Russland gegen Ukraine: Von wegen erster Krieg in Europa seit 1945
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Populisten haben wegen der griechischen Geschichte ein leichtes Spiel. Der Vertrag von Lausanne beendete den Krieg, in dem die Griechen ihre Träume von "Großgriechenland" begraben mussten. Von der Entente angestachelt, schickte der damalige Premier Eleftherios Venizelos Invasionstruppen ins zerfallende osmanische Reich, wo es an der Ägäisküste und am Schwarzen Meer große griechische Siedlungsgebiete gab.
Als sich das Blatt durch die Jungtürken unter Mustafa Kemal Atatürk wendete, zog die Entente ihre Unterstützung zurück und der zwischenzeitliche Vertrag von Sèvres, der unter anderen den Pontos-Griechen am Schwarzen Meer gemeinsam mit den Armeniern einen Staat sicherte, wurde wertlos.
Es kam in der Folge zu ethnischen Säuberungen durch die Jungtürken, welche von Griechen und Armeniern und von europäischen Staaten wie Frankreich als Genozid bezeichnet werden. Beim Brand von Smyrna beziehungsweise Izmir blockierten französische und britische Kriegsschiffe die Flucht der Griechen vor den Truppen Atatürks.
Flüchtlinge, die es bis zu den Kriegsschiffen schafften, wurden von den Besatzungen aktiv daran gehindert, aufs Schiff zu kommen. Die Ironie der Geschichte ist, dass damals Syrien zum Asyl- und Rettungsland für viele wurde. Ein Teil der Griechen, die rund ums Schwarze Meer siedelten, blieb von diesen Entwicklungen weitgehend verschont. Es handelt sich um die Vorfahren der griechischen Minderheit, die in der Ukraine lebt.
100 Jahre ist die sogenannte Kleinasiatische Katastrophe der Griechen nun her, aber die Wunden sind noch offen. Es gibt die moslemische Minderheit in Thrakien, die von der türkischen Seite als eigene ethnische Minderheit angesehen wird, und von der griechischen Politik, ebenso wie die Pomaken als Staatsbürger zweiter Klasse behandelt werden. Die Türkei hatte ihrerseits griechische Minderheiten vor allem während der Fünfziger des vergangenen Jahrhunderts effektiv aus dem Land gegrault.
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All dies sollte nationalistischen Populisten eigentlich den Wind aus den Segeln nehmen. Denn allein anhand des Schicksals war Griechenland in einer ähnlichen Lage, wie heute die Ukraine. Von Verbündeten als Schachfigur gegen einen stärkeren Gegner eingesetzt und mit der Problematik der ethnischen Minderheiten des jeweiligen Gegners im Land konfrontiert. Gleiches gilt analog für die Republik Zypern. Zudem gilt auf dem Balkan das Credo, dass jede Verschiebung von Grenzen potenziell die berühmte Büchse der Pandora öffnet und zu Kettenreaktionen führt.
Eigentlich. Denn in der Logik des Balkans wird die Geschichte von Populisten gern passend gedeutet. Aktuell pokert der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan sehr geschickt. Für seine Anhängerschaft spielt er mit der Einstufung der Nato-Politiker als "Puppentheater" den starken Mann. Er ist Herr über die wichtigen Meerengen, welche das Schwarze Meer mit der Ägäis verbinden.
Die Schließung der Meerengen kann die russische Marine von der Versorgungsroute über das Mittelmeer abschneiden. In seiner Entscheidung ist der türkische Präsident jedoch an die Bedingungen des Vertrags von Montreux gebunden. Vollständige Entscheidungsgewalt hat die Türkei nur, wenn sie selbst in einen Krieg verwickelt ist.
Erdoğans Lavieren wird von einigen griechischen Politikern und Analysten bewundert. Er würde sich Vorteile für das eigene Land heraushandeln, heißt es, während Griechenland ohne Bedingungen der Nato-Doktrin folgen würde, und am Ende dann doch wieder allein gelassen würde. Schließlich hat Erdoğan, der trotz der Nato-Mitgliedschaft auch Rüstungsgüter aus Russland gekauft hat, bislang keine wirklichen Konsequenzen für die mangelnde Bündnistreue zu spüren bekommen.
