Schweden in der Nato: So etwas hat es zuletzt zu Napoleons Zeiten gegeben
Seit gut zweihundert Jahren war Schweden militärisch neutral. Nun gehört das Land zur Nato. Vor allem für die Ostsee hat das Auswirkungen.
Seit zweihundert Jahren hat Schweden eine Politik der militärischen Neutralität verfolgt. Doch nach Russlands Invasion in der Ukraine 2022 hat die Regierung in Stockholm ihre Verteidigungsstrategie geändert und ist der Nato beigetreten.
Dieser Schritt markiert einen bedeutenden Wandel in der schwedischen Außen- und Sicherheitspolitik – einen historischen geradezu: Seit Napoleons Russlandfeldzug von 1812 hat sich Schweden mit keinem anderen Land und keiner Allianz militärisch zusammengetan, erklärte Verteidigungsminister Pål Jonson Anfang des Monats.
Es geht nicht mehr nur um Schweden
Jonson betonte, dass der Beitritt seines Landes zur Nato eine große Veränderung für Schweden bedeutet. "Wir müssen uns gewahr sein, dass wir fortan nicht mehr nur Schweden verteidigen, sondern auch unsere Verbündeten", sagte Jonson gegenüber Reportern.
Mit dem Beitritt zur Nato kann Schweden jetzt seine Verteidigungspolitik mit den anderen Nato-Mitgliedern koordinieren und gemeinsam die Sicherheit in der Region stärken. Schweden bringt auch seine Erfahrung im U-Boot-Bau und -Einsatz in die Nato ein, was insbesondere im Baltikum von Bedeutung ist.
Hafen von Sankt Petersburg ist eingekreist
Das Baltikum ist ein wichtiger strategischer Raum für die Nato, da es Russlands größten Hafen, Sankt Petersburg, umschließt. Schweden und Finnland sind wichtige Partner des Nordatlantikpaktes in der Region. Sie wollen gemeinsam mit den anderen Nato-Mitgliedern Russlands Einfluss im Norden einhegen.
Auch die USA haben Schweden als wichtigen Partner im Ostseeraum identifiziert und werden Schweden bei der Modernisierung seiner Verteidigungskräfte unterstützen. Laut Jonson wird Schweden auch ein Abkommen mit den USA unterzeichnen, um amerikanische Militäreinheiten in Schweden zu stationieren.
Militärausgaben schnellen in die Höhe
Schweden wird auch seine Verteidigungsausgaben verdoppeln und eine neue nationale Sicherheitsstrategie entwickeln, die die Ziele und Prioritäten der schwedischen Verteidigungspolitik definiert.
Der schwedische General Micael Bydén hatte gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland unlängst erklärt, Russland versuche, die Kontrolle über die Ostsee zu erlangen. "Putin will die Ostsee kontrollieren", sagte Bydén. "Wenn Russland die Ostsee kontrolliert, hätte das enorme Auswirkungen auf unser Leben."
Hybride Kriegsführung Russlands
Schweden und die Nato müssen sich auch auf die Herausforderungen durch Russlands hybride Kriegsführung vorbereiten, die auch den Einsatz von Handelsschiffen mit fortschrittlicher Kommunikationstechnik umfasst. Diese Schiffe operieren oft in Schwedens ausschließlicher Wirtschaftszone und werden verdächtigt, illegale russische Öllieferungen durchzuführen.
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Die schwedische Marine hat auch Erfahrung im Minenräumen und wird diese Fähigkeiten in die Nato einbringen, berichtet das US-Fachmagazin USNI News unter Berufung auf schwedische Quellen. Die Ostsee ist berüchtigt für ihre zahlreichen unentdeckten Seeminen aus den beiden Weltkriegen.
Mit seinem Beitritt zur Nato hat Schweden seine Verteidigungsstrategie grundlegend geändert und sich auf eine neue Ära der Zusammenarbeit mit anderen Ländern vorbereitet.
Neue Strategie und US-Abkommen
Parallel zum Nato-Beitritt finalisiert Schweden ein Abkommen mit den USA zur Stationierung US-amerikanischer Truppen. Zudem will es seine Verteidigungsausgaben verdoppeln und eine neue Sicherheitsstrategie unter Einbeziehung der 31 neuen Bündnispartner ausarbeiten, so Jonson. Dies sei eine "direkte Folge der illegalen und unbegründeten Invasion der Ukraine durch Russland".
Für die Expertin Marta Kepe vom US-amerikanischen Thinktank Rand Corporation wird Schwedens wichtigster Nato-Beitrag sein Territorium zur Abschreckung und Verteidigung sein. "Schweden kann eine wichtige Rolle als treibende Kraft sowie als Basis- und Stützpunktgebiet für US- und Allianzkräfte spielen."
Ostsee ist keine "Nato-See"
Nachdem Finnland der Nato beigetreten ist, sprachen einige von der Ostsee als "Nato-See". Doch die Nähe von acht Bündnispartnern mache sie nicht zum unumstrittenen Allianzgebiet, warnte Nykvist. Russland unterhalte Stützpunkte und eine eigene Flotte in der Region.
"Einige behaupten, dass die Ostsee durch die Mitgliedschaft Schwedens und Finnlands in der Allianz zu einem Nato-Gewässer geworden ist. Ich würde sagen, nein, das ist sie nicht", sagte er. „Das ist es nicht, denn wir haben die russischen Stützpunkte.“
In der Tat hat die russische Baltische Flotte ihr Hauptquartier an der Ostseeküste und ist der Schlüssel zu Moskaus Machtprojektion in der Region
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Neben Russlands Marine ist laut Stockholmer Behörden auch eine "Schattenflotte" ziviler Schiffe in hybrider Kriegsführung aktiv. Sie sei mit auffällig ausgefeilter Kommunikationsausrüstung ausgestattet und werde verdächtigt, illegal Öl zu transportieren.
Wachsender Schiffsverkehr und Infrastruktur wie Kabel und Pipelines erschwerten zudem Operationen auf der Ostsee, so Nykvist: "Es bewegen sich rund 4.000 Schiffe gleichzeitig in der Region."
100 Jahre U-Boot-Erfahrung
Schweden bringt rund hundertjährige Erfahrung im U-Boot-Einsatz auf den Gewässern mit. Die flache Ostsee mit ihren besonderen Bedingungen sei für kleine U-Boote ideal, erklärte ein Marinekommandeur.
Die schwedische Marine entwickelt eine neue Klasse kleiner U-Boote der A-26-Klasse, speziell für den Einsatz in flachen Gewässern wie der Ostsee. Die Boote sollen verstärkt zur Kontrolle des Meeresbodens eingesetzt werden, etwa zur Überwachung von Pipelines und Kommunikationskabeln.
Schweden hat auch große Erfahrung in der Minenräumung. In der Ostsee liegen geschätzt 40.000 bis 50.000 Blindgänger aus den Weltkriegen. "Die meisten dieser vor 100 Jahren gebauten Minen haben immer noch volle Sprengkraft", so der Kommandeur.
Redaktioneller Hinweis: Eine frühere Version dieses Artikels erhielt einige ungenaue und falsche Formulierungen. So war von einer Schwarzmeerflotte die Rede, richtig ist, dass Russland in der Ostsee seine Baltische Flotte unterhält. Die Formulierung "at any given minute" wurde mit "pro Minute" übersetzt, wichtig ist, dass 4.000 Schiffe zugleich in der Ostsee unterwegs sind. Wir haben die Fehler korrigiert.