Russische "Schattenflotte" weckt Sorgen: Wann kommt die nächste Umweltkatastrophe?
Mit einer steigenden Zahl alter Tanker umgeht Russland westliche Sanktionen. Behörden warnen vor den Gefahren einer neuen Ölpest in der Ostsee. Das sind die Hintergründe.
In der Hoffnung, Russlands Einnahmen aus dem Ölgeschäft zu schmälern, verhängten die westlichen Länder weitreichende Sanktionen. Ihr Erfolg ist allerdings seit geraumer Zeit umstritten.
Während Russland sein Exportniveau halten kann, sinken seine Erlöse. Gleichzeitig umgehen russische Exporteure mithilfe einer Schattenflotte von Tankern westliche Reeder und Dienstleister, die durch die Sanktionen an ein bestimmtes Preisniveau von Rohöl und Ölprodukten gebunden sind.
Nach Angaben des Branchendienstes Lloyd’s List ist die Schattenflotte auf inzwischen rund 440 Tanker angewachsen, die im Durchschnitt 20 Jahre alte sind. Mit ihnen wird Öl aus dem Iran, Venezuela und Russland transportiert – alles Länder, die von den USA und anderen westlichen Staaten mit Sanktionen bedacht wurden.
Dadurch wächst die Gefahr einer erheblichen Umweltkatastrophe – auch an den Küsten Europas. Die Behörden in Finnland schlagen inzwischen Alarm und verstärken die Übungen und Schulungen für den Notfall einer Ölpest, schrieb kürzlich die Washington Post.
Demnach fürchten die finnischen Behörden nicht nur die alten Tanker, die vor den Sanktionen nicht im Finnischen Meerbusen gesichtet wurden und eigentlich auf den Schrotthaufen gehören. Auch die Besatzungen haben, so die Annahme der finnischen Behörden, nur wenig Erfahrung mit den Bedingungen dieser überfüllten, flachen und eisigen Wasserstraße.
Experten treibt zudem die Sorge um, dass die alten Schiffe nicht ordnungsgemäß inspiziert und gewartet werden, was zu einem katastrophalen Unfall auf See führen könnte. Wenn die Tanker auch noch unzureichend versichert sind, könnten im Ernstfall die Mittel mit Rettungsmaßnahmen fehlen.
Wie auf europäischen, so auch auf asiatischen Handelsrouten. Im Zeitraum von Anfang Dezember bis Anfang Februar wurden bei mindestens 40 Schiffen Mängel beim Versicherungsschutz festgestellt, die russisches Öl nach China und Indien transportierten.
Der Finanzdienst Bloomberg hatte am Sonntag darüber berichtet und sich auf Angaben von Equasis, der Datenbank für die Sicherheit im Seeverkehr, berufen. Demnach verfügten diese Tanker nicht über eine Versicherung von Mitgliedern der International Group of P&I Clubs (IG P&I).
Angesichts der Sanktionen gegen den russischen Ölsektor verwundert das nicht. Die IG P&I hat ihren Sitz in London und die zwölf Versicherer, die sich unter diesem Dach zusammengeschlossen haben, sind an den westlichen Preisdeckel gebunden. Nach eigenen Angaben versichern sie rund 90 Prozent aller Hochseefrachten und besitzen damit ein Quasi-Monopol. Deshalb hegten die westlichen Staaten auch die Hoffnung, ihre Dienstleistungen nutzen zu können, um Druck auf Russland ausüben zu können.
Den 40 Schiffen, über die Bloomberg berichtete, fehlte es nicht nur an Versicherungen, sie verfügten auch nicht über routinemäßige Sicherheitsmanagementzertifikate. Drei Schiffen fehlte auch eine sogenannte Klassifizierung, die ihre Seetüchtigkeit nachweisen würde.
In der Vergangenheit galten die Betreiber der russischen Tankerflotte als erfahren und professionell, erklärte ein Branchenexperte gegenüber Bloomberg. Doch inzwischen treten zunehmend Händler und Reedereien auf den Plan, die oft undurchsichtige Eigentumsverhältnisse aufweisen.
Im vergangenen Jahr habe es einen sprunghaften Anstieg der Verkäufe von Öl- und Kraftstofftankern an unbekannte Käufer gegeben. Mehr als 100 Schiffe hätten den Besitzer gewechselt. Und im gleichen Zeitraum sei die Zahl der Abwrackungen stark zurückgegangen.
Und so werden immer mehr alternde Schiffe mit gefährlicher Ladung in der Ostsee, aber auch vor den Küsten Griechenlands und der spanischen Exklave Ceuta in Nordafrika gesichtet.
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