Welche Bomben trafen die Griechen?
Der eindeutig aufseiten der Ukraine stehende griechische Regierung bescheren griechische Kriegsopfer ein weiteres Problem. Bei Mariupol im Dorf Sartana und einem weiteren der Ostukraine liegenden Dorf, Buhas, wurden am Wochenende zehn Angehörige der griechischen Minderheit getötet. Unter Mitwirkung des griechischen Konsulats in Mariupol wurden die Bewohner, die das Dorf Sartana verlassen wollten, nach Mariupol evakuiert.
Die Bewohner selbst sagten im griechischen Fernsehen, sie wüssten nicht, von welcher Seite, der russischen oder der ukrainischen, sie beschossen wurden.
Premierminister Mitsotakis äußerte sich öffentlich über soziale Netzwerke und beschuldigte Russland, die Dörfer bombardiert zu haben. Der russische Botschafter in Athen erhielt eine Protestnote des Außenministeriums und wurde zur Rücksprache im Außenministerium einbestellt. Die russische Botschaft berief sich auf ein Dementi der russischen Regierung und reagierte ihrerseits via soziale Netzwerke mit verbalen Angriffen auf "Parlamentarier, Ministerien und Papageien".
Der Sprecher des griechischen Außenministeriums, Alexandros Papaioannou, bezeichnete die Art und Weise der russischen Botschaft als "vollkommen inakzeptabel". Die Russen seien für das Leid der Menschen verantwortlich, sagt er. "Wir haben gegenüber der russischen Seite wiederholt, dass sie verpflichtet sind, das Völkerrecht zu respektieren.
Die Achtung der Souveränität und territorialen Unabhängigkeit der Ukraine ist nicht verhandelbar, wie auch bei jedem anderen Land, und dies ist laut Nikos Dendias das Evangelium der griechischen Außenpolitik", betonte der Sprecher.
Dem seriösen Lager zugeordnete griechische Medien wie die Tageszeitung To Vima übernahmen die Stellungnahme der Russen, dass die Dörfer "Geiseln der ukrainischen Nationalisten" seien und vom faschistischen ukrainischen Regiment "Asow" beschossen worden wären. Zudem werden auch im Fernsehen Videos gezeigt, welche belegen sollen, dass Angehörige des AsowRegiments auf fliehende Zivilisten schießen würden. Belegen lässt sich bislang keine der beiden Versionen.
Waffenlieferungen oder schlicht Rückgaben?
Griechenland hat am Sonntag außer einer humanitären Hilfslieferung auch Rüstungstechnik in die Ukraine geschickt. Darunter sind Kalaschnikow-Gewehre, leichte Artillerie, Panzerfäuste, Munition und Mörsergranaten. Sie wurden mit C-130 Transportern in die Ukraine geflogen.
Das Kriegsgerät stammt nicht vom griechischen Militär, sondern aus dem Lager der Küstenwache. Es handelt sich um 50 Container mit Waffen, die am 11. Dezember 2013 von griechischen Grenzschützern auf dem Schiff Nour-M konfisziert wurde. Die Waffen waren trotz des damaligen Embargos gen Syrien unterwegs.
Die Nour-M war im Auftrag der ukrainischen Reederei Ukrinmash unterwegs. Es soll aber auch Lieferungen von Gerät der griechischen Streitkräfte geben. Am Montag schloss Regierungssprecher Giannis Oikonomou schloss am Montag bei einer Einweisung auch die Entsendung von Kampfjets der Luftwaffe nicht aus.
Auch für diese Aktionen der griechischen Regierung gab es Kritik, nicht nur von "Putin-Verstehern". Die Regierung der Ukraine hat wegen des Krieges ein griechisches Handelsschiff, die "Maran Astronomer", im Hafen Yuzhny bei Odessa festgesetzt. Das Schiff fährt unter griechischer Flagge und hat zwanzig Besatzungsmitglieder.
Die Familien der sechs unfreiwillig im Kriegsgebiet verbleibenden griechischen Seeleuten drängt die Regierung, Lieferungen auch an Bedingungen für die Freilassung ihrer Angehörigen zu binden.