"Quantensprünge" europäischer Sicherheitszusammenarbeit
Hintergrund zum neuen "Mehrjahresprogramm" europäischer Innenpolitik
Seit Ende des letzten Jahrhunderts findet innerhalb der EU ein Umbau der "Sicherheitsarchitektur" statt, der durch die Anschläge vom 11. September 2001 in den USA nochmals beschleunigt wurde. Sichtbare Phänomene sind z.B. die Verschränkung innerer und äußerer Sicherheit, ein "Pooling" von Verfolgungsbehörden und Nachrichtendiensten und vereinfachter Datenaustausch. Auf technischer Ebene wurden neue digitale Überwachungskameras, Satellitenbeobachtung, Biometrie, Drohnen, Software zur intelligenten Suche in Datenbanken und breitbandige Netze zur Verwaltung der immensen digitalen Datenflut eigeführt.
Auch neue Institutionen und Behörden wurden geschaffen, darunter das "Europäische Polizeiamt" Europol, die Polizeiakademie CEPOL, die "Grenzschutzagentur" Frontex, die "Europäische Einheit für justizielle Zusammenarbeit" Eurojust oder der "Ausschuss für die operative Zusammenarbeit" aller polizeilichen Einrichtungen der EU samt ihrem geheimdienstlichen Lagezentrum (COSI). Auf Initiative der damaligen französischen Verteidigungsministerin (und jetzigen Innenministerin) Michèle Alliot-Marie wurde 2004 die "Europäische Gendarmerietruppe" (EGF) eingerichtet. Die EGF soll in Krisengebieten die "Öffentliche Ordnung" gewährleisten, Aufstandsbekämpfung betreiben, geheimdienstliche Informationen beschaffen und Eigentum schützen.
Never before have so many people worked to promote overall European security. Countless meetings are held in every conceivable format: bilateral and multilateral, formal and informal, among governments and with those outside.
"EU-Chefdiplomat" Javier Solana in einer "Grußnote an die Wehrkundetagung" 2009 in München
Polizeiliche Kooperation in der EG und EU
Vor dem EU-Vertrag kooperierten europäische Verfolgungsbehörden z.B. im Rahmen der "TREVI-Gruppe" (ab 1976: "Terrorisme, Radicalisme, Extremisme et Violence International"). In "TREVI" organisiert waren Staatsschutzabteilungen der Polizei und Geheimdienste, Themen waren "Terrorismus" und später Asyl und Migration. 1985 wurde im luxemburgischen Kurort Schengen das gleichnamige Abkommen zwischen Deutschland, Frankreich, Niederlande, Belgien und Luxemburg geschlossen.
Weitere Pools europäischer Sicherheitsbehörden waren (und sind) der "Club de Berne" (europäische Inland- und Sicherheitsnachrichtendienste), "Middle European Conference" (Zusammenarbeit mit Nachrichtendiensten Südosteuropas), "Police Working Group on Terrorism" (polizeiliche Anti-Terroreinheiten aus 28 Ländern, gegründet 1979 als "Antwort" auf Rote Brigaden, RAF und IRA). Die Arbeitsgruppen waren untereinander durch "Verbindungsbeamte" vernetzt, deren Strukturen zum Aufbau des heutigen undurchsichtigen Netzwerks der "Liaison Officers" ("Bureaux de Liason") geführt haben.
Die formalrechtliche Grundlage zur "Bekämpfung des Terrorismus" liegt heute auf europäischer Ebene bei der Kommission für Justice and Home Affairs unter gegenwärtiger Leitung des Vizepräsidenten der Kommission, Jaques Barrot, in der sogenannten "dritten Säule" der EU. Vor 9/11 war polizeiliche Zusammenarbeit z.B. im Amsterdamer Vertrag geregelt (TITEL VI. Bestimmungen über die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen Artikel 29). Bereits dort war die Schaffung des "Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts" niedergelegt. Verabredet wurden weiterhin die
- engere Zusammenarbeit der Polizei-, Zoll- und anderer zuständiger Behörden in den Mitgliedstaaten, sowohl unmittelbar als auch unter Einschaltung des Europäischen Polizeiamts (Europol)
- engere Zusammenarbeit der Justizbehörden sowie anderer zuständiger Behörden
- Annäherung der Strafvorschriften der Mitgliedstaaten.
