Sexismus: Die Linke ist kein Safe Space – kann sie auch nicht sein. Leider!

Nicht alles, was kritikwürdig ist, ist strafbar. In Grauzonen könnte auf Einsichts- und Lernfähigkeit gesetzt werden. Symbolbild: Markus Winkler auf Pixabay (Public Domain)

Wieder einmal zerlegt sich die Linke selbst. Das tut sie gerne, sowohl als Partei wie auch als Bewegung. Nur: Dieses Mal scheint sie es besonders nachdrücklich und gründlich tun zu wollen

Vielleicht ist es in Deutschland besonders schlimm, doch die Tatsache, dass sich in Frankreich gerade ein neoliberaler Zentrist und eine rechtsoffene Nationalistin in der Stichwahl gegenüberstanden, lässt vermuten, dass es sich beim Selbstzerstörungsdrang der Linken doch eher um ein europäisches Phänomen handelt.

Das ist umso bedauerlicher, da in einer Zeit, in der sich Europa im Krieg befindet, der Militarismus fröhliche Urstände feiert, die Inflation bedenkliche Ausmaße annimmt, die Gewinne der Reichsten ins Unermessliche steigen, während die Enteignung der Mittelschicht und der Armen immer weiter voranschreitet, eine linke Kraft eigentlich alle Hände voll zu tun hätte. Doch all das ist längst bekannt und schon tausendmal gesagt.

Die Forderungen, endlich eine populistische Linke aufzubauen, die sich um die realen Sorgen der realen Menschen kümmert, hält weder die Linke als gesellschaftliche Strömung noch die Partei Die Linke davon ab, sich vornehmlich mit sich selbst zu beschäftigen und sich dabei selbst zu zerfleischen.

Grund für die aktuellen Zerwürfnisse in der Linkspartei sind sexuelle Übergriffe, die Parteimitgliedern vorgeworfen werden, durch einen Artikel im Spiegel an die Öffentlichkeit gelangten und nun zu Grabenkämpfen führen werden, die über das Maß der üblichen Macht- und Flügelkämpfe, wie sie auch in anderen Parteien vorkommen, weit hinausgehen. Sie dürften auch die Gelehrtenstreitigkeiten zwischen den verschiedenen marxistischen Schulen weit hinter sich lassen.

Doch um Marx und Co. geht es bei diesen Kämpfen ohnehin schon lange nicht mehr – was nun aufbricht, ist nicht zuletzt der seit langem schwelende Konflikt zwischen „Wokies“ und alteingesessenen Parteimitgliedern, zwischen – platt gesagt – der Sahra-Wagenknecht-Fraktion und den von ihr so geschmähten Lifestyle-Linken.

Wenn plötzlich die Ex schuld ist

Wobei es nicht ganz so einfach ist, wenn die Parteivorsitzende Janine Wissler, die von Wagenknecht-Fans eher zum „woken“ Lager gezählt wird, nun angeblich nicht woke genug war und – als Ex-Partnerin eines Beschuldigten – mit dem Vorwurf konfrontiert wird, sexuelle Übergriffe gedeckt zu haben.

Wissler erklärte in einer durch die Berichterstattung quasi erzwungenen Stellungnahme sinngemäß, sie habe 2018 von der Nebenbeziehung des Mannes mit einer sehr jungen (anfangs erst 17-jährigen) Frau erfahren, aber nicht von "Belästigungen oder Unfreiwilligkeiten". Wissler war damals noch Chefin der hessischen Linksfraktion und der Mann zugleich ihr Mitarbeiter.

Als die junge Frau sie Monate durch Weiterleitung einer E-Mail wissen ließ, dass das Verhältnis fortbestand, habe sie selbst ihre Beziehung beendet – und beiden mitgeteilt, dass sie den Altersunterschied für problematisch halte, auch wenn zu diesem Zeitpunkt beide volljährig gewesen seien. Wissler hob hervor, sie selbst sei durch die Vorgänge zutiefst verletzt gewesen und habe nicht den geringsten Anlass gehabt, ihren ehemaligen Partner „nach alledem zu schützen“.

