Russland startet mutmaßliche Weltraumwaffe auf Umlaufbahn eines US-Satelliten

Ein Satellit auf seiner Erdumlaufbahn

(Bild: Dima Zel / Shutterstock.com)

Waffensystem wurde offenbar schon Mitte des Monats in den Orbit gebracht. Ähnliche Tests bereits im Jahr 2021. Warum die Waffen für die USA kritisch sind.

Das US-amerikanische Weltraumkommando (Space Command) hat bekannt gegeben, dass Russland in der vergangenen Woche einen Satelliten gestartet hat, der nach Einschätzung von US-Geheimdiensten zur Überwachung und Zerstörung anderer Satelliten genutzt werden könnte. Aktuell folgte das russische Raumfahrzeug einem US-amerikanischen Spionagesatelliten auf seiner Umlaufbahn. Aus Russland wurde diese Darstellung bislang nicht bestätigt.

Russisches "Auge" auf Umlaufbahn

Die russische Sojus-Rakete hob am 16. Mai vom Startplatz Plesetsk ab, rund 800 Kilometer nördlich von Moskau. Sie brachte mindestens neun Satelliten in den erdnahen Orbit, darunter auch Cosmos 2576. Dieser Satellit gehört zu einer Art russischer militärischer "Inspektor"- Raumfahrzeuge, die von US-Beamten aufgrund ihres rücksichtslosen Verhaltens im Weltraum kritisiert werden.

Ein Sprecher des US-amerikanischen Space Command erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters: "Wir haben normale Aktivitäten beobachtet und schätzen, dass es sich wahrscheinlich um eine Weltraumwaffe handelt, die vermutlich in der Lage ist, andere Satelliten im erdnahen Orbit anzugreifen."

Militärische und zivile Satelliten im All

Cosmos 2576 ähnelt früheren Weltraumwaffen, die Russland in den Jahren 2019 und 2022 eingesetzt hat. US-Geheimdienste hatten mit dem Start von Cosmos 2576 gerechnet und ihre Verbündeten vor der Inbetriebnahme des Satelliten im Weltraum informiert. Interessanterweise wurden bei diesem Start auch zivile Satelliten in verschiedene Umlaufbahnen gebracht.

Bart Hendrickx, ein langjähriger Analyst des russischen Raumfahrtprogramms, kommentierte: "Diese Mischung aus militärischen und zivilen Nutzlasten war vollkommen unerwartet. So etwas haben wir bei einem russischen Start noch nie gesehen."

Russland im Visier der US-Geheimdienste

Zwar hat sich Cosmos 2576 keinem US-Satelliten genähert, doch Raumfahrtanalysten haben beobachtet, dass er sich in derselben Umlaufbahn wie USA 314 befindet, ein NRO-Satellit in der Größe eines gewöhnlichen Busses, der im April 2021 gestartet worden war.

Verdacht auf Entwicklung von Weltraum-Nuklearwaffen

Die USA werfen Russland vor, eine auf dem Weltraum basierende Nuklearwaffe zu entwickeln, die in der Lage ist, ganze Netzwerke von Satelliten zu zerstören. US-Beamte glauben, dass Russland mindestens einen Satelliten, Cosmos 2553, im Kontext seines nuklearen Weltraumwaffenprogrammes gestartet hat. Allerdings haben US-Beamte erklärt, dass Russland keine Nuklearwaffe im Weltraum stationiert hat.

Seit der Invasion der Ukraine im Februar 2022 hat Russland einen Großteil seiner Weltraumaktivitäten geheim gehalten und damit gedroht, US-Satelliten anzugreifen, die die ukrainische Militärverteidigung unterstützen, wie SpaceX’s Starlink, ein weitreichendes Netzwerk von Tausenden Internet-Satelliten im erdnahen Orbit.

US-Experten verweisen auf Test der Russen 2021

Die USA und Russland liefern sich derzeit einen Schlagabtausch im UN-Sicherheitsrat über Satellitenwaffen. Das US-amerikanische Quincy Institute schrieb bereits Mitte vergangenen Jahres über den Hintergrund und schätzte die Lage wie folgt ein:

Moskau verfügt jedoch eine Reihe von Optionen, die über einen nuklearen Präventivschlag hinausgehen und den Vereinigten Staaten und der NATO dennoch schweren Schaden zufügen würden. Ein Großteil der ukrainischen Kriegsanstrengungen hängt von Amerikas weltraumgestützten Kommunikations-, Aufklärungs- und Leitsystemen ab, die für russische Angriffe anfällig sind. Russland hat diese Fähigkeit im November 2021 unter Beweis gestellt, als es einen seiner eigenen Satelliten in der Umlaufbahn mit einer bodengestützten Abfangrakete zerstörte - eine Demonstration, die angesichts der zunehmenden Spannungen in der Ukraine mit ziemlicher Sicherheit als Warnung an die Vereinigten Staaten gedacht war. Obwohl Moskau eine Erwiderung des Westens erwarten würde, ist Russland weit weniger abhängig von weltraumgestützten Systemen als die Vereinigten Staaten.

Die USA den russischen Anti-Satelliten-Test schon damals scharf verurteilt. Der Test habe dazu geführt, dass Besatzungsmitglieder auf der Internationalen Raumstation (ISS) in ihre Raumfahrzeuge flüchten mussten, hieß es laut CNN damals aus Washington. Die USA bezeichneten den Schritt Moskaus als "rücksichtslosen und gefährlichen Akt" und betonten, dass sie Verhaltensweisen, die internationale Interessen gefährden, "nicht tolerieren" werden.

USA: Russischer Test 2021 erzeugte Trümmerfeld im Orbit

Das US Space Command hatte im November 2021 bekanntgegeben, dass Russland eine Waffe gegen Satelliten – auf Englisch ist das Akronym DA-ASAT üblich – getestet hat. Dabei wurde ein russischer Satellit getroffen und ein Trümmerfeld in der niedrigen Erdumlaufbahn erzeugt. Dieses besteht aus mehr als 1.500 nachverfolgbaren orbitalen Trümmerteilen und wird wahrscheinlich Hunderttausende kleinerer orbitaler Trümmer erzeugen.

US-Beamte betonten die langfristigen Gefahren und möglichen globalen wirtschaftlichen Auswirkungen des russischen Tests. Dieser hat Gefahren für Satelliten geschaffen, die Menschen weltweit mit Telefon- und Breitbanddiensten, Wettervorhersagen, GPS-Systemen versorgen. Diese Systeme sichern die Funktion des Finanzsystems ab, einschließlich Bankautomaten, sowie In-Flight-Entertainment und Satellitenradio und -fernsehen.

Missachtet Russland Sicherheit im Weltraum?

"Russland hat eine bewusste Missachtung für die Sicherheit, Stabilität und langfristige Nachhaltigkeit des Weltraumbereichs für alle Nationen gezeigt", sagte der Kommandeur des US Space Command, General James Dickinson. "Die von Russlands DA-ASAT erzeugten Trümmer werden weiterhin eine Bedrohung für Aktivitäten im Weltraum darstellen und Satelliten und Weltraummissionen gefährden. Dieses Verhalten ist einfach unverantwortlich", fügte er hinzu.

NASA-Chef Bill Nelson äußerte sich in einer Stellungnahme "empört über diese verantwortungslose und destabilisierende Aktion. Es ist undenkbar, dass Russland nicht nur die amerikanischen und internationalen Partner-Astronauten auf der ISS, sondern auch ihre eigenen Kosmonauten gefährdet. Ihr Verhalten ist rücksichtslos und gefährlich und bedroht auch die chinesische Raumstation."