Die Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen wurde 1997 mit dem Vertrag von Amsterdam in die überstaatliche "1. Säule" integriert, die PJZS aber wegen Souveränitätsvorbehalten einiger Mitgliedstaaten bezüglich "Innerer Sicherheit" in der 3. Säule belassen.
Die EU verabschiedet regelmäßig Verträge, Rahmenvereinbarungen und Richtlinien zur Zusammenarbeit europäischer Polizeien. Einmal pro Präsidentschaft trifft sich der "Rat der EU-Innen- und Justizminister" im jeweiligen Vorsitzland, mehrmals pro Halbjahr in Brüssel oder Luxemburg. Bei formellen Räten fällen sie Beschlüsse, bei informellen Treffen nicht. Informelle Ratstreffen dienen der Vorbereitung zukünftiger Entscheidungen.
Die Treffen werden von den Botschaftern der Mitgliedstaaten bei der EU ("Ständige Vertreter") mit Dossiers (von der Kommission unterbreitete Vorschläge und Entwürfe von Rechtsakten) vorbereitet. Ihr Ausschuss tagt wöchentlich in zwei Formationen: Der AStV I für fachspezifische Inhalte mit Stellvertretern der "Ständigen Vertreter". AStV II mit "Ständigen Vertretern". Politische, wirtschaftliche, institutionelle Themen sowie Handelsfragen. Im AStV II wiederum arbeiten die Ausschüsse "SCIFA" (Strategic Committee on Immigration, Frontiers and Asylum) und "Artikel-36" (auch CATS, Committee of Article Thirty Six, genannt). Der "Artikel-36-Ausschuss" setzt sich aus "hohen Beamten" für den Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen im Rahmen der Europäischen Union zusammen, darunter auch Frontex, Europol, SitCen, UNHCR.
Von Bedeutung sind neben den regelmäßigen Treffen der EU-Innen- und Justizminister die sogenannten "Mehrjahresprogramme", die jeweils für fünf Jahre festgelegt werden und damit für die EU-Innenpolitik eine zentrale Bedeutung haben. Bisher: 1999 (Tampere), 2004 (Den Haag) und 2009 (unter schwedischer Präsidentschaft, der Ort ist noch nicht bekanntgegeben).
Das "Tampere-Programm", 1999 unter finnischer Präsidentschaft beschlossen, hatte hauptsächlich die "Steuerung der Migrationsströme" zum Inhalt. Neben der Aufwertung der Polizeibehörde Europol wurde die Einrichtung einer "Task Force der europäischen Polizeichefs" beschlossen.
2004 wurde mit dem "Haager Programm" der Ausbau des "Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts" verabredet. Wieder wurden Verschärfungen in der Migrationspolitik beschlossen, darunter der Aufbau der "Grenzschutzagentur" Frontex und das Abfangen von Flüchtlingen bereits in ihren Herkunftsländern. Die Richtlinien sind bereits von vielen EU-Mitgliedsstaaten umgesetzt: Vereinheitlichung der Terrorismus-Gesetzgebung, Vorratsdatenspeicherung, Ausbau bestehender Datenbanken und gemeinsamer Zugriff darauf, grenzüberschreitende Polizeizusammenarbeit z.B. bei Sportereignissen oder politischen Massenprotesten, "Border Management", Fingerabdrücke bei Antrag auf EU-Visum, ab 2009 biometrische Identifikatoren in neuen Ausweispapieren, Ausbau der europäischen Sicherheitsforschung unter stärkerer Integration der Industrie, Zusammenarbeit in Strafsachen, Polizei im Ausland etc.
SitCen und Europol: Auf dem Weg zu einer zentralisierten europäischen Innenpolitik
Bereits Ende der 90er Jahre wurde in Brüssel das "EU-Lage- und Analysezentrum" (SitCen) eingerichtet, das beim Generalsekretariat der EU angesiedelt ist. Im "SitCen" organisieren sich Vertreter nationaler Geheimdienste und des Militärstabs der Europäischen Union (EUMS). Das "SitCen" sollte ursprünglich die "Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Union" mit Lagebildern versorgen. Das "Haager Programm" erweiterte das Aufgabenspektrum um das Sammeln von "Informationen über potenzielle Krisenherde" und Kooperation mit anderen Instituionen, darunter Europol. Die "politisch-strategischen Analysen" dienen unter anderem als Entscheidungsgrundlagen für Maßnahmen der EU im Rahmen der "Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik" (ESVP).
