Schweiz testet Satellitenabhörsystem

Das Schweizer Abhörsystem Satos 3, das mit Echelon in Verbindung gebracht wird, wurde laut Medienberichten bereits zum Weltwirtschaftsforum eingesetzt

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Diente das Weltwirtschaftsforum als Kulisse für den Testlauf des Schweizer Abhörsystems Satos 3? Der Verteidigungsminister dementiert entsprechende Vermutungen der Medien, gibt aber gleichzeitg zu, dass ein Versuch am Laufen sei; allerdings "nur" für den Bereich Proliferation. Noch immer bleibt unklar, ob Satos 3 ein direkter Ableger von Echelon ist. Eine Antwort darauf könnte eine parlamentarische Anfrage liefern, in der die Landesregierung aufgefordert wird, zu einem undurchsichtigen Verkauf von Satellitenschüsseln Stellung zu nehmen.

Die Spekulation, wonach während des Weltwirtschaftsforums Ende Januar das elektronische Lauschsystem Satos 3 zum Einsatz gekommen sei, wird von Verteidigungsminister Samuel Schmid dementiert. Tatsache ist allerdings, dass derzeit ein Versuchsbetrieb von Satos 3 im Gang ist. Dieser beschränkt sich laut Schmid allerdings auf die Bekämpfung der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen. Diese Aussage deckt sich mit einer Antwort von Schmids Vorgänger auf eine parlamentarische Anfrage vom vergangenen September. Der damalige Verteidigungsminister Adolf Ogi erklärte, dass Satos 3 erst 2004 voll funktionstüchtig und derzeit erst im Bereich der Proliferation einsatzbereit sei.

Ursprünglich sollte das helvetische Mini-Echelon bereits im vergangenen Sommer seinen Betrieb aufnehmen. Die Verzögerung zieht Mehrkosten nach sich: Statt der ursprünglich 20 Millionen Franken wird bis zur Inbetriebnahme in drei Jahren mit dem fünffachen gerechnet. Zum Vergleich: Das Vorläufersystem Satos 1, das 1988 den Betrieb aufgenommen hatte, kam gerade mal mit 800 Franken jährlich aus. Für diesen Betrag mietete der Nachrichtendienst drei Empfangsstationen für die Meldungen internationaler Nachrichtenagenturen. Das Nachfolgesystem Satos 2, das 1996/97 angeschafft wurde, war auf die Erfassung von Faxsignalen spezialisiert und kostete 40000 Franken.

Der Quantensprung erfolgte am 13. August 1997 Jahren. Damals legte die Landesregierung mit einem Geheimbeschluss den Grundstein für den Satos 3 genannten, umfassenden Lauschangriff am Himmel. Die Öffentlichkeit wurde - ganz Geheimdienst - erst eineinhalb Jahre später informiert. Einer Mitteilung des Verteidigungsministeriums vom 1. Februar 1999 ist in dürrer Amtssprache zu entnehmen, dass "zur Sicherstellung der aktuellen und zukünftigen Nachrichtenbeschaffung der Bundesrat einem erweiterten Erfassungsbereich der Strategischen Elektronischen Aufklärung, der Aufklärung von ausländischen Satellitenverbindungen, zugestimmt und die entsprechenden Mittel bewilligt" hat.

Brisant an der damaligen Erklärung war die Formulierung, dass neben dem militärischen Nachrichtendienst auch "andere Stellen des Bundes" mit Informationen aus der elektronischen Aufklärung versorgt werden sollen. Damit waren die Bundespolizei, sowie kantonale Polizeistellen gemeint, wie der Sprecher der Verteidigungsministeriums bestätigte. Dies entbehrt der Rechtsgrundlagen, da bei der polizeilichen Überwachung von elektronischer Kommunikation ein konkreter Verdacht vorliegen muss und nicht auf "Staubsaugerresultate" zurückgegriffen werden darf.

