Seele zu verkaufen

Angeblich aus Langeweile hat Adam Burtle, ein 20-jähriger Student aus Seattle, seine Seele auf eBay.com zum Verkauf angeboten - und glatte 400 Dollar dafür bekommen

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Mit so viel Geld habe er gar nicht gerechnet, er sei schon froh gewesen, als jemand bereit war, sieben Dollar und fünfzig Cent zu zahlen. Tatsächlich dümpelte die Auktion einige Tage vor sich hin, erst in der letzten Stunde stiegen die Gebote von 56 auf 400 Dollar. Am Ende siegte eine Frau aus Iowa.

Nun ist sie weg - nicht die Seele, sondern die Lizenz zum Handel auf eBay. Das Online-Auktionshaus sieht es nämlich gar nicht gern, wenn auf dem virtuellen Marktplatz Schindluder getrieben wird. Normalerweise werden offensichtliche Scherzartikel genauso behandelt wie Raubkopien, Nazi-Devotionalien, Nieren und lebendige Tiere: sie werden gelöscht. Der User bekommt eine Abmahnung, wird wie Adam Burtle für immer von eBay verbannt und bekommt es im schlimmsten Fall mit dem Staatsanwalt zu tun.

Wer sich ein wenig mit Online-Auktionen auskennt, ahnt außerdem, dass der Seelen-Handel an ganz praktischen Dingen scheitern dürfte: Wie, bitteschön, soll so eine Seele ihren Besitzer wechseln? Einfangen, in einen gepolsterten Umschlag stopfen und per Luftpost verschicken - wer's glaubt wird se(e)lig. Bei eBay gilt: nur wenn Geld gegen Ware, Ware gegen Geld getauscht wird, ist die Transaktion komplett. Wobei auch Dienstleistungen als Ware gelten - zum Beispiel konnte man vor einiger Zeit bei eBay Beratungsstunden der Boston Consulting Group ersteigern. Welche nachweisbare Dienstleistung aber kann man von einer Seele erwarten?

Grundsätzliche Fragen wie jene, ob es so etwas wie eine Seele tatsächlich gibt und ob man sich diese wie eine Ware vorstellen soll, überlässt man bei eBay lieber den Theologen. In der Praxis argumentiert eBay lieber mit der Logik: Sollte es keine Seele geben, kann man sie auch nicht versteigern, ergo wäre der Handel ungültig. Sollte es eine Seele geben, wäre die Auktion ebenfalls ungültig, denn die eBay-Statuten verbieten einen Handel mit menschlichen Organen, Überresten und dergleichen. Schade eigentlich, denn was sich dem menschlichen Zugriff so widersetzt wie die Seele, ist wie geschaffen für einen virtuellen Handel via Internet.

Adam ist übrigens nicht der erste Seelenverkäufer auf eBay: Bereits mehrmals hatten User mehr oder weniger erfolgreich versucht, ihre Seele über das Internet zu verkaufen. So hat ein gewisser Kembrew McLeod vor ziem- lich genau einem Jahr seine Seele für 1325 Dollar verhökert - ausgerechnet an einen Immobilienmakler aus New York, was für viele Amerikaner so ungefähr dasselbe ist wie der Teufel höchstpersönlich.

Der 37-jährige McLeod, Dozent an der University of Massachussetts in Amherst, hatte zu diesem Zeitpunkt schon einige Erfahrung im Seelenhandel: um seinen Abschlussball zu finanzieren, hatte er in der High-School einhundert selbst entworfene Cornflakes-Boxen à 4,95 Dollar verkauft. Nach ein paar Jahren änderte er das Design - schließlich kommen auch jedes Jahr neue Autos auf den Markt. So blieben für den Immobilienhai nur ein paar Seelenkrümel übrig - in einem kleinen Gefäß mit etwa vier Unzen Inhalt. Egal, dem New Yorker gefiel das Pop-Art-Design und die Vorstellung, einen teuflischen Deal gemacht zu haben.

McLeod gibt ganz unumwunden zu, dass es ihm nur ums Geld geht: "In Amerika kann man seine Seele sowohl im metaphorischen als auch wörtlichen Sinne verkaufen und dafür belohnt werden. Das macht dieses Land so einzigartig. Freie Marktwirtschaft!"

Man könnte die Allmacht des Marktes auch als Ausverkauf von Idealen bezeichnen - jedenfalls entspann sich genau zu diesem Punkt eine reichlich sarkastische Debatte, als kurz vor den Präsidentschaftswahlen im Oktober 2000 die Seele des demokratischen Kandidaten Al Gore auf eBay.com zum Verkauf stand und sagenhafte 100 000 Dollar geboten wurden (mehr zu Gore:pub5.ezboard.com/fyourdonfrm73.showMessage?topicID=279.topic.) Da auch diese Auktion vorzeitig endete, wurde unter anderem gemutmaßt, ob Gore gar keine Seele mehr hat - etwa weil er sie bei seinem Besuch in China verkauft hat - oder gar noch früher.

Merkwürdigerweise waren es bislang immer Männer, die ihre Seele zu Markte trugen. Jedenfalls kann sich Kevin Pursglove, Pressesprecher von eBay.com, an keine einzige Frau erinnern. Bei eBay.de sind Seelen - im Gegensatz zu Nieren, die bereits vom Staatsanwalt untersucht werden - bislang kein Thema. Pressesprecher Joachim Güntert erklärt sich das so: "In Deutschland hängen die Leute anscheinend doch mehr an ihrer Seele."

Literaturhistorisch gesehen ist das nicht ganz korrekt - man erinnere sich nur an Faust, oder auch an Peter Schlemihls wundersame Geschichte: Kaum ist der Auswanderer Schlemihl in Amerika angekommen, verkauft er seinen Schatten für einen unerschöpflichen Sack voller Gold. Natürlich ist so ein Schatten nicht dasselbe wie eine Seele, und doch wirkt sich sein Fehlen ganz fatal auf Schlemihls weiteres Leben aus. Aber das ist eine andere Geschichte.

Übrigens kann man Seelen in Deutschland auch ganz legal und garantiert billiger als bei eBay kaufen. Und zwar bei jedem Bäcker auf der Schwäbischen Alb, genauer gesagt, in der Gegend von Aalen (Ostalbkreis): ,Seelen' sind nichts anderes als längliche Brötchen, dick mit Hagelsalz und Kümmel bestreut, an denen man ordentlich was zu beißen hat. Für den kleinen Hunger gibt es auch eine Sparausgabe, und die heißt ,Prügel'.