Öffnet Swisscom-Outsourcing Echelon Tür und Tor?

Verkauf von Sendeanlagen an amerikanisches Unternehmen mit angeblichen NSA-Verbindungen

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Im Rahmen des Outsourcing von Geschäftsbereichen, die nicht mehr zum Kerngeschäft des ehemaligen Schweizer Telekom-Monopolisten Swisscom gehören, wurde eine Satelliten-Bodenstation an die US-amerikanische Gesellschaft Verestar verkauft. Verestar arbeitet unter anderem mit der US-Navy zusammen und soll auch mit der National Security Agency NSA in Verbindung stehen. Am selben Standort, in unmittelbarer Nähe der verkauften zivilen Anlagen, befinden sich auch die Parabolspiegel des Schweizer Aufklär- und Abhörsystems Satos 3.

Das Thema schlägt zur Zeit hohe Wellen in der Schweiz: Wer übernimmt die Sendeanlagen des vormaligen Telekom-Monopolisten Swisscom? Das Unternehmen, das sich zwar vorläufig noch dank einer Aktienmehrheit der Eidgenossenschaft unter staatlicher Kontrolle befindet, hat Ende März beschlossen, den Bereich Satellitenfunk abzustoßen. Begründet wurde der Entscheid mit Kosteneinsparungen, außerdem würden heute Telekomdienste über andere Medien als Satelliten angeboten. Im September wurde zudem bekannt gegeben, dass auch der Bereich Broadcasting aus der Swisscom ausgelagert werde. Die betroffenen rund 3000 Sendeanlagen dienen einerseits der Übermittlung der öffentlich-rechtlichen und privaten Radio- und Fernsehprogramme, aber auch sicherheitspolitisch-strategischen Fernmeldediensten des Bundes. Am 22. November hat sich nun für diese Anlagen eine Interessentin gefunden. Mit der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft SRG sind die sicherheitspolitischen Bedenken weit gehend ausgeräumt, handelt es sich doch um die Trägerschaft der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten. Aufatmen hüben und drüben: Die Sender bleiben unter schweizer Kontrolle und wechseln nur von der einen zur anderen mehrheitlich staatlich kontrollierten Gesellschaft.

Während der Verkauf der Fernsehsender heiß diskutiert wird, spricht praktisch niemand mehr vom Verkauf der Satellitenanlage in Leuk im Kanton Wallis an die amerikanische Verestar. Am 4. Oktober wurden die Parabolantennen an Verestar, ein Tocherunternehmen der American Tower Corporation, veräußert. Weitere kleinere Stationen in den Städten Genf, Basel und Zürich gingen ebenfalls in amerikanisches Eigentum über. Das elektronische Aufklärungssystem der Armee, Satos-3, das sich auch in Leuk befindet, ist vom Verkauf der benachbarten Swisscom-Satellitenbodenstation nicht direkt betroffen. Verhandelt wird mit dem neuen Besitzer über Strom- und Wasserversorgung. Die Satos-3-Anlage stehe zwar auf dem gleichen Gelände wie diejenige der Swisscom, sei aber im Besitz des Eidgössische Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport, sagte der Sprecher des Generalstabs, Philippe Zahno.

Laut einem Bericht der westschweizer Zeitung Dimanche.ch (eine englische Fassung des Artikels hat Cryptome) vom 19. November besteht anonymen Quellen zufolge innerhalb der Schweizer Armee der Verdacht, dass der amerikanische Käufer mit der National Security Agency NSA verbandelt ist. Jener US-Behörde also, die das weltweite Abhörsystem Echelon betreibt und hauptsächlich nutzt. Erhärtet ist in diesem Zusammenhang einzig die Zusammenarbeit von Verestar mit der US-Navy im Bereich maritime Kommunikation. Der selben anonymen Quelle zufolge habe Swisscom beim Verkauf der Anlagen - entgegen einer vertraglichen Vereinbarung vom 20. März dieses Jahres - die Schweizer Armee nicht über den Käufer informiert. Swisscom hingegen behauptet das Gegenteil. Die Militärs seien in den Verkaufsprozess integriert gewesen. Dies wird jedoch insofern relativiert, als dass die Regelung vom März nur größere Geschäfte betreffe und die Satellitenanlage in Leuk kein solches gewesen sei.

Die Landesregierung, vorläufig immerhin noch die Eigentümerin von Swisscom, äußerte sich zwar nicht direkt zum Verkauf der Satellitenanlagen, so beantwortete sie doch eine Anfrage der SP-Abgeordneten Susanne Leutenegger Oberholzer, die sich - nota bene genau eine Woche vor dem Geschäft mit Verestar - nach dem Stand der geplanten Veräußerung der Swisscom- Sendeanlagen erkundigte. In seiner Antwort vom 8. November, also nach erfolgtem Verkauf der Satellitenanlagen, versicherte der Bundesrat, dass ein allfälliger Käufer die bestehenden Regelungen, die zwischen Bund und Swisscom bestehen, übernehmen müsse. Allerdings werden "einige noch fehlende vertragliche Regelungen zurzeit zwischen Bund und der Swisscom ausgehandelt". Diese "fehlenden Regelungen" sind demzufolge beim einen Monat zurück liegenden Verkauf der Satellitenstation noch kein Thema gewesen. Gegenüber Telepolis kritisierte SP-Nationalrätin Leutenegger Oberholzer die Informationspolitik des Bundesrates. Es gehe nicht an, dass die Landesregierung in dieser Angelegenheit erst auf Drängen des Parlaments hin informiere.

Inzwischen hat der Sicherheitspolitische Ausschuss des Ständerates (Länderkammer) eine Motion eingereicht. Damit soll der Bundesrat beauftragt werden, alle landeswichtigen Übermittlungsbedürfnisse festzulegen und deren Sicherstellung zu garantieren. Die Swisscom soll ihre Sendeanlagen nicht an einen ausländischen Betreiber verkaufen dürfen, ohne dass die Auswirkungen vorher sorgfältig abgeklärt werden. Auch in der Großen Kammer des Parlaments regt sich Unmut über die Informationspolitik des Bundesrates. Deshalb will nun auch deren Sicherheitspolitischer Ausschuß im Sinne der Kollegen im Ständerat nachdoppeln.

Bis jetzt noch nicht in den Verkaufsprozess der Swisscom-Anlagen involviert ist der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte. Wie Kosmas Tsiraktsopulos, Sprecher der Behörde, gegenüber Telepolis versicherte, würde der Datenschützer jedoch aktiv, sobald sich ein Verdacht - wie zum Beispiel jener der NSA-Verstrickungen mit Verestar - erhärten würde. Generell sei es jedoch nicht in erster Linie Aufgabe des Datenschutzes in solchen Angelegenheiten einzuschreiten. Primär müssten der Verkäufer, in diesem Fall die Swisscom, die bestehenden Gesetze einhalten.

Was Echelon betrifft, ist für Tsiraktsopulos eh klar, dass auch der Schweizer Luftraum vom Lauschangriff der amerikanischen und britischen Geheimdienste betroffen ist, egal ob jetzt die Satellitenanlage in Leuk von einem NSA-Ableger gekauft wurde oder nicht.