Eine politische Debatte über das Projekt Satos 3 erfolgte erst Ende 1999 im Rahmen der parlamentarischen Behandlung des militärischen Baukredits für das folgende Jahr. In den insgesamt 386 Millionen Franken, welche die Armee für Neubauten und Sanierungen beantragt hatte, waren u.a. auch 14,5 Millionen für die technische Ausrüstung des Horchprojekts vorgesehen, sowie weitere 5 Millionen für Gebäude. Gegen den Widerstand der sozialdemokratischen ParlamentarierInnen passierte damals die Kreditvorlage, wie auch weitere Verpflichtungskredite in zweistelliger Millionenhöhe. Die so bewilligten Beträge werden an drei Standorten in den Kantonen Bern und Wallis eingesetzt. In Leuk und Heimenschwand stehen die Parabolspiegel und in Zimmerwald, wenige Kilometer vor den Toren Berns, ist das eigentliche Herzstück. Rund vierzig Mitarbeiter des militärischen Nachrichtendienstes werden dort - wenn Satos 3 in drei Jahren den Vollbetrieb aufgenommen haben wird - für die Auswertung der erfassten Daten zuständig sein.

Bis anhin wurde Satos 3 stets als Schritt zur Wahrung der nachrichtendienstlichen Unabhängigkeit der Schweiz verkauft. Um von ausländischen Stellen unabhängig zu bleiben, soll mit Satos 3 "Tauschmaterial" gewonnen werden. Für die während des Kalten Kriegs in Zimmerwald erlauschte militärische Kommunikation aus Ländern des Warschauer Pakts muss nun ein ebenbürtiger Ersatz gefunden werden damit die Schweizer Dienste auf dem "Markt" der geheimdienstlichen Informationen bestehen können. Dies dürfte allerdings nur die halbe Wahrheit sein. Bereits vor zwei Jahren war für den deutschen Geheimdienstexperten Erich Schmidt-Eenboom klar, dass sich die Schweiz mit Satos 3 an das NSA-Abhörsystem Echelon anbindet. Beweise dafür gibt es allerdings bis heute keine. Es gibt höchstens Hinweise, die Schmidt-Eenbooms Vermutung stärken. So wurde zum Beispiel im vergangenen Herbst der Bereich Satellitenkommunikation des ehemaligen Schweizer Telekom-Monopolisten Swisscom ausgelagert und ohne grosses Aufsehen der amerikanischen Verestar, ehemals ATC Teleports, verkauft.

Verestar stellt unter anderem der US-Navy Telefonnetze für die Navigation der Flotten zur Verfügung und soll angeblich auch mit der Echelon-Betreiberin NSA zusammenarbeiten. Die verkauften Swisscom-Satellitenschüsseln stehen in Leuk auf dem selben Gelände wie die Satos 3 Lauscher. Der militärische Nachrichtendienst ist sozusagen Untermieter bei Verestar. Schon bald dürfte allerdings mehr zum Verkauf der Swisscom Schüsseln zu erfahren sein. Der Bundesrat wird nämlich in einer Interpellation aufgefordert zu beantworten, ob er die von den Militärs vermutete Echelon-Verstrickungen von Verestar teile und ob die Veräusserung eines sensiblen Geschäftsbereichs von Swisscom (die Eidgenossenschaft ist Mehrheitsaktionärin) nicht dem Datenschutzbeauftragten zur Prüfung hätte vorgelegt werden müssen.

Aufgrund früherer bundesrätlicher Antworten auf Fragen rund um Satos 3 muss allerdings davon ausgegangen werden, dass auch das parlamentarische Bemühen um Transparenz in diesem Fall kaum erfolgreich sein wird. Zuversichtlich was die politische Kontrolle von Satos 3 angeht, gibt sich der Bundesparlamentarier Franz Wicki, der die sogenannte Geschäftsprüfungsdelegation präsidiert. Dieser parlamentarische Ausschuss ist zuständig für die Kontrolle der Geheimdienste. Gegenüber der Sonntagszeitung hat Wicki versprochen, dass Ende März das Projekt Satos 3 ausführlich mit den Verantwortlichen des Verteidigungsministeriums besprochen und vom Bundesrat verlangt werde, dass das Lauschsystem den Vollbetrieb erst aufnehmen dürfe, wenn ein funktionierendes politisches Kontrollsystem aufgebaut sei. Doch auch von Wickis Aussagen darf man sich nicht allzu viel versprechen. Die Geschäftsprüfungsdelegation hat in der Vergangenheit regelmäßig erst dann reagiert, als Missstände in den Geheimdiensten bereits publik waren und sich nur noch um Schadensbegrenzung und Imagepflege der lädierten Stellen bemüht.