auf einem Zaubererkongress Hinweise auf sein geheimes Manöver. Schon wenige Tage später erreichte das "Gerücht" das McDonnell-Labor. Die Forscher hielten es für einen Witz, den sie an Shaw und Edwards weitererzählten.
Verschwörungstheorie in Syracuse
Randi kam mit Phillips überein, gemeinsam auf dem Kongress der Parapsychological Association in Syracuse aufzutreten. Die beiden tauschten Videobänder aus: Auf Randis waren jeweils er und der ertappte Uri Geller beim Löffelverbiegen zu sehen, Phillips gab die Bänder aus dem McDonnell-Labor, auf denen man die Alpha-Kids beim Schummeln erkennen konnte – wenn man es wollte. Als die Bänder in Syracuse gezeigt wurden, entstand die sich rasch ausbreitende Verschwörungstheorie, Randi und Phillips machten gemeinsame Sache, um die für authentisch gehaltenen Wunderkinder zu diskreditieren. Vielleicht, weil die Forschungsergebnisse geheim bleiben sollten? Nicht wenige glaubten das Gerücht.
Phillips war von Randis Beobachtungen schockiert. Ein zunächst verteilter enthusiastischer Report über die Untersuchungen wurde zurückgezogen und mit zurückhaltenderen Formulierungen wieder in Umlauf gebracht. Randi informierte seine beiden Verschwörer, dass Phillips nun argwöhnisch geworden sei und Projekt "Alpha" sich wohl dem Ende zuneige. Weit gefehlt.
Poltergeister
Tatsächlich beherzigte nun Phillips Randis Ratschläge und erschwerte die Testbedingungen. Einfache Tricks waren nicht mehr möglich. Die Alpha-Boys waren der Herausforderung jedoch gewachsen. Zu dem Forscherteam stießen 1981 Dr. psych. Berthold Schwarz und Prof. Walter Uphoff, die in den Medien durch das Aufdecken von unerklärlichen Phänomenen von sich reden machten. Schwarz gab ein Journal namens "Taming the Poltergeist" (Den Poltergeist zähmen) heraus und hielt den aus Radio und TV bekanten Mentalisten Joseph Dunninger für authentisch. Uphoff hatte das Buch Mind over Matter über den japanischen Metallverbieger Masuaki Kiyota verfasst, dessen nicht ganz so geistigen Kräfte eigentlich schon 1979 entlarvt worden waren. Schwarz lud die Wunderkinder in das "National Institute for Rehabilitation Engineering" (NIRE) ein und quartierte Shaw bei sich zuhause ein. Shaw berichtete von merkwürdigen Träumen, und im Hause Schwarz registrierte man nächtliche Poltergeistphänomene. Hatte er im Schlaf psychokinetische Energien abgesondert? Wann immer in Labor oder Haushalt Geräte versagten, konstruierte Schwarz Zusammenhänge mit seinem Psi-begabten Gast.
Mysteriöser Wirbel
Shaw wurde gebeten, den Direktor des NIRE zu fotografieren. Auf dem entwickelten Fotos entdeckte man einen unförmigen Wirbel. Die Forscher sahen in dem Wirbel sich bewegende Gesichter, ein Jesusbild, Ufos, Frauenbrüste und sogar eine Geburt. Nach Meinung angeblich ausgewiesenen Fotografieexperten gäbe es für die Erscheinung keine technische Erklärung. Dieser geheimnisvolle Wirbel, so folgerte Schwarz, müsse dem Direktor gefolgt sein. Tatsächlich hatte Shaw einfach auf die Linse der Kamera gespuckt.
Amateurzauberer
Schwarz beklagte die Ungläubigkeit mancher Zeitgenossen, unterstrich den Wert von der Zauberkunst kundigen Forschern und verlieh seiner Verachtung für mittelmäßige Zauberkünstler Ausdruck, die sich als Aufklärer aufspielten. Ironischerweise bedienten sich Schwarz und Uphoff eines Amateurzauberers, William Cox, der bei den Versuchsaufbauten helfen sollte, selbst allerdings Psi-begeistert war. Cox arrangierte Tests mit Pfeifenreinigern in Flaschen ("mini-labs"), die man nicht öffnen konnte – so glaubte er jedenfalls. Dennoch hatten sich Shaws Pfeifenreiniger verbogen und lustige Männchen geformt, was nach Ansicht von Cox passiert sein musste, als Shaw sich im anderen Teil des Raumes befand.
Der gefoppte Schwarz veröffentlichte einen 50-seitigen Bericht über seine Forschungen mit Shaw, den dieser vor ein paar Jahren in einer Neuauflage unkommentiert unter dem Originaltitel Taming the Poltergeist - Clinical Observations on Steve Shaw’s Telekinesis herausbrachte.
