Schweizer Demokratie-Modell: Weniger Macht, mehr Harmonie

Kreuz auf Schweizer Flagge als Wahlurne, Pfeil aud die neue syrische Flagge

Die Schweiz regiert ohne Kanzler und Präsident. Sieben Fachminister führen gemeinsam die Geschäfte des Landes. Könnte dieses harmonische System auch anderswo funktionieren?

Die Demokratie verteidigen! Das war heuer ein Schlachtruf zu Demos und hunderten von Veranstaltungen. Und sie erst schaffen, wird ein Ziel werden der neuen Verfassung in Syrien. Die Frage ist nur, welche Demokratie? Denn ein Vorzeigeobjekt ist unsere keineswegs. Zu zerstritten, zu groß die Unzufriedenheit und zu mäßig sind die Erfolge.

Der Blick auf die Situation in Syrien mahnt, dass es auch ein anderes Modell der Demokratie gibt. Ein harmonischeres, ein vielleicht besser geeignetes für Länder wie Syrien: das Konvergenz-Modell der Schweiz.

Die meisten bei uns denken bei der Schweiz an Volksentscheide. Weniger bekannt ist das Regierungsprinzip. Ein Regieren ohne Kanzler oder Präsident - und damit besonders geeignet für Länder, die unterschiedliche Religions- und Ethniengruppen berücksichtigen müssen. Denn welcher Religion oder Ethnie der Präsident auch immer angehört, die anderen Religionen werden ihn nicht als einen der ihren ansehen.

In der Schweiz liegt die zentrale Regierungsaufgabe in der Hand von sieben Fachministern, dem "Bundesrat". Die Minister schlagen fachspezifisch ihre Gesetze vor und das Parlament entscheidet, ohne Fraktionszwang und quer durch die Parteien. Keine Brandmauern und keine klassische Opposition.

Die Meinungsverschiedenheiten der Parteien sind von Gesetz zu Gesetz unterschiedlich. Entsprechend ist die Polarisierung zwischen den Parteien weniger ausgeprägt und auch die besonders national geprägte SVP wird ohne Brandmauer eingebunden.

Das Amt des Präsidenten rotiert zwischen diesen Fachministern im jährlichen Wechsel und verliert damit seine Besonderheit. Eine "Richtungskompetenz" des Kanzlers existiert nicht und auch ein Fraktionszwang ist unüblich. Die große "Leitfigur" entfällt und die Konzentration der Debatten auf das Thema steigt.

Gesetzentwürfe müssen sich eine ausreichende Zustimmungsmehrheit der Abgeordneten suchen, also eine ausreichende "Übereinstimmung" erreichen, im lateinischen cancordantia und deshalb "Konkordanzdemokratie". Eine interessante und erfolgreiche Alternative, so geräuschlos, dass die Streits bei uns kaum den Weg in die Medien finden und dieses Regierungsrinzip nur wenig bekannt ist

Der große Vorteil dieses Systems ist, dass die Ministerämter auf alle wesentlichen Parteien verteilt werden können. Klassische Regierung und Opposition gibt es also nicht. Es entsteht ein geräuschloseres, aber nicht weniger aktives Ringen um gute Gesetze. Es geht um die Sache, die Polemik bleibt gering.

Ein großer weiterer Vorteil ist der Wegfall zu starker Führungspositionen, sei es als Kanzler:in oder als Parteivorsitzende:r. Mit diesem Regierungsmodell ist die Schweiz nicht nur eine der erfolgreichsten Demokratien, sondern auch die mit der höchsten politischen Zufriedenheit. Es bietet sich also als echte Alternative an für Länder, die ihre Verfassung neu diskutieren.

Es ist übrigens ein Modell, das Matthias Berger, Abgeordneter der Freien Wähler im Sächsischen Landtag und langjähriger Oberbürgermeister von Grimma ins Gespräch brachte als Alternative zur anstehenden Minderheitsregierung.

Es ging ihm wohl kaum darum, Ministerpräsident zu werden, sondern auf diese Form einer Expertenregierung aufmerksam zu machen, die stärker ist als unser jetziges Dauergestreite in Koalitionen und deren Opposition.

Eine Alternative also für im Wandel befindliche Staaten, vielleicht auch für unsere Landtage und langfristig vielleicht auch für Deutschland.