Schweden bekommt eine Ampel

Abstimmungspanel am Sitz eines jeden schwedischen Abgeordneten. Bild: Melker Dahlstrand/Schwedisches Parlament

Mehr als vier Monate nach der Wahl hat Schweden eine neue Regierung - und sie sieht zunächst aus wie die alte. Doch das täuscht

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Zweimal wurde der Sozialdemokrat Stefan Löfven seit dem 9. September im schwedischen Riksdag abgewählt. Nun ist er doch wieder Ministerpräsident. Für ihn gestimmt haben nur die eigene Partei und der kleine Koalitionspartner, die grüne Miljöpartiet, zusammen 116 Sitze (115 Anwesende). Die Zahl der Gegenstimmen war viel höher: 153 (einer fehlte offenbar), von den Schwedendemokraten, den konservativen Moderaten und den Kristdemokraten.

Doch es gehört zu den Eigentümlichkeiten des schwedischen Systems, dass es für den Posten reicht, wenn die Nein-Stimmen weniger als die Hälfte der 349 Sitze umfasst. Die Enthaltung von Centerpartiet, Liberalen und der Linkspartei (Vänsterpartiet) hat Löfven in den vergangenen Wochen umfangreiche Verhandlungen und Zugeständnisse gekostet. Besser wird es auch nach seiner Wahl nicht. Denn Löfvens Verbündete im Acht-Parteien-Parlament sind sich untereinander gar nicht grün.

Die fünf Fraktionen, die nun aktiv oder passiv für Löfvens Wiederwahl gesorgt haben, eint allein, dass sie den Schwedendemokraten und ihren nationalistischen Ideen keinen Einfluss lassen wollen. Centerpartiet und Liberale waren bisher Teil des bürgerlichen Blocks, der "Allianz", gemeinsam mit den Moderaten und Kristdemokraten. Doch die Wählerschaft hat diesen Block nicht so umfassend mit Stimmen unterstützt, dass es für eine eigene Mehrheit gereicht hätte - es gab sogar einen Sitz weniger als für Rot-Rot-Grün. Eine Unterstützung durch die Schwedendemokraten wäre für Centerpartiet und Liberale aber der Bruch ihres Wahlversprechens gewesen. Deshalb ließen sie den Konservativen Ulf Kristersson als Ministerpräsidenten durchfallen (siehe Schwedendemokraten müssen draußenbleiben).

Nach einem Fehlstart einigten sie sich dafür mit Löfven und den Miljöpartiet auf ein Programm - auch wenn die eigentliche Regierung nur aus Sozialdemokraten und Miljöpartiet bestehen soll. Als "Geben und Nehmen" hatte Centerpartiet-Chefin Annie Lööf die Verhandlungen bezeichnet und ist dabei ziemlich erfolgreich gewesen. Wird umgesetzt, was vereinbart wurde, so wird demnächst an der bisherigen Form des Kündigungsschutzes gesägt und bei Neubauten werden dem Vermieter keine Mietgrenzen mehr auferlegt. Es gibt mehr Maßnahmen zum Umweltschutz, als der zuletzt mit Hilfe der Schwedendemokraten durchgesetzte konservative Haushalt vorsieht, und ein paar Steuererleichterungen. Explizit formuliert ist außerdem, dass die Linkspartei (Vänsterpartiet), früher ein Verbündeter der Sozialdemokraten, keinen Einfluss haben soll. "Die Sozialdemokraten bilden die Regierung, aber nicht mit sozialdemokratischer Politik", kommentierte deshalb Linkspartei-Chef Jonas Sjöstedt.

Man brauchte die Linkspartei allerdings noch, um Löfven ins Amt zu bekommen. Es gab dort eine Unterschriftensammlung, die die Fraktion zum Nein gegenüber Löfven bewegen sollte. Die ursprünglich für Mittwoch geplante Abstimmung musste auf Freitag verschoben werden. Welche Zusicherungen Löfven Sjöstedt genau gab, ist nicht bekannt. Dieser verband die Ankündigung der Enthaltung zuletzt mit der Androhung eines Misstrauensvotums. Die Alternative wäre eine Rechtsregierung gewesen oder Neuwahlen - die im Hintergrund schon vorbereitet wurden.

De facto hat Schweden nun eine Ampel-Regierung, die von rechts und links mit Misstrauen beäugt wird. Die Zeit der alten Blöcke ist vorbei, die bürgerliche Allianz tot und ob die rot-rote Freundschaft die Wahlperiode übersteht, ist zweifelhaft.

Das Land ist gespalten und keine Seite bekommt, was sie eigentlich haben wollte. Auf der rechten Seite könnte sich nun eine neue Allianz bilden: aus Moderaten, Krist- und Schwedendemokraten, die in der Opposition zueinander finden. Mancher sieht Vänsterpartiet als Gewinner und neue Heimat für enttäuschte Sozialdemokraten, aber das hat in Deutschland jedenfalls nicht geklappt. Das ganze System ist in Bewegung gekommen. Wenn die Wähler das nächste Mal abstimmen gehen, könnte das Ergebnis ganz anders aussehen - wie auch immer.