Zeitmaschine
Ein anderer Psi-Gläubiger namens Prof. Dr. Otto H. Schmidt testete die beiden mit billigen Digitaluhren, die konstruktionsbedingt versiegelt waren. Geistesgegenwärtig ließ Edwards eine der Uhren heimlich in der Pause in ein Selbstbedienungsrestaurant mitgehen und schmuggelte sie in ein Sandwich, das in einem Mikrowellenherd aufgewärmt wurde. Schmidt war über die ihm später präsentierte verrückt spielende Digitalanzeige der Uhr so glücklich, dass er mit diesem wundervollen Beispiel für die Kraft des Geistes an die Presse ging.
BBC-Doku
Ein durchaus aufgeschlossener Journalist der BBC wollte im Vorfeld zu einem Psi-Kongress in Madison einen Dokumentarfilm über Shaw, Edwards und Kiyota drehen und fragte bei Randi an, wie Täuschungsversuche verhindert werden könnten. Hierzu verschloss Randi Metallgegenstände in Acrylröhren und instruierte den Journalisten. Dieser befolgte Randis Anweisungen exakt, und erstaunlicherweise war auf einmal keine der drei gefeierten Testpersonen in der Lage, die Metalle zu verbiegen. Uphoffs Beschwerden über die negative Testatmosphäre ließen den Journalisten unbeeindruckt. Wie Randi es vorausgesagt hatte kam es erst nach Ende der Tests beim Essen zu spontanen Psi-Phänomenen.
Mummenschanz in Madison
Randi meldete sich zu Uphoffs Kongress "Psychic Picnic" in Madison, Wisconsin, an, wo neben den Wunderkindern und Kiyota auch der größte Psychic aller Zeiten auftreten sollte: Uri Geller. Statt einer Anmeldebestätigung erhielt Randi Post von Uphoffs Anwalt, der ihm verbot, künftig jemals wieder mit Uphoff zu korrespondieren. Randi schrieb dem Anwalt, dass Uphoff nie wieder etwas von ihm hören werde. Statt von "James Randi" hörte er von "Adam Jersin", dessen Anmeldung akzeptiert wurde. In Madison fand sich ein seltsamer "Mr. Jersin" mit roter Perücke, gefärbtem Bart, dunklen Kontaktlinsen, feistem Wanst, hohen Cowboystiefeln und einem Anzug der Heilsarmee ein, der von einer Moses-ähnlichen Gestalt (Randis Künstlerkollege Anthony Figueroa) begleitet wurde.
Uphoff begrüßte den wunderlichen "Jersin" freundlich per Handschlag. Als Edwards in "Jersins" Nähe einen Löffel bog, frohlockte die Sekretärin des BBC-Reporters und bedauerte, dass dieser ungläubige Randi nicht zugegen sei. Als schließlich Geller seinen großen Auftritt hatte, gerieten die Leute vollends aus dem Häuschen. Zum Schluss saßen Shaw, Edwards, Kiyota und Geller gemeinsam auf der Bühne und verbogen Besteck. "Jersin" ließ es sich nicht nehmen, sich von Geller dessen neuestes Buch persönlich signieren zu lassen und ihm die Hand zu schütteln. Als "Jersin" schließlich die starrenden Blicke von Schwarz und einem Ufo-Fan registrierte, zogen sich "Moses" und "Jersin" zurück. Randis undercover-Mission machte auf dem Kongress schnell die Runde, und Randi vermutete, man hätte sich dort aufgeführt, als sei Martin Luther im Vatikan gesehen worden.
Missing Link
Nach dem Streich in Madison flogen die Alpha-Boys nach London, wo sie von der Esoterik-Fachpresse sehnlichst erwartetet wurden. Diese berichtete von den Wunderknaben genauso enthusiastisch wie ein paar Jahre zuvor über Randi, der damals in den Räumen der "Psychic News" selbst als echter Magier posiert hatte. Im Hotelzimmer traf Randi seine beiden Schützlinge, denen vom McDonnell-Labor eine diesmal wirklich versiegelte Acrylbox mit zwei Büroklammern übergeben worden waren, die es zu verbiegen galt. Der Test war vom "Institute for Parapsychology" in Durham, North Carolina entwickelt worden. Randi hatte eine bessere Idee: Durch geschicktes Schütteln schaffte er es, dass sich die Klammern verketteten - ein Phänomen, das bei Büroklammern oft sogar durch Zufall auftritt. Die Forscher waren begeistert.
Zurück in den Staaten erwartete Amateurzauberer Cox die Alpha Boys mit einer neuen Herausforderung: Sie sollten Sperrholzringe miteinander verketten. Auch dies gelang, da Randi entsprechende Ringe zum Austausch bastelte. Uphoff war glücklich und höhnte: "Das ist mal etwas, das ich bei einem Zauberkünstler sehen möchte!" "Psychic News" forderte Randi gar auf, das von ihm ausgelobte Preisgeld von 10.000,- Dollar auszuzahlen. Bis heute ist Randis inzwischen auf eine Million Dollar angewachsener Belohnung niemand auch nur nahe gekommen.
Alphas Omega
Seit Verschärfung der Testanordnungen im McDonnel-Labor entwickelten sich die Ergebnisse stark rückläufig. Inzwischen hatte Phillips begonnen, die bisherigen Testergebnisse nüchterner zu bewerten, auch wenn er noch immer emotional von der Echtheit der Wunderkinder überzeugt war. 1983 legte Randi endlich auf einer vom Wissenschaftsmagazin "Discover" organisierten Pressekonferenz seinen Hoax offen.