Das "Europäische Polizeiamt" Europol existiert bereits seit 1992, war aber erst zum "Tampere-Programm" 1999 arbeitsfähig. Im Haager Programm wurde gefordert, die Europol-Konvention bis zum 1.1.2008 durch ein Europäisches Gesetz zu ersetzen. Mitgliedstaaten wurden aufgefordert, entsprechende Vorgaben in ihr Recht umzusetzen, Europol alle "erforderlichen hochwertigen Informationen" zur Verfügung zu stellen und eine gute Zusammenarbeit zu fördern. Nationale Polizeien haben Kontaktstellen eingerichtet, die für den Informationsfluss zwischen Europol und der Länderpolizei sowie den Zoll- und Grenzbehörden sorgen. In Deutschland ist hierfür das Bundeskriminalamt zuständig
Europol wird ab 2010 in eine "Agentur" umgewandelt ("Überführung von Europol in den Rechtsrahmen der EU"), zuständig für "all serious crimes". Europol soll damit flexibler werden, die Behörde wird zukünftig aus dem Gemeinschaftshaushalt finanziert. Europol unterhält zahlreiche Datenbanken ("Check the web-Plattform", EUROPOL-Informationssystem, "Secure Information Exchange Network Application"), "Counter-Terrorism Programs" und eine "Counter-Terrorism Task Force".
"Pooling of knowledge" und "human screening"
Nach 9/11 gab es zahlreiche Sondersitzungen und Beschlüsse, darunter z.B. des Rats der Justiz- und Innenminister am 20. September 2001 zur Verstärkung des Kampfes gegen den Terrorismus innerhalb der Europäischen Union zu treffende Maßnahmen. Alle bestehenden Mittel sollen ausgeschöpft und ausgebaut werden, darunter gegenseitige Auslieferung, Europol und Eurojust, gegenseitige Hilfe in Strafverfahren, die "Task Force europäischer Polizeichefs".
Angestrebt wird ein "pooling of knowledge" mit mehr Einsatz von Sicherheitstechnologie, vor allem "human screening and detection device technology", Notfallplanungen gegen Terrorismusattacken, besonders gegen IT-Systeme. Im November 2001 traf sich erstmals in Den Haag die "Counter-Terrorism Group", bestehend aus je einem nationalen Nachrichtendienst jedes EU-Staats sowie Norwegen und Schweiz).
Am 27. Dezember 2001 gab die EU einen "Gemeinsamen Standpunkt des Rates" heraus über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus. Im Appendix wurde eine erste Liste von Gruppen genannt, darunter auch aus Griechenland und Baskenland: ETA, Hamas, Hisbollah, Herri Batasuna, Loyalist Volunteer Force (LVF), Orange Volunteers (OV), Palestinian Islamic Jihad (PIJ), Real IRA, Red Hand Defenders (RHD), Revolutionäre Kerngruppen/Epanastatiki Pirines, Revolutionäre Organisation 17. November/Dekati Evdomi Noemvri, Revolutionärer Volkskampf/Epanastatikos Laikos Agonas (ELA), Ulster Defence Association/Ulster Freedom Fighters (UDA/UFF), Continuity Irish Republican Army (CIRA).
Die meisten Mitgliedsländer der EU, z.B. Österreich, hatten bis dahin keine eigene Definition von "Terrorismus". Am 13. Juni 2002 einigte sich der Rat der Innen- und Justizminister, nach einigen Änderungen, auf eine gemeinsame Definition. Als "terroristische Vereinigung" gilt ein "auf längere Dauer angelegter Zusammenschluss von mehr als zwei Personen, die zusammenwirken, um terroristische Straftaten zu begehen", "die Bevölkerung zu bedrohen und die politischen, wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Strukturen dieses Landes ernsthaft zu schädigen oder zu zerstören (Mord, Körperverletzung, Geiselnahme, Erpressung, Herstellung von Waffen, Anschläge, die Androhung, die vorgenannten Straftaten zu begehen usw.). Die vorgenannten Straftaten können von einer Einzelperson oder einer Vereinigung begangen werden und gegen ein Land oder mehrere Länder gerichtet sein".
