Schafe und Schäfer vom Aussterben bedroht
- Schafe und Schäfer vom Aussterben bedroht
- Lange Arbeitszeiten, kaum Freizeit, geringes Einkommen
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Sie passen nicht mehr in unsere moderne, technisierte Welt
Seit Jahrhunderten ziehen Schäfer mit ihren Tieren durch die Gebirge und Wiesen Mitteleuropas. Zumindest in Deutschland könnte es damit bald vorbei sein. Immer weniger junge Leute wollen diesen anstrengenden, schlecht bezahlten Beruf ausüben. Dabei erfüllen Schafe und Schäfer eine bedeutende Aufgabe in der Landschaftspflege.
Während ihrer Wanderung durch die Mittelgebirge verbeißen Schafe Gehölze und halten Flächen von der Verbuschung frei. In den gelichteten Pflanzenbeständen keimen lichtbedürftige Blühkräuter auf und ziehen Bienen, Schmetterlinge und andere bestäubende Insekten an. Im Flachland dient Schafbeweidung auch dem Deich- und Hochwasserschutz.
"Ohne Beweidung würden die Flächen komplett zuwachsen", erklärt Stefan Klotz, Pflanzenökologe am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung. Doch Schafe transportieren auch Samen in ihrem Fell und verbreiten sie mit den Hufen. Unverdaute Samen werden mit dem Kot woanders wieder ausgeschieden. So können sich Gräser und Kräuter über weite Strecken vermehren. Im Gebirge verfestigen die Tiere mit ihrem Tritt die Grasnarbe und bilden einen natürlichen Erosionsschutz für den Boden. Ohne Beweidung droht auch die Verbuschung von kräuterreichen Alpwiesen.
Manchmal laufen in den Schafherden auch Ziegen mit, die für die Landschaftspflege von Bedeutung sind. Die neugierigen Feinschmecker knabbern gerne an Baumrinden und Blättern, benagen Sträucher und Gehölze. Wegen ihrer Gift- oder Bitterstoffe meiden sie etliche Kräuter, welche wiederum die Artenvielfalt von Pflanzengesellschaften bereichern. So werden Tollkirsche, Eisenhut, Herbstzeitlose, Bingel- oder Schöllkraut, Hahnenfuß und Wolfsmilcharten gemieden, andere Kräuter nur in geringen Mengen verdaut.
An die Mittelgebirge gut angepasst und optimal für die Landschaftspflege sind die selten gewordenen Thüringer Wald-Ziegen, Harzer-, Schwarzwald- oder Erzgebirgsziegen.
Fleisch und Wolle von alten Rassen
Früher gab es vielfältige regionale Nutztierrassen, zum Teil mit lokalen Ausprägungen. Sie wurden allmählich verdrängt durch moderne Leistungsrassen, die seit der 1960er Jahre in der Tierhaltung Einzug hielten. So erklimmen die Braunen Bergschafe mühelos die Steilhänge der Alpen. Mit dem rauen Klima kommen die Tiere bestens zurecht, doch in den 1980er Jahren war die Rasse mit rund 300 Tieren dem Aussterben nahe.
Auf der Roten Liste der GEH e. V. werden die rund 1200 Tieren als "stark gefährdet" eingestuft. Ähnlich erging es den Weißen Bergschafen, die einst flächendeckend die bayerischen Alpen und Voralpen beweideten und von denen heute nur noch rund 1600 Tiere erhalten sind Mit nur noch rund 800 lebenden Tieren gelten auch die berggängigen, robusten Alpine Steinschafe als "extrem gefährdet".
Dabei liefern diese Rassen nicht nur schmackhaftes Fleisch, sondern auch hervorragende Wolle. Die Verarbeitung von Chemiefasern in unserer Kleidung hat dazu geführt, dass Schafwolle wertlos wurde, weshalb sie nach der Schur heute häufig im Müll landet. Der Preis für ein Kilo Wolle liegt dem entsprechend zwischen nur 35 Cent und einem Euro - das reicht gerade mal zur Deckung der Schurkosten.
Auf der anderen Seite ist die Verarbeitung von Schurwolle für seltene Schafrassen ein Weg, wieder mehr Beachtung in der Öffentlichkeit zu finden. So näht zum Beispiel die Wollmanufaktur in Straßberg Jacken aus Wolle von Schafen aus der Region. Es gibt eine Genossenschaft, die sich auf die Verarbeitung der Wolle der gefährdeten Coburger Fuchsschafe konzentriert, eine überregionale Züchter-Initiative kümmert sich um die Vermarktung der Wollprodukte des Alpinen Steinschafes.
Schmaler Lohn für harte Arbeit
Mindestens sechs Monate im Jahr ist der Wanderschäfer Jan Raupach mit seinen Schafen im westlichen Erzgebirge unterwegs. Die Tiere fressen sich im Schritttempo durch Bergwiesen und ehemalige Truppenübungsplätze. Im Winter scharren die Schafe den Schnee mit ihren Hufen weg, bis das Gras darunter freiliegt.
Die Nächte verbringen sie in einem Nachtpferch mit Elektrozaun - weiße Pyrenäen-Berghunde schützen sie vor zwei- und vierbeinigen Räubern. Ein Teil der Lämmer, die von den Muttern aufgezogen werden, wird verkauft. Der Schäfer säubert die Hufe und schneidet die Klauen, im Frühsommer ist er mit der Schur beschäftigt.
Die Lammzeit beginnt Ende Februar bis Mitte März und geht mit Unterbrechung bis in den Mai. Im Juni werden die älteren Schafe geschoren und im September die ersten Lämmer verkauft. Die Klauenpflege wird das ganze Jahr über durchgeführt. Kranke Tiere müssen versorgt werden. Ein Schäfer kennt normalerweise keinen Urlaub und kein Wochenende. Einzige Begleiter sind die zwei bis drei Hütehunde.
Im Sommer kann sich der Schäfer etwas hinzuverdienen, indem er seine Berg- und Schwarzkopfschafe über die Äcker der Agrargenossenschaft schickt. Hier lesen sie die Körner auf, die aus dem Mähdrescher gefallen sind und fressen sich an Weidel- und Kleegras satt und trampeln mit ihren Hufen nebenbei die Mäuselöcher zu.
Wandernde Schafe haben auch in Baden-Württemberg eine lange Tradition. Jährlich überwinden die Schafe große Entfernungen zwischen Sommer- und Winterweiden. Die Tierärztin Andrea Metzger hütete jahrelang rund 1.000 Schafe, die sie von ihrem Vater übernommen hatte und führte sie jedes Jahr durch die Schwäbischen Alb bis zur Schweizer Grenze. Früher seien hier bis zu 40.000 Schafe über die Triebwege gelaufen, berichtet sie im Interview mit dem ZDF.
Probleme habe es schon damals gegeben. So lagen die Wanderschäfer mit den Kommunen häufig im Streit, weil diese die Triebrechte der Schäfer nicht anerkannten. Außerdem wurden die Viehtriebwege einfach zugebaut. Heute ist neben den steigenden Transport- und Futterkosten und geringer Entlohnung die zunehmende Bürokratie ein Problem. Außerdem hat wohl nicht jeder eilige Autofahrer Verständnis dafür, wenn er von vorbei laufenden Schafen ausgebremst wird.