Dennoch hielt etwa Uphoff an seiner Überzeugung fest und glaubte gar an eine Intrige. Der Psi-Professor beklagte öffentlich, dass Shaw und Edwards ihrer Kräfte leugneten und nahm seinen vehement verteidigten Glauben schließlich mit ins Grab. Schwarz urteilte, Randi habe die Parapsychologie mit seinem Experiment 100 Jahre zurückgeworfen. Viele Parapsychologen hatten allerdings die Lehre aus Randis Eulenspiegelei gezogen, und sogar Phillips begrüßte Randis Aktion als Ansporn zu wirklich wissenschaftlichem Arbeiten. Das McDonnell Laboratory for Psychical Research musste allerdings infolge der massiven Pressekritik geschlossen werden.
Spin Offs
Aus den Alpha-Boys wurden bekannte Zauberkünstler. Steve Shaw ließ sich 1984 spektakulär lebendig begraben und entkam dem Tod. Er ist unter seinem Künstlernamen Banachek heute einer der erfolgreichsten Hellseh-Zauberkünstler der USA. Er trifft Randi jährlich bei dessen Skeptiker-Veranstaltungen wie etwa Kreuzfahrten durch das Bermuda-Dreieck. Michael Edwards blieb Zauberamateur und wurde Rechtsanwalt. Der inzwischen 80-jährige Randi jagt noch immer als psychic investigator Scharlatane aller Art, publiziert wöchentlich im Internet. Project Alpha dürfte maßgeblich Ivan Reitmans Filmsatire Ghostbusters (1984) inspiriert haben, in der drei Parapsychologen von einer Universität entlassen werden, weil sie dort statt ernsthafter Forschung angeblich nur Zaubertricks zeigen. Der Film wurde der bis dahin viertgrößte Kassenschlager in den USA.
Ertrag
Manche Parapsychologen bedauerten, dass Alpha die Psi-Forschung pauschal diskreditiert hätte und kritisierten, dass Randi nicht zwischen seriösen Forschern und fragwürdigen Gestalten um den als leichtgläubig bekannten Uphoff differenzierte. Die propagandistische Art, wie Showman Randi und schadenfrohe Journalisten die genarrten Forscher darstellten und übertrieben, missfiel auch manchen von Randis Freunden wie dem Zauberkünstler und CSICOP-Gründungsmitglied Prof. Marcello Truzzi, der sich nicht an ergebnisbezogenen Kampagnen beteiligen wollte und das Komitee bereits 1978 wegen Randis – wie er fand -Voreingenommenheit verlassen hatte.
Die Krise, welche das Alpha-Debakel bei Forschern und Schwärmern ausgelöst hatte, war jedoch nur von kurzer Dauer. Sowohl in der Wissenschafts- als auch in der Esoterikgemeinde bot sich für Scharlatane noch reichlich Spielraum. Manche Parapsychologen hatten Schwierigkeiten befürchtet, künftig etwa staatliche Mittel für die Grundlagenforschung zu erhalten. Wie man heute jedoch weiß, war diese Sorge unbegründet, denn den Parapsychologen boten sich dort ungeahnte Forschungsmöglichkeiten, wo sie naturgemäß keiner öffentlichen Kritik ausgesetzt waren: im US-Geheimdienst.
Der Autor bedankt sich bei James Randi, Fort Lauderdale, Florida, für freundliche Unterstützung bei der Recherche sowie insbesondere für die Zusendung von Prof. Philipps Video-Dokumentation (1980) seiner Untersuchungen im MacLab.
Ebenfalls bedankt sich der Autor für freundliche Korrespondenz über die konträre wissenschaftliche Bewertung von "Project Alpha" bei Dipl. Psych. Eberhard Bauer vom Freiburger "Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene (IGPP)".
Im wesentlichen verwendete Literatur: Gardner, Martin: "Good, Bad and Bogus" (1981), dt.: "Kabarett der Täuschungen – Unter dem Deckmantel der Wissenschaft" (1983); Schwarz, Bernhard E.: "Taming the Poltergeist – Clinical Observations on Steve Shaw´s Telekinesis" (ca. 1982); Randi, James: "Flim Flam" (1980/1982); Hoebens, Piet Hein: Rezension über "Flim Flam" in "Zeitschrift für Parapsychologie" 1981, S. 246; Randi, James.: "The Project Alpha Experiment" in "The Sceptical Inquirer" Sommer 1983; Hövelmann, Gerd: "James Randi und das 'Projekt Alpha' – böswillige Täuschung oder wichtiges Lehrstück?" in "Zeitschrift für Parapsychologie" 1984, S. 89; Truzzi, Marcello: "Reflections on 'Projekt Alpha': Scientific Experiment or Conjurors Illusion?" in "Zetetic Scholar" August 1987, S.73; Randi, James: "An Encyclopedia of Claims, Frauds, and Hoaxes of the Occult and Supernatural" (1995).