Entscheidend für die Definition "terroristischer Straftaten" ist das Motiv, "die Bevölkerung auf schwer wiegende Weise einzuschüchtern oder öffentliche Stellen oder eine internationale Organisation rechtswidrig zu einem Tun oder Unterlassen zu zwingen". Kriminalisierte Delikte sind u.a. "schwerwiegende Zerstörungen an einer Regierungs- oder einer öffentlichen Einrichtung, [...] einem allgemein zugänglichen Ort oder einem Privateigentum" wenn "Menschenleben gefährdet" werden oder es zu "erheblichen wirtschaftlichen Verlusten" kommt. Der Rat erklärte allerdings, dass die Versammlungsfreiheit oder das Streikrecht nicht angetastet würden. Im gleichen Beschluss wurde die Einrichtung von länderübergreifenden "gemeinsamen Ermittlungsgruppen" präzisiert, die im "Tampere-Programm" bereits anvisiert wurden.
Nach den Anschlägen in Madrid 2004 reagierte die EU-Kommission mit einem neuen action paper, das den Ausbau der bestehenden Institutionen fordert und ein "clearing house" (Suchhilfen im Internet) zum Datenaustausch anregt. Der Handel und Transport "gefährlicher Güter" (Sprengstoffe) soll mittels neuer und aufgerüsteter alter Datenbanken besser kontrolliert werden können, dabei soll vor allem auf neue Technologien zurückgegriffen werden: Satellitenunterstützung (GALILEO) oder RFID (Radio Frequency Identification Device)..
Im 2004 verabschiedeten "Haager Programm" wurde das Prinzip der "Verfügbarkeit" in den Mittelpunkt gestellt und eine Standardisierung des Datenaustauschs in einem Rahmenbeschluss 2005 präzisiert. Ein Strafverfolgungsbeamter oder Europolbediensteter, der für seine Arbeit innerhalb des gesetzlich vorgeschriebenen Rahmens Informationen benötigt, soll diese Informationen von dem Mitgliedstaat, der über sie verfügt, für den erklärten Zweck erhalten können. Damit "die benötigten Informationen die Binnengrenzen der EU ungehindert passieren können", erhalten Verfolgungsbehörden Online-Zugang zu "verfügbaren Informationen bzw. bei Informationen, die nicht online zugänglich sind, zu Indexdaten": DNS-Profile, Fingerabdrücke, Ballistische Erkenntnisse, Kfz-Halterermittlungen, Telefonnummern und Verbindungsdaten ("unter Ausschluss des Inhalts der Nachrichtenübermittlung sowie von Verkehrsdaten, es sei denn, letztere befinden sich bereits im Gewahrsam einer verfügungsberechtigten Behörde"), Daten aus Personenstandsregistern.
Das "Haager Programm" sieht einen Ausschuss "Innere Sicherheit" vor ("Standing Committee on Internal Security" - COSI) um operative Zusammenarbeit zu fördern. Vertreter der Regierungen sollen dort "assistiert" werden von Europol, Eurojust, dem Strategic Committee on Asylum, Immigration and Frontiers und der Police Chiefs Task Force.
Am 27. Mai 2005 wurde von einigen Mitgliedsländern (Deutschland, Frankreich, Spanien, den Benelux-Staaten und Österreich) der "Vertrag von Prüm" unterzeichnet, der "die Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere zur Bekämpfung des Terrorismus, der grenzüberschreitenden Kriminalität und der illegalen Migration" regeln soll. Das deutsche Innenministerium hatte sich während der EU-Präsidentschaft 2007 erfolgreich dafür eingesetzt, dass der "Vertrag von Prüm" nun "in den europäischen Rechtsrahmen überführt" wurde (Nadelsuche im wachsenden Heuhaufen), also in allen Mitgliedsländern ratifiziert werden kann: "Deutschland erachtet den "Vertrag von Prüm" als wegweisend für die weitere polizeiliche Zusammenarbeit und möchte, dass möglichst alle EU-Mitgliedstaaten hiervon profitieren.
