Sieben Prozent Inflation: Trotzdem spielt auch die US-Notenbank auf Zeit

Seite 2: Druck von der EZB genommen - Stagflation und Klimapolitik?

Da die FED die Leitzinsen nicht erhöht hat, nimmt Druck von der EZB. Die EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte angesichts der Erwartungen, dass die FED die Leitzinsen erhöhen könnte, auch eine baldige Zinserhöhung nicht mehr ausgeschlossen. Bei steigenden Leitzinsen würde auch reichlich Kapital auf der Suche nach Rendite in die USA abfließen.

Dass die Inflation alsbald wieder sinkt, wie man bei der FED und bei der EZB weiter erhofft, muss nicht der Fall sein. Es ist sogar eher unwahrscheinlich, dass es dazu kommt, vor allem wenn sich wie schon sichtbar Zweitrundeneffekte als Reaktion auf die hartnäckige Inflation einstellen. Zudem sind die Energiepreise weiter hoch. Der Ölpreis in nur einem Jahr um mehr als 60 Prozent gestiegen. Beim Erdgas sind es derzeit etwa 50 Prozent.

Klar ist, dass sich steigende Energiepreise erst mittelfristig in steigenden Preisen für Waren und Dienstleistungen niederschlagen. Bei einigen Rohstoffen, zum Beispiel beim für Batterien so bedeutsamen Lithium, sind die Preissteigerungen sogar noch deutlich höher.

Und man braucht nur wenig Phantasie, um sich auszumalen, wie sich der eskalierende Konflikt um die Ukraine auf Energiepreise, Rohstoffpreise und Lieferengpässe auswirken würden, womit enormes Inflationspotential verbunden wäre. In dem hier geschilderten Zusammenhang ist es fast schon drollig, wenn einige Experten lieber auf die Klimapolitik einschlagen und sie für die hohe Inflation und sogar für eine mögliche Stagflation verantwortlich machen wollen.

Real könnte aber eine kriegerische Auseinandersetzung in der Ukraine in eine gefährliche Situation führen, in der die Inflation hoch ist, während die Wirtschaft stagniert oder schrumpft. Die Welt titelte allerdings in diesen Tagen: "Unsere Klimapolitik kann eine Stagflation auslösen." So war ein Interview mit Michael Hüther überschrieben.

Der Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln warnte nicht wegen eines möglichen Krieges, sondern wegen der Klimapolitik vor einer Situation wie nach dem Ölpreisschock in den 1970er‑Jahren, die zu einer Stagflation führen könne. Auch Hüther meint, dass die Inflation dauerhaft hoch bleiben könne.

"Die steigenden Preise, die wir im Moment erleben, sind immer noch Folgen der Pandemie und der Probleme in den Lieferketten."

Hinzu kämen politische Effekte, die Öl‑ und Gaspreise steigen lassen, und natürlich auch klimapolitische Maßnahmen. "Der steigende CO2‑Preis schlägt auch auf die Inflation durch", meint er, ohne das auch nur irgendwie zu quantifizieren. "Über den Tag hinaus kann daraus etwas Besorgniserregendes entstehen", warnt er.

Europa drohe eine Stagflation, wenn die Politik nicht aufpasse, hebt er besonders auf die Klimapolitik ab. Wie er sich aber erklärt, dass die Inflationsrate in den USA schon deutlich höher als die im Euroraum (fünf Prozent), obwohl es auf der anderen Seite des Atlantiks "unsere Klimapolitik" nicht gibt, erfährt der geneigte Leser nicht.

Hüther wird im Interview auf solche Probleme in seiner Argumentation auch nicht hingewiesen. Deshalb kann er sich munter weiter in die Fallstricke versteigen, wonach ausgerechnet "unsere Klimapolitik eine Stagflation auslösen" könne.

Dabei sind die stark gestiegenen Energiepreise insgesamt nur unwesentlich auf die erhöhten Preise für CO2-Zertifikate zurückzuführen, wie sich auch in den USA zeigt. Allerdings darf der Appell von ihm nicht fehlen, dass die Gewerkschaften jetzt trotz der Inflation gefragt seien, "ihre Forderungen anzupassen, damit sie über steigende Lohnstückkosten die Inflation nicht weiter treiben, weil sich Löhne und Preise immer weiter aufschaukeln".

Lohn- und Kaufkraftverzicht werden gerne von Leuten wie Hüther angepriesen, der auf einen Nebenkriegsschauplatz ausweicht, von einer "Klima‑Inflation" faselt, für die es, jedenfalls derzeit, keinerlei Hinweise gibt.