Scholz-Vorstoß zu 15 Euro Mindestlohn: Wer war noch mal zuständig?
Kanzler irritiert mit "Forderung", die ver.di und Linke schon länger stellen. Die Mindestlohnkommission sah das bisher anders. Sind ihre Tage gezählt?
In der zweiten Hälfte seiner Amtsperiode und wenige Wochen vor der Europawahl hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Forderung von ver.di, Linkspartei und Grünen nach einem Mindestlohn in Höhe von 15 Euro pro Arbeitsstunde übernommen. "Ich bin klar dafür, den Mindestlohn erst auf 14 Euro, dann im nächsten Schritt auf 15 Euro anzuheben", sagte der Kanzler dem Magazin stern.
Scholz: Arbeitgeber beharrten auf Mini-Anpassung
Zugleich kritisierte er die von der Mindestlohnkommission vorgeschlagene Erhöhung auf nur 12,41 Euro zum 1. Januar 2024 und auf 12,82 Euro ein Jahr später. Dem hatten die gewerkschaftlichen Mitglieder der Kommission nicht zugestimmt. "Die Arbeitgeber haben nur auf einer Mini-Anpassung beharrt", so Scholz.
DGB hält rund 14 Euro Mindestlohn für angemessen
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hatte sich angesichts der Inflation für "circa 14 Euro" ausgesprochen und dabei am "Ziel eines existenzsichernden Mindestlohns, der gemäß der europäischen Mindestlohn-Richtlinie bei 60 Prozent des mittleren Einkommens von Vollzeitbeschäftigten liegen muss" orientiert.
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Nun kann zwar laut Mindestlohngesetz die Bundesregierung den Vorschlag der Mindestlohnkommission nur unverändert umsetzen und nicht eigenständig eine andere Höhe festsetzen. Allerdings gibt es noch die Richtlinienkompetenz des Kanzlers, der wiederum Gesetzesänderungen anstoßen kann. Insofern wirkt seine "Forderung" auf die Partei Die Linke vor allem wahlkämpferisch.
Linke spottet, DGB fordert Einlenken in Mindestlohnkommission
"Scholz fordert Mindestlohn von 15 Euro", zitierte die Linke-Chefin Janine Wissler, an diesem Dienstag auf der Plattform X die Schlagzeile. "Schön. Aber an wen genau richtet der Kanzler diese Forderung? Wer könnte das umsetzen? Die Regierung, deren Chef er ist?"
"Es ist jetzt an der Mindestlohnkommission, ihren Fehler noch selbstständig zu korrigieren, bevor die Politik eingreift", erklärte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell.
In einem Kommentar der Wirtschaftswoche wird der Mindestlohn-Vorstoß eher negativ beurteilt – von einem "Überbietungswettbewerb" ist die Rede; die "eigentlich zuständige Kommission" werde damit überflüssig gemacht. Als Konsequenz schlägt das Blatt vor: "Schafft die Mindestlohnkommission doch gleich ab!"
Mindestlohn vs. Diäten: Was das Thema heikel macht
Für Kritik und Unverständnis sorgt vor dem Hintergrund der bisher angedachten Erhöhung auch, dass die monatlichen Diäten der Bundestagsabgeordneten im Juli um 635,50 Euro steigen – auf insgesamt 11.227,20 Euro, was einer Erhöhung von sechs Prozent entspricht.
"Der Bundestag verweigert eine angemessene Mindestlohnerhöhung auf 15 Euro, aber genehmigt den Abgeordneten einen großen Schluck aus der Pulle", hatte Linke-Chefin Wissler am Montag kritisiert.