Schweiz: Konsultativabstimmung mit Blockchain-Technologie
In Zug, dem Zentrum des schweizerischen "Crypto Valley", probiert man manipulationssichereres und anonymeres E-Voting ohne zentrale Server
Die Blockchain-Technologie erzeugt eine Art inhärente Archive, die dazu eingesetzt werden können, um Vorgänge beweisbar zu gestalten (vgl. Blockchain: Die Technik, die nicht vergessen kann). Das gilt grundsätzlich nicht nur für Zahlungen mit Digitalgeld wie Bitcoin, sondern auch für Rechtsgeschäfte und Wahlen, wie in der Vergangenheit bereits mehrfach hervorgehoben wurde (vgl. Wie viel ist ein Bitcoin wirklich wert?).
In Zug hat man diese Idee nun in die Tat umgesetzt. Dass das nicht im kalifornischen Silicon Valley, sondern in einem 30.000-Einwohner-Städtchen in der Zentralschweiz geschah, liegt unter anderem daran, dass es in der Region eine Initiative Cryptovalley Zug und eine ganze Reihe von Firmen gibt, die sich mit Kryptowährungen und der Blockchain-Technologie befassen.
Bessere Nachvollziehbarkeit und Unveränderbarkeit soll mit einem besser gewährleisteten persönlichen Wahlgeheimnis verbunden werden
Anders als beim normalen E-Voting (das es schon lange gibt, und dass sich wegen Bedenken bezüglich der Fälschungssicherheit und der Anonymität nicht flächendeckend durchsetzte), läuft der Abstimmungsprozess in Zug nach Auskunft der Stadt "nicht über einen einzigen zentralen Server, sondern verteilt über eine Blockchain auf vielen Computern". Dadurch erhofft man sich eine "geringere Anfälligkeit für unbemerkte Manipulationen". "Beim dezentralen E-Voting", so Stadtpräsident Dolfi Müller dazu heute Vormittag, "sind die Datensouveränität und die Transparenz für die Abstimmenden am höchsten, weil eine individuelle Nachvollziehbarkeit besteht".
Das neuartige E-Voting-System, das die Stadt Zug zusammen mit der IT-Firma Luxoft und dem Departement Informatik der Hochschule Luzern entwickelt hat, soll eine bessere Nachvollziehbarkeit und Unveränderbarkeit mit einem besser gewährleisteten persönlichen Wahlgeheimnis verbinden. Koordinator der Kooperation war die Hochschule Luzern. Ihre Informatiker - darunter der Blockchain- und Big-Data-Dozent Alexander Denzler - stellten nicht nur den Kontakt zwischen der Stadt Zug und Luxoft her, sondern setzten auch die E-Voting-Infrastruktur auf und fügten Luxofts Blockchain-Software darin als "Herz" ein.
Ob sich ihre Erwartungen erfüllt haben, wollen die drei Projektpartner in den zwei Monaten nach dem Ende der Abstimmung am 1. Juli überprüfen. Würde sich zeigen, dass das System seine Versprechen zwar in der Theorie, aber nicht in der Praxis hält, wäre der Schaden insofern begrenzt, als es sich um eine so genannte Konsultativabstimmung mit zwei Ja-/Nein-Fragen und einer weiteren Frage mit mehreren Antwortmöglichkeiten handelt. Ihr Ergebnis ermittelt lediglich eine Meinung und bindet nicht.
Veröffentlichung des Quellcodes angekündigt
Sind die Ergebnisse zufriedenstellend, hat Luxoft angekündigt, den Quellcode der E-Voting-Plattform unter einer Open-Source-Lizenz zu veröffentlichen, was ihr CTO Vasily Suworow wie folgt begründet:
Es bestehen Bedenken hinsichtlich der elektronischen Stimmabgabe, da Abstimmungen ein grundlegender Mechanismus für die direkte Demokratie sind. Deshalb glauben wir, dass diese Technologie nicht einem einzigen Unternehmen gehören sollte. Wir werden die E-Voting-Plattform 'Open Source' ausgestalten, damit die Menschen verstehen können, was die Technologie ausmacht und wie sie funktioniert. Wir wollen mehr Menschen ermutigen, blockchainbasierte Anwendungen für Regierungen weltweit zu entwickeln.
(Vasily Suworow, CTO Luxoft)
Um an der Blockchain-Abstimmung teilzunehmen, müssen sich die Bürger der Stadt an einem weiteren Pilotprojekt beteiligen: Der am 15. November eingeführten "digitalen ID", die auch als Bibliotheksausweis und Leihfahrradentsperrer einsetzbar ist. Sie ist zwar über die Webseite der Stadt und die uPort-App online erhältlich, muss aber in einer persönlichen Vorsprache unter Vorlage des Passes oder der Identitätskarte beim Einwohneramt einmalig beglaubigt werden. Da schweizerische Behörden sehr viel besser funktionieren als deutsche (und vor allem als Berliner), ist das bis zum 29. Juni machbar, so dass auch Bürger, die die ID noch nicht haben, an der Abstimmung teilnehmen können.
Andere Firmen und Organisationen prüfen derzeit, wie sie mit Blockchain Sozialbetrug durch Mehrfachidentitäten verhindern und Korruption bekämpfen können. Eine der originellsten Ideen für den Einsatz der Technologie hatte das niederländische Unternehmen LegalFling: Es will damit beweissicher Verträge darüber festlegen, wann eine Person welchen geschlechtlichen Handlungen mit einer anderem Person zugestimmt hat (vgl. Blockchain als Mode).
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