An der Frage, wie man mit Vorwürfen sexualisierter Gewalt einerseits und sexistischem Verhalten unterhalb der Strafbarkeitsschwelle andererseits umgeht, scheiden sich die Geister im Extrem. Während die einen auf den Rechtsstaat beharren und an der Unschuldsvermutung festhalten, fordern die anderen endlich Konsequenzen für das patriarchale Elend und Ausschlüsse, bis die gesamte Führung, wenn nicht sogar die ganze Partei, von dieser sexistischen Kackscheiße gesäubert ist.

Es ist – auch – ein Generationenkonflikt. Es geht um Identitätspolitik. Anhand dieser Vorfälle wird sich nun voraussichtlich der ganze aufgestaute Konflikt, der sich in den letzten Jahren und Monaten abgezeichnet hat, nun endgültig entladen. Die 30.000 neuen Parteimitglieder, die Die Linke in den letzten Jahren in den urbanen Zentren hinzugewonnen hat, werden ihre Stimme erheben, ihr gesamtes Gewicht in die Waagschale werfen und die bürgerlichen Medien, die sich ansonsten einen Dreck um linke Positionen kümmern, werden sich mit Begierde darauf stürzen.

Die Älteren werden von den tatsächlich oder gefühlt Jüngeren als Ewiggestrige verschmäht. Einige könnten in Schockstarre verfallen und entgeistert dem Verfall ihrer Partei beiwohnen.

Safe Space vs. Charme einer breiten Volksbewegung

Wie man gesehen hat, können an solchen Fragen ganze Bewegungen zerbrechen oder zumindest einen Teil ihrer Breitenwirksamkeit einbüßen. Die Kampagne Deutsche Wohnen und Co. enteignen ist ein solches Beispiel. Als im Sommer 2021 der Vorwurf gegenüber einem führenden Mitglied der Kampagne erhoben wurde, eine junge Frau sexuell bedrängt zu haben, zeichnete sich relativ schnell ab, dass auf einen solchen Vorwurf nur der Ausschluss des Beschuldigten erfolgen kann.

Das wollten einige, vor allem ältere Personen, nicht einfach so hinnehmen, weswegen es in Folge zu großen Zerwürfnissen innerhalb der Kampagne kam. Übrig blieb ein überwiegend junges, diverses Team, das mit seiner radikal feministischen Haltung auch durchaus attraktiv auf eine junge und akademische Zielgruppe wirkt, darüber hinaus aber den Charme einer breiten Volksbewegung verloren hat.

Die älteren Genossinnen und Genossen fühlten sich moralisch zurückgesetzt, haben sich zurückgezogen oder sind isoliert. Die Vertreterinnen und Vertreter von Rechtsstaatlichkeit und einer Unschuldsvermutung fühlen sich ebenfalls unbehaglich innerhalb der Kampagne, angesichts des rigiden Vorgehens der Mehrheit gegenüber dem Beschuldigten. Sie halten die Vorverurteilung des Beschuldigten für inquisitorisch, zumal das rechtliche Verfahren nach einer Anzeige der Betroffenen auch eingestellt wurde, da nach Meinung der Staatsanwaltschaft kein ausreichender Tatverdacht bestand.

Ich will an dieser Stelle die verschiedenen Gruppen gar nicht gegeneinander ausspielen, da aber der Tonfall zwischen den Fraktionen sehr unversöhnlich ist, würde ich gerne ein paar Gedanken in die Diskussion werfen.

Im Strafrecht gibt es nur hopp oder topp, sonst aber auch Zwischentöne

Zum einen kann man an diesem, wie auch an weiteren Fällen durchaus sehen, dass der Rechtsstaat im Umgang mit sexualisierten Übergriffen offensichtlich Mängel aufweist. Das liegt auch daran, dass es im Strafrecht eben nur hopp oder topp gibt. Entweder es liegt eine Vergewaltigung, eine Nötigung und somit eine Straftat vor oder eben nicht. Dazwischen gibt es nichts.

Zu beweisen sind solche Übergriffe in den meisten Fällen nur schwer, weswegen auch viele Täter ungeschoren davon kommen, wenn es überhaupt zu einer Anzeige kommt. Auf der anderen Seite gibt es aber zwischen den Extremen „Schuldig oder nicht“, „Straftat ja oder nein“ gerade im Bereich der zwischenmenschlichen Beziehungen jede Menge Zwischentöne, die unangemessen, eklig, zweideutig oder auch einfach nur scheiße sein können.

