Rückt die Jugend nach rechts – oder ist alles nur ein Missverständnis?

Jugendliche auf einer Demonstration

Wie tickt die Jugend? Die Wahlen werden es zeigen. Bild: Thomas Margraf, Shutterstock.com

Forscherin Julia Ebner: Jungwähler finden Rechtspopulismus "cool". Umfragen widersprechen sich. Doch der Trend ist nicht zu leugnen.

Die AfD erfreut sich bei jungen Menschen in Deutschland zunehmender Beliebtheit, wie die Studie "Jugend in Deutschland" zeigt, über die auch Telepolis berichtet hatte. 22 Prozent der 14- bis 29-Jährigen mit Parteipräferenz und Wahlabsicht unterstützen die AfD.

Dieser Trend ist jedoch nicht auf Deutschland beschränkt, sondern zeigt sich in vielen EU-Ländern. Die Anthropologin Julia Ebner, die sich für ihre Forschung in radikale Gruppen einschleust, sieht eine wachsende Anziehungskraft rechtspopulistischer Bewegungen bei jungen Wählern in ganz Europa.

Rechtspopulismus und junge Wähler

Gegenüber dem Handelsblatt erklärt Ebner den Trend damit, dass viele junge Menschen eine diffuse Ungerechtigkeit und Abstiegsängste empfinden. Rechtspopulistische Bewegungen seien geschickt darin, diese Ängste in sozialen Medien anzusprechen. Einmal von diesen Gruppen angezogen, falle es den Jugendlichen schwer, sich wieder aus diesen Kreisen zu lösen, auch aufgrund der Ausgrenzung durch den Rest der Gesellschaft.

Ebner betont, dass es nicht entscheidend ist, ob eine Ungerechtigkeit objektiv besteht oder nur subjektiv empfunden wird. Rechtspopulisten nutzten auch Beispiele aus anderen Ländern, um Ängste zu schüren und die Frage aufzuwerfen: "Wird es bei uns bald auch so aussehen?"

Die Rolle der sozialen Medien

Soziale Medien spielen eine entscheidende Rolle bei der Verbreitung rechtspopulistischer Ideen. Rechte Bewegungen sind laut Ebner sehr gut darin, junge Zielgruppen mit eigenen Accounts auf Plattformen wie TikTok und eigens kreierten Memes anzusprechen. Sie bieten im Netz Entertainment und Gamification und gelten bei vielen jungen Menschen als "cool".

Dafür wird auch in der EU im wahrsten Sinne des Wortes der Messenger verantwortlich gemacht und, wenn man so will, ein digitaler Fenstersturz geplant, bis hin zum Verbot nämlich der ensprechenden Plattformen.

Den Messenger aus dem Fenster werfen

Die Kritik an TikTok reicht von Spionage über mangelnden Jugendschutz bis hin zur Erzeugung von Nutzerabhängigkeit. Vor allem in Deutschland hieß es, Tiktok sei am Rechtsruck verantwortlich. Als ob am Versagen etablierter Parteien bei der politischen Kommunikation die Kommunikationsplattformen Schuld seien.

Fakt ist: Als Vertreter der etablierten Parteien die Namen dieser Plattformen nicht einmal kannte, da hat die AfD ihre Reden bereits darauf ausgerichtet, die online zu spreaden – mit verwendbaren Kurzpassagen, direkter Anrede der User und Memes.

**Empfehlungen für die etablierte Politik**

Ebner jedenfalls empfiehlt, im Bildungsbereich die Schnittstelle zwischen Psychologie und Digitalkompetenz zu behandeln. Junge Menschen müssen verstehen, wie digitale Räume auf sie wirken und wie sie manipuliert werden können. Sie betont auch die Notwendigkeit, die Sprache zurückzuerobern, da rechtspopulistische Bewegungen Begriffe wie "Freiheit" oder "Demokratie" für ihre Zwecke gekapert haben.

Interessanterweise weisen laut Ebner Rechtsextreme und Islamisten viele Parallelen in ihren Narrativen und Weltbildern auf. Beide Gruppen träumen von einer religiös oder ethnisch homogenen Gesellschaft, glauben an antisemitische Verschwörungstheorien und werten Frauen und sexuelle Minderheiten ab.

Alles nur Fehler und Missverständnisse?

Laut der Studie "Jugend in Deutschland" jedenfalls soll die AfD unter jungen Leuten die beliebteste Partei in Deutschland sein. Wie gesagt: 22 Prozent der 14- bis 29-Jährigen würden demnach die AfD wählen. Eine folgende Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa stellte diese Ergebnisse jedoch infrage.

Laut Forsa liegen die Grünen bei den Jungwählern mit 21 Prozent vorne, gleichauf mit der Union. Die AfD kommt in dieser Umfrage nur auf 14 Prozent. Forsa-Chef Manfred Güllner kritisiert die Jugendstudie als "völlig verzerrt".

An den Ergebnissen ändert sich wohl nichts

Eine mögliche Erklärung, so hieß es in der Zeit, in mit zuerst über die Jugendstudie berichtet worden war, könnte in der Zusammensetzung der befragten Gruppen liegen. Forsa befragte junge Menschen im Alter von 18 bis 29 Jahren, während die Jugendstudie eine breitere Altersgruppe von 14 bis 29 Jahren umfasste.

Doch eine Sonderauswertung der Jugendstudie, die auf Bitte der ZEIT vom Autorenteam um den Jugendforscher Simon Schnetzer durchgeführt wurde, habe gezeigt: Die AfD kommt auch bei den 18- bis 29-Jährigen auf 22,2 Prozent.