Der besondere Mehrwert des Vertrages besteht in dem erheblich verbesserten und effizient ausgestalteten Verfahren zum polizeilichen Informationswesen. Der Vertrag erlaubt den zuständigen Strafverfolgungsbehörden den Datenzugriff im Wege eines hit-/no-hit-Verfahrens auf DNA- und Fingerabdruckdaten sowie einen vollautomatischen Datenzugriff auf Fahrzeugregisterdaten. Statt der Einrichtung eines aufwendigen zentralen Datensystems werden mithin die bestehenden nationalen Datenbanken vernetzt.
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble
. Laut Innenministerium stellt der Vertrag von Prüm einen "Quantensprung im Bereich des grenzüberschreitenden Datenaustausches" dar. Weitere Schwerpunkte der deutschen EU-Präsidentschaft 2007 waren
- Terrorismusbekämpfung (Europäischer Informationsverbund, Zusammenarbeit in der Überwachung des Internet)
- Polizeiliche Zusammenarbeit (Enge Zusammenarbeit der europäischen Polizeibehörden, Der Vertrag von Prüm, SIS)
- Europol
- Katastrophenschutz
- Migrations- und Asylpolitik
- Visapolitik
- Frontex
- Außendimension des JI-Bereichs (Polizeiliche Interventionen in "Drittstaaten")
Das deutsche Innenministerium arbeitete intensiv an der Einrichtung eines europäischen Projekts "Check the Web" (Überwachung des Internet) an, das gegenwärtig unter deutscher Leitung bei Europol angesiedelt ist.
2008 wurde unter französischer Präsidentschaft die "Europäische Definition von Terrorismus" geändert und drei neue Straftatbestände in die EU-Rechtsvorschriften aufgenommen: "öffentliche Aufforderung zur Begehung einer terroristischen Straftat; Anwerbung für terroristische Zwecke; Ausbildung für terroristische Zwecke".
Ein "Frühwarnmechanismus zur Aufspürung von Personen, die im Verdacht stehen, Verbindungen zu Terrorismus und organisierter Kriminalität zu haben", soll eingerichtet werden, des Weiteren wurde ein Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Polizeiakademie (CEPOL) und Interpol verabschiedet (Verstärkung der Ausbildung von "erfahrenen Polizeibeamten", Lehrgänge, Seminare und Konferenzen, gemeinsames Programm für Lehrpläne und Unterrichtsmaterial).
Frankreich ist einer der EU-Mitgliedsstaaten der regelmäßig von "Gemeinsamen Ermittlungsgruppen" (JIT) Gebrauch macht. Zuerst 2004 mit Spanien, war Frankreich bis Ende 2008 in 20 JIT involviert. 11 davon waren bezogen auf "organisiertes Verbrechen", 9 auf "Terrorismus". 12 von 20 wurden mit Spanien ins Leben gerufen, vier mit Belgien, zwei mit Deutschland, eines jeweils mit den Niederlanden und Rumänien.
Wie z.B. auch in Deutschland werden die Strafverfolgungsbehörden in Frankreich gegenwärtig reorganisiert. Nachrichtendienste und Polizei werden über die neue "Direction centrale du reseignement interieur" (Zentrale des Inlandnachrichtendienstes, DCRI) koordiniert, die von Innenministerin Michèle Alliot-Marie aufgebaut wurde. Das DCRI besteht aus mehr als 4.000 Beamten, 3.000 von ihnen sind Polizisten, so genannte "Aktive" und berechtigt zur "geheimen Verteidigung". Ihre 175 Kommissare dürfen in jedem Department zu agieren. In der "Unité de Coordination de la Lutte Anti-Terroriste" (UCLAT) sind alle nationalen Polizeien zur "Bekämpfung des Terrorismus" zusammengefasst.