Von einer unangenehmen Berührung bis zum Gefühl, unter Druck gesetzt zu werden, von einer herabwürdigenden Bemerkung bis zum ungewollten Flirt reicht da wahrscheinlich die Bandbreite, wobei eben nicht alles, was grenzüberschreitend ist, auch strafrechtlich relevant sein muss, genauso wenig wie alles, was gerade noch legal ist, akzeptabel ist.

Es gibt vorsätzliche Grenzüberschreitungen und es gibt unbeabsichtigte. Es gibt Missverständnisse genauso, wie es dieses männliche Gehabe von oben herab gibt, das die andere Person in erster Linie als Objekt behandelt – der patriarchale Ausdruck von Machtverhältnissen. Das alles damit abzutun, die Betroffenen "sollen sich mal nicht so haben", schließlich sei nichts "Straffälliges" vorgefallen, ist fahrlässig und vor allem in Organisationen, die sich als fortschrittlich verstehen, nicht akzeptabel und man kann verstehen, dass die Betroffenen müde sind, das alles immer und immer wieder erklären zu müssen.

Auf der anderen Seite ist aber auch das Vorgehen, das sich in den letzten Jahren durchgesetzt hat, wenn es um diese Art von Vorwürfen geht, ebenfalls als ein Rückschritt zu bezeichnen. Der einfache Ausschluss von beschuldigten Personen, ohne konkrete Beweisführung, einfach nur aufgrund eines Vorwurfs, ohne Verhandlung, fällt eben hinter rechtsstaatliche Errungenschaften wie die Unschuldsvermutung zurück.

Die konsequente Umkehr der Beweislast oder die Verweigerung einer Beweisführung, weil über die Vorwürfe gar nicht mehr gesprochen werden darf, da die Betroffenen retraumatisiert werden könnten, ist wenig zielführend, um echte Veränderung zu bewirken – weder im Verhalten der Beschuldigten selbst noch gesamtgesellschaftlich.

In diesem Zusammenhang sei dann auch die Art und Weise erwähnt, wie mit Abweichlern umgegangen wird, die mit dieser Art des parteiischen Verfahrens nicht einverstanden sind. Auch sie werden verurteilt und als Täterschützer:innen oder Antifeminist:innen gebrandmarkt. Es gilt ein Entweder-oder. Wer nicht dafür ist, ist dagegen. Eine sachliche Diskussion ist fast nicht mehr möglich.

Hier zeigt sich dann auch besonders deutlich, die entscheidende Schwierigkeit, die sich aus einer Diskursstrategie ergibt, die man an dieser Stelle grob als "identitätspolitisch" bezeichnen kann. Bei dieser Art der Argumentation geht es vornehmlich um die Frage, wer spricht, anstatt darum, was gesagt wird. Es geht darum, dass die Deutung einer Situation ausschließlich aus der Sicht der Betroffenen getroffen wird und allen anderen ein Mitspracherecht versagt wird.

Wer ein Problem damit hat, als Sexist zu gelten – und wer nicht

Was als Empowerment gegenüber einer Mehrheitsgesellschaft seinen Sinn erfüllt und auch in linken Organisationen nicht unbedingt falsch sein muss, wirkt in letzter Zeit zunehmend zersetzend. Schuld daran sind zwei Dinge, die in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen.

Erstens: Die Argumente verfangen besonders in linken Zusammenhängen nur deshalb, weil sich die potenziell beschuldigten Personen überhaupt auf eine solche Argumentation einlassen und für die entsprechenden Argumente empfänglich sind. Niemand von uns möchte rassistisch sein. Niemand von uns möchte sexistisch sein.

Dass wir es trotzdem immer wieder sind, bleibt unbestritten, aber identitätspolitische Vorwürfe können nur wirken, wenn sie auch ernst genommen werden. Man stelle sich nur mal vor, Donald Trump wird mit dem Vorwurf belegt, er sei ein sexistischer, weißer Hetero-Cis-Macker. Dann würde er vermutlich sagen: „Ja, genau das bin ich. Und wo ist das Problem?“ Ich als Linker hätte damit ein Problem, ganz einfach, weil es meinem Selbstbild nicht entspricht. Andere haben damit ein Problem, weil sie sich aufgrund der Unversöhnlichkeit der Vorwürfe ausgeschlossen fühlen.

