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Rechtsausschuss entschärft Oettingers EU-Leistungsschutzrecht

Grafik: TP

Beweislastumkehr und Pflicht zum Einsatz von "Technologien zur Inhaltserkennung" sollen entfallen

Derzeit kämpft EU-Kommissar Günther Oettinger für einen EU-Anteil an der Mineralölsteuer (vgl. Oettinger will Mineralölsteueranteil für die EU [1]). Im Herbst, als der CDU-Politiker noch nicht Haushalts-, sondern Digitalkommissar war, beschäftigte er sich noch mit anderen Dingen und legte einen Kommissionsentwurf für eine Copyright-Richtlinie [2] vor, die auf europäischer Ebene das durchsetzen wollte, was den deutschen Presseverlegern auf nationaler Ebene nicht gelang: Ein neues Leistungsschutzrecht, das ihnen neue Einnahmen in die Taschen spülen soll.

Derzeit durchläuft dieser Entwurf die zuständigen Ausschüsse des EU-Parlaments [3]. Nach der Beratung im federführenden Rechtsausschuss hat die maltesische EVP-Abgeordnete Therese Comodini Cachia [4], die dort Berichterstatterin ist, einen Änderungsantrag vorgelegt [5], der dem Leistungsschutzrecht - das der Binnenausschuss [6] ganz streichen lassen will - auf europäischer Ebene ein ähnliches Schicksal bescheiden könnte wie auf deutscher:

Beweislastumkehr gestrichen

Oettingers Entwurf sah eine Beweislastumkehr vor, bei der "sekundäre Medienbetriebe" wie Suchmaschinenanbieter und Soziale Netzwerke nachweisen hätten müssen, dass ein Verleger keine Monopolrechte an einem Inhalt hat. Diese Beweislastumkehr strich Comodini Cachia ebenso wie eine von Oettinger vorgesehene teure Pflicht zum Einsatz von "Technologien zur Inhaltserkennung" beim Upload, mit der die Nutzungshäufigkeit von Inhalten ermittelt und Abrechnungen für die Zahlungen an die Verleger erstellt werden sollten. Diese Pflicht zum Einsatz von Upload-Filtern war ursprünglich auch in der Anti-Terror-Richtlinie enthalten, aus der man sie wieder entfernt hat (vgl. EU: Trilog-Schattengremiensitzungen ersetzen ordentliches Gesetzgebungsverfahren [7]).

Außerdem nimmt die Comodini-Cachia-Version der Richtlinie Anbieter von der Abgabepflicht aus, wenn deren Nutzer die Inhalte einstellen oder wenn Presseartikel automatisiert genutzt werden, weshalb sowohl Facebook als auch Google News nicht mehr betroffen wären. Ganz gestrichen, wie die European Digital Rights Initiative [8] und die Communia Association [9] das forderten, hat Comodini Cachia den Artikel 13 des Kommissionsentwurfs jedoch nicht. Nun ist unklar, wer die Gebühren, die sich die Verleger erhoffen, zahlen soll.

Autoren und Komponisten müssen für 2018 wieder mit der Halbierung ihrer Einkünfte aus Verwertungsgesellschaften rechnen

Den Artikel 12 der Oettinger-Richtlinie [10], der eine Entscheidung des EuGH außer Kraft setzen soll, nach der Urheberrechtsabgaben nur Urhebern und nicht Verlegern zustehen, ließ Comodini Cachia unverändert. Deshalb ist damit zu rechnen, dass der für 2017 erwartete "Geldregen" für Autoren und Komponisten ein einmaliges Ereignis bleiben wird und dass GEMA und VG Wort 2018 wieder große Teile ihrer Einnahmen an Verlage ausschütten werden - zu Lasten der Urheber [11].

Verwaiste Werke

Artikel 7 der Richtlinie regelt den Umgang mit so genannten "verwaisten Werken", die aufgrund der sehr langen Immaterialgüterrechtsfristen noch nicht gemeinfrei sind, aber nicht mehr kommerziell angeboten werden. Die Nutzung solcher Werke durch Museen, Archive öffentlich-rechtliche Fernsehsender und andere "Kulturbewahrer" will die Ausschussfassung erleichtern, indem sie den Wortlaut der Vorschrift bestimmter fasst und beispielsweise aus einer "vernünftigen" Wartefrist sechs Monate und aus "angemessenen" Bekanntmachungsmaßnahmen "effektive und überprüfbare" macht.

Wie die endgültige Fassung aussehen wird, ist völlig offen

Wenn die Frist für Änderungsanträge am 30. März abläuft, stellt man aus den Fassungen der einzelnen Ausschüsse eine so genannte "konѕolidierte Fassung" der Richtlinie her. Über diese soll das Plenum des EU-Parlaments im Juli abstimmen, wobei es und weitere Änderungen einbringen kann. Hat sich dort eine Mehrheit auf eine Fassung geeinigt, folgen so genannte "Trilog"-Verhandlungen mit Vertretern der Kommission und des Rats, die hinter verschlossenen Türen stattfinden und deren Abschluss für Ende des Jahres erwartet wird. Der Rat erarbeitet seit Mitte Februar eine eigene Fassung der Richtlinie, die erfahrungsgemäß eher der Kommissionsfassung ähneln wird.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-3666688

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/tp/features/Oettinger-will-Mineraloelsteueranteil-fuer-die-EU-3641730.html
[2] http://ec.europa.eu/transparency/regdoc/rep/1/2016/EN/1-2016-593-EN-F1-1.PDF
[3] http://www.europarl.europa.eu/oeil/popups/ficheprocedure.do?reference=2016/0280(COD)&l=en
[4] http://www.europarl.europa.eu/meps/de/124968/THERESE_COMODINI+CACHIA_home.html
[5] http://www.comodinicachia.com/timeline.html
[6] http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?type=COMPARL&reference=PE-599.682&format=PDF&language=EN&secondRef=01
[7] https://www.heise.de/tp/features/EU-Trilog-Schattengremiensitzungen-ersetzen-ordentliches-Gesetzgebungsverfahren-3608043.html
[8] https://edri.org/copyright-directive-lead-mep-partly-deletes-censorship-machine/
[9] http://www.communia-association.org/2017/03/20/lead-mep-proposes-fixes-egregious-flaws-copyright-reform-proposal/
[10] http://www.vginfo.org/vg-info/eu-plant-beteiligungsanspruch-gegen-urheber
[11] http://www.vginfo.org/vg-info/protestbrief-gegen-verlegerbeteiligung-jetzt-auf-englisch