Schuldspruch nach Berliner Tiergartenmord: Justiz und Geopolitik
Seite 2: Fahrrad statt Drohnen
Nach Feststellung des Gerichts hat also Vadim Krasikov die Tat verübt. Immer mehr wurde der Täter im Laufe des Prozesses aber in den Rang eines Topagenten gehoben, gar eines Obersten des Inlandsgeheimdienstes FSB, der eben politische Gegner im schmutzigen Auftrag seiner Chefs eliminiert.
Schon in Russland wurde er der Tötung eines Geschäftsmanns beschuldigt. Das Verfahren war dort vor Jahren bereits eingestellt worden.
Der Tathergang im Kleinen Tiergarten, unweit eines belebten Restaurants, war schneller geklärt. Krasikov bezog vor der Tat, wie es sich für einen Agenten der Extraklasse gehört, derart dunkel und warm bekleidet am Parkeingang Stellung, dass zahlreiche Passanten bemerkten, wie wenig dies doch zu den sommerlichen Temperaturen an diesem Tag passte. Auffälliger geht es für einen Agenten kaum.
Dann fuhr der Täter per Fahrrad von hinten an sein Opfer heran und gab zwei Schüsse ab. "Amis hätten es wohl mit Drohnen und nicht per Fahrrad gemacht", so der sarkastische Kommentar einer Beobachterin. Der Agent mit der "Lizenz zum Töten", so die Süddeutsche Zeitung, fiel dabei, wie es sich für trainierte Killer gehört, vom Rad und verletzte sich an der Wade. Dies erleichterte später die Auswertung der DNA-Spuren.
Anschließend verpasste er dem Opfer noch einen abschließenden "Fangschuss", der wohl nicht mehr nötig gewesen wäre: Das Opfer war schon tot.
Der Beschuldigte stieg danach wieder auf sein Rad, fuhr zügig an die Spree zur Lessingbrücke, wo er sich zur Verwunderung anwesender jugendlicher Zeugen jetzt endlich wettergerecht im Gebüsch umzog und sein Fahrrad nebst Tatwaffe sowie anderen Utensilien öffentlich in der Spree versenkte.
Allein ein solcher Vorgang bewegte wachsame Berliner, die Polizei zu rufen, welche den Täter festnahm, noch bevor der die Flucht mit einem zur Verfügung stehenden Elektroroller fortsetzen konnte.
Krasikov gab bei ersten Vernehmungen an, er hätte im gut einsehbaren Gebüsch lediglich urinieren wollen. Ein Polizist watete später ins Wasser und barg die "versenkten" Gegenstände im Uferbereich. Lediglich für die Tatwaffe musste ein Taucher bemüht werden.
Das Opfer
Auffällig war das Bemühen von Bundesanwaltschaft, Nebenkläger und einiger Medien, den Erschossenen gegenüber dem Täter als wahres Unschuldslamm darzustellen. Die Journalistin Silvia Stöber, für die ARD häufige Prozessbeobachterin, bemühte sich sogar eigens ins georgische Pankissi-Tal, um eine Schwester zu finden, die erstaunlicherweise nur Gutes über ihren toten Bruder zu berichten wusste.
Unbestritten ist jedoch, dass dieser sich als Kämpfer und Anführer auf tschetschenischer Seite im zweiten Krieg gegen Russland befand. Das Pankissi-Tal ist ein Rückzugsgebiet für solche Gruppen.
Nur aus strategischen Gründen hätte er sich dabei auch mit islamistischen Kräften verbünden müssen, wusste die Nebenklage zu berichten. Mit Islamismus hätte er nichts zu tun.
Russland sieht das naturgemäß anders. Dort galt Changoschwili als "Top-Terrorist", der mit für Anschläge und den Tod "hunderter Menschen" verantwortlich sei. Selbst die USA setzten tschetschenische Rebellengruppen und deren obersten Anführer Bassajew auf die Liste "terroristischer Gruppen".
Die deutsche Bundesregierung übte sich hingegen in Zurückhaltung und weiß von nichts. Einem Auslieferungsverfahren von russischer Seite hätte sie wohl nicht entsprochen.