Was dann auch zu einem zweiten Punkt führt. Diese Art der Beschimpfung untergräbt ein wichtiges Konzept der Linken, das in der Vergangenheit eines ihrer stärksten Waffen war. Das Konzept der Solidarität.

Diese ermöglicht uns nämlich über unseren eigenen Tellerrand zu schauen und uns mit Menschen zusammenzuschließen, auch wenn wir ihr Schicksal nicht direkt teilen. Es ermöglicht uns, über Geschlechter- und Ländergrenzen, über ethnische und kulturelle Barrieren hinweg mit anderen Menschen mitzufühlen und gemeinsam zu kämpfen und es ermöglicht uns, untereinander Kritik zu üben, ohne alle Brücken abzubrennen.

Das Spaltungspotenzial ist gigantisch

Vor diesem Hintergrund erscheint es manchmal sogar, als hätten diejenigen, die augenblicklich über Geld und Macht verfügen, die Identitätspolitik geradezu erfunden, um sie mit Absicht in progressive Strömungen einzupflanzen, nur um diese zu spalten. Die Solidarität wird untergraben – oder um es mal so polemisch zu formulieren, wie es auf Twitter zu lesen war: "Spaltet Euch in immer kleinere Minderheiten auf, die um die Wette diskutieren, wer am meisten unterdrückt wird – und jubelt dem Kapital zu, wenn es Regenbogen auf seine Produkte klatscht."

Denn auf der anderen Seite ist Identitätspolitik und Diversität nämlich gleichzeitig auch die einfachste Übung des Kapitalismus. Da es nicht um fundamentale Veränderungen geht, sondern um Anerkennung, hat der Kapitalismus im Zweifel kein Problem damit, eine schwarze lesbische Transfrau an die Spitze eines Unternehmens zu setzen, um die nächste Kündigungswelle durchzudrücken.

Gleichzeitig macht es aber natürlich trotzdem einen Unterschied, wer in einer Gesellschaft spricht und identitätspolitische Ideen sind nicht einfach so von der Hand zu wischen. Es gibt strukturelle Probleme, die auch in linken Gruppierungen auftreten. Repräsentanz ist wichtig und natürlich ist es wichtig, dass diejenigen am Tisch sitzen, über die gesprochen wird.

Auch die Sexismus-Vorwürfe innerhalb der Linkspartei sind nicht einfach mit der Frage zu erledigen, ob sie strafrechtlich relevant sind oder nicht oder ob die diversen Staatsanwaltschaften ihre Ermittlungen eingestellt oder gar nicht erst aufgenommen haben. Sie sind Ausdruck eines tief verwurzelten Denkens, dass es Männer offensichtlich für selbstverständlich halten, unbeschränkten Zugriff auf die Personen in ihrem Umfeld zu haben.

Sie sind Ausdruck einer Macht-Asymmetrie. Sie sind Alltag in dieser Gesellschaft. Sie sind Alltag in linken Bewegungen. Sie sind offensichtlich auch Alltag in der Linkspartei. Die meisten Frauen kennen dieses unangenehme Gefühl, das ist keine neue Erkenntnis.

Wie nun aber damit umgehen. Hinzunehmen sind diese Zustände nicht, vor allem nicht dann, wenn man sich selbst verpflichtet hat, feministische Positionen zu vertreten. Wie kriegen wir Verfahren hin, um zu lernen und uns gemeinsam weiterzuentwickeln?

Dass diese Gespräche und Diskussionen zurzeit kaum möglich sind, liegt vielleicht auch daran, dass viele denken, Menschen, die sich in linken Zusammenhängen aufhalten, seien per se bessere, reflektiertere und automatisch progressivere Persönlichkeiten. Es wird erwartet, dass linke Bewegungen und eben auch eine Partei wie die Linkspartei ein Safe Space sei, in dem diskriminierendes Verhalten einfach nicht vorkommt.

Viel spricht auch dafür, dass die Verantwortlichen innerhalb der Partei das ähnlich gesehen haben. So scheint es ja tatsächlich so zu sein, dass etwaige Ansprechstellen nur unzureichend besetzt waren oder wenig gefördert und beachtet wurden, ganz nach dem Motto: So etwas gibt es bei uns nicht, deshalb brauchen wir auch keine solchen Strukturen.