Der Apparat nimmt dabei auch linksradikale und anarchistische Gruppen aufs Korn (die als "anarcho-autonome" bezeichnet werden), kriminalisiert ihren Protest und betreibt Spaltungen. Betroffen sind die Verdächtigen der "Tarnac"-Ermittlungen, die zu spektakulären Verhaftungen im November 2008 geführt hatten . Das deutsche BKA ist an den Ermittlungen beteiligt. Ebenfalls im Visier der französischen neuen "Anti-Terror"-Behörden sind die "freeparty"-Szene, Proteste gegen Sarkozy, Unterstützung der Kämpfe in den Abschiebeknästen CPE, der Widerstand gegen das Treffen europäischer InnenministerInnen in Vichy im November 2008, die Mobilisierung gegen die Datenbank Edvige und ihre "kleine Schwester" Cristina sowie die Planungen gegen den für 2009 geplanten NATO-Gipfel.
Proteste gegen das neue "Mehrjahresprogramm" in Vorbereitung
Das "Haager Programm" von 2004 läuft aus, ein neues Programm soll nun im Herbst 2009 unter schwedischer Präsidentschaft, vermutlich in Stockholm, beschlossen werden. Während des deutschen EU-Vorsitz 2007 schuf der deutsche Innenminister Wolfgang Schäuble mit dem damaligen EU-Kommissar für Inneres ("Justice and Home Affairs"), Franco Frattini, die Future Group. Die "Future Group" bezeichnet sich selbst als "informelles Gremium" von Innenministern, das Leitlinien europäischer Innenpolitik erarbeitet. Ihre Diskussionen sind nicht öffentlich, es gibt keine Protokolle, ihre Berichte werden von niemandem bestellt. Dennoch bereiten sie richtungsweisende Entscheidungen vor.
Zur Verabschiedung des neuen "Mehrjahresprogramms" hat die "Future Group" eineWunschliste für Polizeikooperation, Kampf gegen den Terrorismus, Management von Missionen in Drittstaaten, Migration und Asyl sowie Border Management, Zivilschutz, neue Technologien und Informationsnetzwerke vorgelegt (Die Wünsche der EU-Innenminister). Prioritäten sind die "Aufrechterhaltung des ‘Europäischen Modells’", die "Bewältigung der zunehmenden Abhängigkeit zwischen innerer und äußerer Sicherheit" sowie die Gewährleistung eines "bestmöglichen Datenflusses innerhalb europaweiter Netzwerke". Zur Debatte stehen ein zentrales europäisches Bevölkerungsregister, grenzüberschreitende Onlinedurchsuchung, mehr Kontrolle des Internet, bessere Satellitenüberwachung, "Risikoanalyse" mittels Software, "e-borders", gemeinsame Abschiebeflugzeuge und -flüge, Flüchtlingslager in "Drittstaaten", mehr polizeiliche Interventionen außerhalb der EU, Ausbau der paramilitärischen "Europäischen Gendarmerietruppe", Zusammenarbeit der In- und Auslandsgeheimdienste, Einsatz des Militärs zur Migrationsabwehr, Ausbau und Vereinheitlichung von Polizei-Datenbanken und vereinfachter Zugriff darauf etc.
Die Maßnahmen, die in Stockholm beschlossen werden sollen, werden erst in einigen Jahren mit ihrer Ratifizierung in den Mitgliedsstaaten spürbar. Während die Programme von Tampere und Den Haag noch ohne größere Aufmerksamkeit eingetütet wurden, inszenierte die EU-Kommission mit einer Umfrage zum "Stockholm Programm" demokratische Partizipation. Jedoch konnten nur vorgegebene Antworten angeklickt werden, eine echte Kritik europäischer Innenpolitik war weder vorgesehen noch möglich. Obwohl nur 770 User an dem "survey" teilnahmen, wird dies als erfolgreiche Mitbestimmung interpretiert ("Die Meinung der Bürger zählt")..
Verschiedene Gruppen und Organisationen haben ihren Widerstand gegen das neue Programm angekündigt. Die britische Bürgerrechtsgruppe "Statewatch" hatte schon letztes Jahr zusammen mit dem sicherheitskritischen "European Civil Liberties Network" (ECLN) eine alternative Umfrage zur vermeintlichen "Bürgerbeteiligung" der EU an dem neuen Programm gestartet. Ein Aufruf gegen das Treffen der EU-Innen- und Justizminister in Schweden soll im März veröffentlicht werden. Auch im Rahmen des NATO-Gipfels im April in Strasbourg, Baden-Baden und Kehl sind Proteste gegen das neue EU-Programm geplant.