Schlagseite bei der ARD? Habeck im Fokus, Weidel im Schatten
Debatte um Spitzenduelle – Medien im Wahlkampf-Modus: ARD und ZDF als journalistische, unparteiische Beobachter? Kritik an einem Symptom tieferer Probleme.
Die ARD-Tagesschau-App meldete am gestrigen Vormittag (18. 12.) unter der Überschrift: "Habeck lehnt TV-Duell mit Weidel ab", dass der bündnisgrüne Spitzenkandidat Robert Habeck nicht an einem seitens der öffentlich-rechtlichen Leitmedien ARD-Erstes und ZDF geplanten TV-Duell mit der AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel teilnehmen wolle.
Im Text der Meldung der "Tagesschau" (siehe Screenshot) steht dann näher, ARD und ZDF hätten bestimmte Vorstellungen – "doch Habeck und Weidel wollen nicht mitmachen".
Das war anscheinend der Sachstand aus Sicht der ARD-aktuell-Redaktion in Hamburg zu jener Zeit: Beide Spitzenleute, Weidel und Habeck, wollten bei diesem geplanten Rededuell im TV nicht mitmachen.
Da stellt sich die Frage: Wenn dem aus Sicht der Tagesschau zu jenem Zeitpunkt so war, warum wird dann in der Überschrift nur Habeck als handelnde Person erwähnt?
Das Problem
Selbst wenn man der AfD politisch äußerst fernsteht (oder vielleicht auch gerade dann), erscheint es hochproblematisch, hier als öffentlich-rechtliches Medium, das insbesondere dem Binnenpluralismus verpfichtet sein sollte, zu texten: "Habeck lehnt TV-Duell mit Weidel ab."
Der eine wirkt als aktives Subjekt, die andere dient dem nicht einmal als Objekt, sondern syntaktisch noch weiter nachgeordnet lediglich als eine nähere präpositionale Bestimmung des Objektes "TV-Duell".
Warum wurde hier, um das Ganze konstruktiv-kritisch zu wenden, nicht getextet: "Habeck und Weidel lehnen TV-Duell ab"? Oder noch angemessener angesichts von Umfragewerten und ggf. auch aus Höflichkeit (Lady is first): "Weidel und Habeck lehnen TV-Duell ab"?
Das entspräche der gerade nachrichtlich gebotenen sachlichen Gleichbehandlung. Davon sind Überschrift und Text jener Meldung meilenweit entfernt. Und das fällt, wie zuvor erwähnt, offenbar auch oder gerade Leuten auf, die mit der AfD politisch nichts am Hut haben.
Interessant zudem auch die geringe Sorgfalt, die anscheinend in dieser Version zu jenem Thema steckte.
Der überarbeitete Text
In der Überarbeitung am Nachmittag (16.37 Uhr) hieß es dann ganz am Ende der nunmehrigen Fassung des Textes:
In einer früheren Version hieß es im Teaser, dass Habeck und Weidel nicht am TV-Duell teilnehmen wollen. Ein Sprecher Weidels hatte allerdings nur eine juristische Prüfung angekündigt.
Das bedeutet natürlich einen beträchtlichen Unterschied. Bemerkenswert, dass an dieser allerletzten Stelle des Beitrages, sozusagen ohnehin im Kleingedruckten, weder Publikum noch betroffene Partei um Entschuldigung oder auch nur um Verständnis gebeten werden.
Den gesamten Beitrag kann man als Beispiel fragwürdiger journalistischer Qualität sehen und kritisieren. Im Sinne von: Was bedeuten schon Fakten oder Ausgewogenheit, wenn die Tendenz des Beitrages stimmt? Also: Bündnisgrüne aufwerten, AfD abwerten.
Spitzenduelle und Glaubwürdigkeit der Öffentlich-Rechtlichen
An ARD und ZDF als Veranstalter solcher Formate gehen aber noch ganz andere Fragen: Wie kommt man in den öffentlich-rechtlichen bundesweiten Leitmedien überhaupt darauf, ein Spitzenduell zwischen dem Vertreter der derzeit deutlich umfragestärksten Parteiung (die Union von CDU/CSU) und gerade nicht der in den allermeisten Umfragen zweitstärksten Partei, nämlich der AfD, zu planen?
Sondern einfach mal den Vertreter der bestenfalls drittstärksten Partei (SPD) dazu einzuladen? Warum denn bitteschön Merz gegen Scholz? Warum überhaupt ein solches "Spitzenduell"? Weil es das gängige US-Format ist? Weil das die einzigen "echten" Kanzlerkandidaten wären?
Das ist wiederum meilenweit entfernt von jeder Art von Repräsention der gesamten Bevölkerung und versäumt es hochgradig, die Meinung vieler Menschen hierzulande angemessen zu artikulieren.
Aber sich dann senderseitig über den Verlust von Vertrauen, pardon: "Glaubwürdigkeit", wundern.
Nein: Etwas Besseres als eine gesunde, vernünftige Skepsis kann gerade diesen öffentlich-rechtlichen Medien (ÖRM) in ihrer gegenwärtigen, anscheinend ja immer schlechteren Verfassung kaum passieren. Im Interesse ihrer eigenen, mindestens gründlich zu reformierenden Zukunft. Einer Zukunft, die die ÖRM in ihren etablierten Bahnen und Kreisen immer weiter zu verspielen scheinen.
Wahlkampf als organisiertes Versprechen – das bleibt leider nicht nur ein mäßig originelles Wortspiel. Vielversprechend ginge, jenseits von Wahlkampf, anders.