Putin trifft Xi Jinping

Bild (2018): Kremlin.ru/CC BY 4.0

Die beiden Staatschefs sollen laut Medienberichten beim Treffen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SZO) an der Entwicklung einer "alternativen Weltordnung" mitarbeiten.

Beim Gipfel-Treffen in Samarkand geht es um nichts weniger als um eine "neue Weltordnung", wie Nachrichten in Deutschland das Geschehen für die Leserschaft einordnen. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht das Zusammentreffen von Wladimir Putin und Xi Jinping, den Chefs der beiden führenden Staaten der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SZO, englisch SCO).

Die Organisation umfasst etwa 40 Prozent der Weltbevölkerung und 30 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung, wie Nachrichten aus Pakistan zum Gipfel melden. Dort erklärt man der Leserschaft, warum die der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit so viel Anziehungskraft auf arabische Staaten ausübt.

Ein großes Feld

Am zweitägigen Gipfel, der heute beginnt, nehmen Saudi-Arabien, Katar und Ägypten als Dialogpartner teil; Bahrain will sich anschließen; die Vereinigten Arabischen Staaten, Syrien und Irak wollen Partner der SZO werden.

Iran wird bei diesem Gipfel als neues Mitglied Nummer neun aufgenommen. Außer China und Russland gehören Indien, Kasachstan, Kirgistan, Pakistan, Tadschikistan und Usbekistan zur Organisation. Beobachterstatus haben Belarus und die Mongolei, Partnerländer sind Armenien, Aserbaidschan, Kambodscha, Nepal, Sri Lanka und die Türkei - auch Erdogan will nach Samarkand reisen, um mit Putin zu sprechen.

Das ist eine lange Liste, an der zweierlei auffällt: Erstens, dass sich unter diesem Dach einige Spannungen versammeln – Pakistan und Indien sind dabei, auch zwischen China und Indien gibt es Konflikte, wie auch innerhalb der genannten arabischen Golfstaaten. Im Verhältnis der Golfstaaten gegenüber Iran fehlt es ebenfalls nicht an Spannungen.

Und der blutige Konflikt zwischen den SEE-Partnerländern Armenien und Aserbaidschan machte dieser Tage beunruhigende Schlagzeilen. Auch zwischen Tadschikistan und Kirgistan gibt es Grenzkonflikte.

Die andere Perspektive auf Russland und den Ukraine-Krieg

Der zweite auffällige Punkt ist für viele wahrscheinlich der interessantere: Alle diese Länder haben gemeinsam, dass sie sich im Ukraine-Krieg, um den sich in der Welt Europas, der Nato und der US-Regierung alles oder vieles zu drehen scheint, mit politischen Urteilen zurückhalten. Sie achten auf ihre eigenen Interessen (vgl. etwa: Preisdeckel auf Erdöl: Wird sich Russland dem Westen unterwerfen?).

Die aufgeführten Länder haben einen anderen Fokus und andere Interessen, die nicht mehr so sehr wie die europäischen auf die USA zentriert sind. Welche Konkurrenz auf den Weltmärkten, welche Bündnisse und welche politische Diversität sich daraus entwickeln, zeichnet sich erst ab. Alles ist noch im Entwicklerbad.

Was sich aber schon seit Längerem klar zeigt: Die politischen und wirtschaftlichen Wahrnehmungen aus den östlichen Ländern unterscheiden sich deutlich von denen, die hierzulande als gültige verbreitet und akzentuiert werden. Unterschiedliche Weltwahrnehmung ist keine Kleinigkeit.

Exemplarisch zu sehen ist das etwa in einem längeren Bericht der staatsnahen chinesischen Zeitung Global Times, der ausgiebig auf die Geschäftsbeziehungen zwischen China und Kasachstan ("wichtiges Land in Zentralasien und der eurasischen Region mit großem Einfluss", Xi Jinping), eingeht. Das Stichwort hierzu liefert, wie so häufig, das gigantische Projekt der "neuen Seidenstraße".

Die Konkurrenz

In den Medienberichten im Westen steht vor allem das Treffen zwischen Putin und dem chinesischen Staatschef im Vordergrund. Insbesondere, ob und wie sich Chinas Chef zum russischen Angriff auf die Ukraine äußern wird. Verbunden wird das mit der Sorge, dass sich ein relevanter Block heranbilden könnte, der auf Dauer der westlichen Gemeinschaft ernsthafte wirtschaftliche, politische und wirtschaftliche Konkurrenz wird, zumal mit dem neuen Interesse der arabischen Staaten. Erdogan ist der einzige Vertreter eines Nato-Landes auf dem Gipfel.

Nicht-Einmischung

Man kann davon ausgehen, dass sich Chinas Staatschef mit deutlichen Formulierungen zum militärischen Angriff Russlands auf die Ukraine zurückhalten wird. Man mischt sich nicht in solche "interne Angelegenheiten" ein. Zumal Russland ein wichtiger Energielieferant ist, auch wenn China darauf bedacht ist, die Energieversorgung zu diversifizieren, neben Russland werden Saudi-Arabien, Iran, Venezuela und Angola als Öllieferanten aufgeführt.

Laut Informationen des ORF zeigte sich kürzlich eine gewisse Ambivalenz Chinas bei der Bewertung des Krimkrieges.

Russlands Parlament hatte vermeldet, dass der hochrangige Außenpolitiker Li Zhanshu gegenüber russischen Abgeordneten "Verständnis und Unterstützung für Russland, besonders bezüglich der Ukraine", geäußert habe.

"Wir sehen, dass die USA und die NATO ihre Präsenz nahe der russischen Grenze ausgeweitet haben und damit die nationale Sicherheit und das Leben der russischen Bevölkerung bedrohen", heißt es in dem Protokoll. Man könne "alle russischen Maßnahmen nachvollziehen, mit denen Russland seine eigenen Interessen schützen will, und stellen Unterstützung zur Verfügung".

Diese Worte wären die klarste Unterstützung des russischen Angriffskrieges, die China bisher artikuliert hätte. Allerdings war in den chinesischen Protokollen des Treffens davon nichts zu lesen. In diesen äußerte sich Li gar nicht zur Ukraine. Fachleute stellten daher die Frage in den Raum, inwieweit der Passus mit Moskau abgeklärt wurde.

ORF

Nach Einschätzung der FAZ, die nahe am Boulevard-Stimmungsablesen angesiedelt ist, könnte sich die Ambivalenz sogar noch anders zeigen: Das weitgehend pro-russische Klima könnte sich im Fall einer militärischen Niederlage Russlands in der Ukraine drehen, so die Zeitung: "Die aufstiegshungrigen Chinesen wollen nicht von einem Verlierer hinuntergezogen werden." Gut möglich, dass dies vor allem Wunschdenken ist.

Eine Meldung von Reuters verdeutlicht, dass die USA auf eine Politik des Drucks setzt, wenn es um die Konkurrenz aus dem Osten geht, und Europa mit im Boot sitzen soll.

Laut der Nachrichten-Agentur erwägen die USA "Optionen für ein Sanktionspaket gegen China, um das Land von einer Invasion in Taiwan abzuhalten". Die Europäische Union steht demnach "unter diplomatischem Druck aus Taipeh, dasselbe zu tun".