Während jede größere Firma, die etwas auf sich hält, mittlerweile Diversity-Beauftragte hat, die auch ernst genommen werden, scheinen entsprechende Stellen bei der Linkspartei eher stiefmütterlich behandelt worden zu sein. Während #Metoo mittlerweile im Mainstream angekommen ist, taugt #LinkeMetoo noch zu einem veritablen Skandal.

Die Linke ist aber kein Safe Space und kann es auch nicht sein, wenn sie sich in gesellschaftliche Kämpfe einmischen will. Wir müssen akzeptieren, dass wir von den herrschenden Verhältnissen geprägt sind. Wir müssen sehen, dass die Menschen, die sich in linken Strömungen engagieren, genau wie alle anderen auch aus diesen kapitalistischen Verhältnissen und dieser kaputten, individualisierten Gesellschaft hervorkommen, vollgepackt mit der dazugehörigen Ideologie.

Das bedeutet nicht, dass wir uns nicht weiter entwickeln können, das bedeutet im Umkehrschluss aber auch: Da wir nicht perfekt sind, können wir uns nur weiterentwickeln – müssen uns weiterentwickeln – und zwar gemeinsam.

Dieses Eingeständnis schließt aber auch mit ein, dass wir uns zugestehen müssen, Fehler machen zu dürfen. Fehler, an denen wir gemeinsam arbeiten. Fehler, die wir gemeinsam aufarbeiten. Schuldzuweisungen auf Grundlage einer Nulltoleranz-Politik sind da wahrscheinlich eher kontraproduktiv, da durch solche Schuldzuweisungen noch niemand irgendwas gelernt hat – bestätigen können das jedenfalls Menschen, die etwas von Pädagogik verstehen.

Gemeinsames Lernen statt Nulltoleranz-Politik

Insofern brauchen wir Räume, in denen wir über Verletzungen sprechen können, über Missstände, über Grenzüberschreitungen und alles, was dazu gehört, in denen aber auch eine Verständigung und eine Versöhnung möglich ist. Wenn nach solchen Taten eine Zero-Tolerance-Politik gefordert und nur noch der Ruf nach Ausschluss bleibt, dann ist das tödlich. Tödlich für die Bewegung. Tödlich für eine Partei, die offen sein will.

Als Linke brauchen wir solidarische Räume, in denen wir gemeinsam lernen können und starke, inhaltlich gefestigte Strukturen, denen wir vertrauen, aber vor allem brauchen wir das Bewusstsein, dass wir einen gemeinsamen Kampf kämpfen und auf niemanden verzichten können, der nicht absichtlich destruktiv handelt.

Wir können es uns nicht leisten, dass Tausende von Betroffenen sich immer wieder still und heimlich aus politischen Zusammenhängen zurückziehen, weil sie nicht ernst genommen werden, noch können wir uns leisten, dass sich Typen immer wieder selbst ins Aus schießen, weil sie sich nicht im Griff haben, weil sie denken, dass sie machen können, was sie wollen, weil sie sich und ihr Verhalten einfach nicht begreifen und nichts an ihrer problematischen Art ändern wollen.

Offensichtlich braucht es aber auch immer eine Art von öffentlichem Aufschrei und Skandal, damit überhaupt so etwas wie ein Reflexionsprozess in Gang kommt. Man kann sich für eine linke Bewegung und eine Partei wie Die Linke wünschen, dass so etwas schon vorher in Gang gekommen wäre.

Nichtsdestotrotz sollte der aktuelle Aufarbeitungsprozess auch unter dem Gesichtspunkt erfolgen, dass jeder und jede auch eine zweite Chance verdient hat und dass Menschen lernfähig sind. Es müssen ernsthafte Konsequenzen gezogen und ehrliche Gespräche geführt werden, jenseits von Machtklüngeln und Männerbündeleien – aber die Vorfälle dürfen eben auch nicht für irgendwelche Machtspielchen ausgenutzt werden.

Dass so etwas gelingt, ist im aktuellen Zustand, in dem sich die Linkspartei befindet, eher unwahrscheinlich. Aber wenn über allem eben auch der Gedanke stehen würde, wie man trotz dieser Erfahrungen, mit einem geeigneten Aufarbeitungsprozess wieder zusammen statt gegeneinander kämpfen kann - für mehr Menschlichkeit, für ein besseres Leben, für die ganz konkreten Menschen da draußen und ihre ganz konkreten Bedürfnisse – dann wären wir schon einen großen Schritt weiter.

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