"Sie haben das Recht, zu schweigen, …"

…Sie haben kein Recht auf einen Anwalt - und alles, was Sie sagen, kann gedruckt werden!

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Was man einem Journalisten in der Kneipe oder in der Oper erzählt, könnte dieser in seinem nächsten Artikel verwerten. Normal ist dies nicht weiter schlimm, sehr unangenehm jedoch, wenn es unter voller Namensnennung geschieht.

Der Romancier George Eliot bemerkte einst:

Oh, das Wohlgefühl, das unaussprechliche Wohlgefühl, sich bei einem Menschen sicher zu fühlen, weder Gedanken zügeln, noch Worte wägen zu müssen. sondern sie aussprechen zu dürfen. wie sie kommen, Spreu und Weizen in einem, und zu wissen. eine brüderliche Hand werde sie aufnehmen und sondern – bewahren, was des Bewahrens wert ist, und das übrige mit gütigem Hauch hinwegblasen!

So ähnlich muss sich Gianna Angelopoulou, die Vorsitzende des Organisationskomitees der olympischen Spiele von Athen 2004, gefühlt haben als sie mit einer italienischen Journalistin, Concita di Gregorio, während einer Theaterpremiere in Turin sprach. Angelopoulou gab wohlgemerkt kein Interview, als sie sich in Turin aufhielt. Sie wurde von der Journalistin lediglich angesprochen und in ein kurzes Gespräch verwickelt.

Gianna Angelopoulou

Da der Inhalt des Gesprächs brisant erschien, entschied sich die Journalistin, ihn als Interview zu veröffentlichen. Pünktlich zum Feiertag der Verliebten – doch nicht gerade in entsprechender Stimmung – veröffentlichte La Repubblica das Interview.

Mit der Liebe der Griechen zu Frau Angelopoulou dürfte es nun ebenso vorbei sein, wie mit Gianna Angelopoulous Affinität zu Journalisten. Der Wortlaut des Interviews lässt nicht unbedingt darauf schließen, dass Gianna Angelopoulou eine hohe Meinung über ihr Land hat. Es ist interessant, die strittigen Bemerkungen des Interviews zu lesen:

Griechenland ist kein Land zum Leben…

Leben Sie noch in Athen?

Angelopoulou: Nur kurzfristig. Wir bewegen uns zwischen der Schweiz, London und den USA, aber wir mussten leider alle für eine lange Zeit in Athen leben.

Leider? Wieso leider?

Angelopoulou: Griechenland ist nicht angenehm. Schön. Aber für das Studium der Kinder und unsere Arbeit ist es nicht das geeignete Land.

Auf die Frage der Journalistin nach den immensen Schulden, die die Olympischen Sommerspiele dem griechischen Staat gebracht haben antwortete Angelopoulou:

Unsinn. Ich habe ein Plus erwirtschaftet. Wenn nun sowohl die vorherige als auch die jetzige Regierung Griechenlands keinen Plan für die Verwendung der olympischen Bauten haben, ist das nicht mein Problem.

So weit so gut. Sicher hätte niemand in Italien ein Interesse daran gehabt, die abfälligen Äußerungen der ehemaligen Lady Olympia über ihr Heimatland zu lesen. Allerdings äußerte Angelopoulou relativ instinktlose Kritik an den italienischen Winterspielen in Turin. Sie meinte sagen zu müssen:

Wir Griechen haben Kultur, die Italiener Arbeitskultur und Autos (Ferraris).

Als sie dann auch noch auf die Frage nach dem ergreifendsten Moment der Eröffnungsfeier gefragt wurde und „den Adler“ angab, muss dies bei der italienischen Journalistin eine tiefe Kränkung ausgelöst haben. Denn der Adler war bekanntlich eine Friedenstaube. Auch wenn so mancher Deutsche ja auch nicht die eigene Nationalflagge kennt.

Spätestens nach der Bemerkung, die italienischen Organisatoren hätten Teile der Eröffnungsfeier von Albertville abgekupfert, muss de Gregorio sich dazu entschlossen haben, einen journalistischen Amoklauf zu starten. Der mittlerweile auf der Internetseite von la Rebupplica nicht mehr auffindbare Artikel enthielt etliche ironische Bemerkungen über Frau Angelopoulou, wie „die Kaiserin von Athen“.

Zickenkrieg mit journalistischen Mitteln

Die Journalistin fährt fort:

Ihr Gesicht ist weißgeschminkt wie ein Staubtuch, die Augen mit schwarzem Stift geschminkt….

Mittlerweile hat die Journalistin auf Anfragen griechischer Medien mitgeteilt, dass Frau Angelopoulou ihre Aussagen im privaten Kreis während einer Pause zwischen dem zweiten und dritten Akt der Oper „La Boheme“ gemacht haben soll. Da der betreffende Artikel in der Ausgabe von „la Rebupplica“ als Interview gekennzeichnet ist, stellt sich die Frage, wie weit Journalismus gehen darf. Dürfen private Äußerungen einer Person für eine Veröffentlichung benutzt werden, auch wenn diese Person ihr Gegenüber durch unqualifizierte Äußerungen in Rage versetzt?

Gianna Angelopoulou, die bis vor kurzem als zukünftige Bürgermeisterin von Athen im Gespräch war, dürfte mittlerweile ihre eigene Meinung über die „vierte Staatsgewalt“, den Journalismus, haben. Mit dem Vertrauen, dem von Eliot beschriebenen Wohlgefühl, ist es erst einmal vorbei.